Altenpflegerin Natalie Damas-Fritz bei der Arbeit im Gundelfinger "Haus der Senioren", sie verbindet den Fuß einer Seniorin.
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Altenpflegerin Natalie Damas-Fritz bei der Arbeit im Gundelfinger "Haus der Senioren".

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Arbeit als Altenpflegerin: "Das kann mir keine Maschine geben"

Arbeit als Altenpflegerin: "Das kann mir keine Maschine geben"

In der Pflege ist der Personalmangel besonders eklatant. Die Zahl der Auszubildenden steigt, aber zu langsam. Warum? Und was kann getan werden? Über eine junge Altenpflegerin, die ihre Arbeit liebt, aber auch Verbesserungsvorschläge hat.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Guten Morgen, mein Sonnenschein" begrüßt Natalie Damas-Fritz Georg Haubeltshofer, der noch im abgedunkelten Zimmer im Bett liegt. Es ist kurz vor 7 Uhr morgens. Als er die Pflegerin erkennt, strahlt er übers ganze Gesicht. "Endlich", sagt er, "Natalie! Lang ist's her". Sie drückt seine Hand.

Natalie Damas-Fritz hat heute ihren ersten Tag im Heim, nach sechs Monaten im Krankenhaus, die sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Pflegefachkraft absolvieren musste. Vor einigen Jahren hat sie schon einmal im Gundelfinger Haus der Senioren gearbeitet, als Pflegehelferin. Dann hat sie Kinder bekommen, danach im Verkauf gearbeitet: Kleine Kinder und Schichtarbeit, das verträgt sich nicht. Die Arbeit in der Altenpflege hat sie dabei die ganze Zeit über vermisst. Jetzt ist die inzwischen 34-Jährige zurück. Nicht mehr als Helferin, sondern als Azubi.

Pflege ist viel mehr als nur Waschen

Frühmorgens um sechs geht es los. Morgentoilette bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Da riecht es auch mal streng, manchmal muss sie Erbrochenes oder Exkremente aufputzen. Doch, sagt sie, daran gewöhnt man sich. Für sie ist die morgendliche Grundpflege viel mehr als nur Waschen: "Man erfährt so viel über vergangene Zeiten, und die Menschen freuen sich, fühlen sich dann auch wohler", sagt Natalie Damas-Fritz und fährt Georg Haupeltshofer mit dem feuchten Waschlappen über den Kopf, den Hals und den Rücken. Der seufzt, "ah, das tut gut" und Natalie Damas-Fritz lächelt: "Das ist so schön - dass ich, dass mein Wesen, meine Arbeit so wertgeschätzt werden. So eine Dankbarkeit kann einem halt keine Maschine geben". Dennoch würde sie sich oft mehr Zeit wünschen, für die "ganzheitliche Pflege", also: die körperliche und die seelische Betreuung der Menschen.

Nur weil man es immer so gemacht hat, muss nicht alles gut und richtig sein

Dass sich etwas ändern muss, hat auch der Geschäftsführer vom Haus der Senioren in Gundelfingen, Markus Moll, eingesehen. Nicht nur die äußeren Rahmenbedingungen, sondern, es gelte auch alte Strukturen in den Häusern aufzubrechen und anzupassen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege klagen oft über hohen Druck, zu wenig Zeit. Gemäß der klassischen Organisationsstruktur in Pflegeheimen seien morgens meist mehr Beschäftigte im Einsatz, als in der Spätschicht, so Moll. Gerade in der Früh sei es dabei sehr stressig: Man habe den Anspruch, alle Bewohnerinnen und Bewohner bis zu einer bestimmten Uhrzeit gewaschen, geduscht oder gebadet zu haben, dazu kämen noch Arztbesuche. Da könnte man Druck rausnehmen, meint Moll.

Das Duschen oder Baden könne man in einigen Fällen auch auf den Nachmittag verlegen. Wichtig sei auch, dass die Pflegekräfte genaue Pläne hätten, was sie wirklich erledigen müssen, und wann sie mit allen Tätigkeiten fertig seien. Oft sei das nicht ganz klar, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten das Gefühl, noch viel mehr schaffen zu müssen. Das sorge für Unzufriedenheit. Die Krankenstände im Heim sind hoch, vor allem seit Corona. Deshalb, und weil Moll insgesamt zu wenig Personal hat, ist derzeit im Heim ein ganzes Stockwerk mit 25 Betten nicht belegt. Um das zu ändern, bräuchte Moll mehr Fachkräfte: Dreieinhalb Vollzeitstellen sind nicht besetzt. Weil viele in der Pflege in Teilzeit arbeiten, wären das erfahrungsgemäß fünf bis sechs Mitarbeiter, so Moll. Helfer hätte er genügend, laut den Vorschriften muss aber immer auch eine gewisse Zahl an Fachkräften pro Bewohner zur Verfügung stehen.

Politische Rahmenbedingungen haben sich teilweise gebessert

Dabei hätten sich die äußere Rahmenbedingungen bereits gebessert, sagt Moll. Zum Beispiel der Personalschlüssel: Patienten mit hohem Pflegegrad steht mehr Personal zu. Das bedeutet weniger Arbeit für den Einzelnen. In der Praxis, berichten Pflegerinnen und Pfleger, sei es allerdings so, dass auch Menschen mit niedrigem Pflegegrad viel Zeit benötigten. Gerade weil es ihnen noch relativ gut gehe, hätten sie höhere Ansprüche, denen man gerecht werden müsse. Erhöht wurden die Personalschlüssel aber vor allem für bettlägerige und stark pflegebedürftige Menschen. In der Konsequenz bedeutet das natürlich auch, dass insgesamt mehr Personal benötigt wird.

Zahl der in der Pflege Beschäftigten steigt - aber nicht genug

Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Bayern Prognosen zufolge von derzeit rund 500.000 auf eine Million verdoppeln. Dazu kommt, das seit Einführung der Pflegestufen besonders pflegebedürftigen Menschen mehr Betreuung zusteht. Das ist einerseits positiv, bedeutet aber auch einen höheren Personalbedarf. Und davon gibt es nicht erst seit Corona, sondern schon seit Jahrzehnten zu wenig. Das ist nur schwer aufzuholen. Auch nicht, wenn die Zahl der in der Pflege Beschäftigten in den vergangenen Jahren zunimmt: Von 2018 bis 2021 sei ihre Zahl von 206.350 um 13.460 auf 219.810 im Jahr 2021 gestiegen, teilt das Bayerische Gesundheitsministerium mit. Das ist ein Zuwachs von etwa sechseinhalb Prozent.

Die reinen Zahlen sind in dem Fall allerdings nicht besonders aussagekräftig, da ein Großteil der in der Pflege Beschäftigten nicht in Vollzeit arbeitet. Unterm Strich wird der Mangel wegen des kontinuierlich ansteigenden Bedarfs deshalb weiter zunehmen, bestätigt das Bayerische Gesundheitsministerium. Unterdessen wird viel getan: Die Ausbildung wurde reformiert, es gibt zahlreiche Werbekampagnen, unter anderem vom Ministerium.

Schlechtes Image der Pflege in der Gesellschaft

Mit ein Grund, warum noch zu wenige in die Pflege wollen ist auch ihr schlechtes Image, meint Natalie Damas-Fritz. "Ich will das eigentlich nicht sagen. Aber in der Öffentlichkeit werden wir immer wieder nur als 'Arschabputzer' gesehen. Gerade Leute, die nur mal kurz ein Praktikum gemacht haben, die eigentlich wenig Einblick haben, die stufen das so runter" sagt die 34-Jährige. Man müsse deshalb präsenter machen, wie die Arbeit in der Pflege wirklich ausschaut. Man müsse die schönen Seiten des Berufs präsenter machen, etwa über mehr Praktika in Einrichtungen, schlägt Kunsttherapeutin Susanne Marie Gruber vom Haus der Senioren in Gundelfingen vor.

Weil sie sich langfristig für diese Arbeit entschieden hat, macht sie jetzt die Ausbildung zur Pflegefachkraft. Ohne Fachkräfte dürfen nämlich auch keine Pflegehelfer arbeiten. Ihr Chef ist sehr zufrieden mit ihr - und würde sich über mehr so engagierte, verantwortungsbewusste Leute in der Pflege freuen.

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