Die Zeiten, in denen Männerwohnheime fast ausschließlich von Obdachlosen bezogen wurden, sind offenbar vorbei. Mittlerweile haben viele Bewohner einen festen Job. Einer davon ist Mario Schmidt. Der Security-Mitarbeiter arbeitet jede Woche 50 Stunden bei einer Zeitarbeitsfirma. Trotz intensiver Suche findet er seit eineinhalb Jahren keine eigene Bleibe. In seiner derzeitigen Unterkunft kann er maximal drei Jahre bleiben. "Tausend Euro Kaltmiete - das kann ich mir nicht leisten. Die Angebote, die es gibt, das ist alles zu teuer. Es ist fast hoffnungslos. Aber man macht trotzdem weiter, weil man ja eine Wohnung will", erzählt er im BR-Politikmagazin Kontrovers. In seinem Wohnheim in München muss Schmidt sich sehr einschränken. “Wir haben einen Schrank, wo man seine Sachen verstecken kann. Ein Bett. Rechts daneben einen kleinen Office-Bereich, dann kommt das Bad. Und das ist eigentlich alles.“
Trotz fester Stelle keine eigene Wohnung – Mario Schmidts Situation sei beispielhaft für viele Männer in der Unterkunft der Katholischen Männerfürsorge, erklärt Einrichtungsleiter Christoph Kellner: "Die Männer arbeiten viel und hart. Vorwiegend im Sicherheitsgewerbe oder in der Logistikbranche. Aber es hapert schlicht und ergreifend an bezahlbarem Wohnraum."
Arbeitgeber als Vermieter
Ein Großstadt-Problem in Bayern? Nicht nur. Im 200 Kilometer entfernten Ravensburg betreibt Markus Winter eine Firma, die auf das Lackieren von großen Industriebauteilen wie Turbinen und Kranteilen spezialisiert ist. Derzeit kann er rund 50 offene Stellen nicht besetzen. Der Markt an Arbeitskräften in der Region ist leergefegt. Deshalb versucht er immer wieder Mitarbeiter aus Kroatien anzuwerben. Den Ungelernten zahlt der Unternehmer etwas mehr als den Mindestlohn. Doch der Wohnungsmangel in Deutschland scheint sich herumgesprochen zu haben. Es kommen zu wenige Arbeitskräfte. Deshalb will Winter nun selbst in Wohnraum investieren. "Wir suchen zurzeit nach einem größeren Wohnhaus mit rund 20 Zimmern im Raum Biberach. Das würden wir kaufen und dann unseren potenziellen Mitarbeitern ein Zimmer zur Verfügung stellen."
"Verlust von Wirtschaftswachstum"
In Deutschland fehlen laut der Bundesanstalt für Arbeit derzeit rund 900.000 Arbeitskräfte. Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht darin eine große Gefahr für die Wirtschaft. "Wenn weiterhin dieser Arbeitskräftebedarf nicht abgedeckt wird, werden Unternehmen abwandern. Sie werden schließen. Sie werden sich verkleinern. Insgesamt heißt das, dass wir dadurch Wirtschaftswachstum verlieren werden." Ohne einen Zuzug aus dem Ausland werde der Arbeitskräftemangel nicht gelöst. Mindestens 400.000 Arbeitskräfte müssten jedes Jahr nach Deutschland kommen. Eine Zahl, die nicht annährend erreicht wird. "Es wird den Unternehmen nichts anderes übrig bleiben, als sich Gedanken zu machen, wie sie das Problem entweder durch eine entsprechend höhere Entlohnung lösen können oder eben, indem sie auch tatsächlich Wohnraum zur Verfügung stellen," erklärt der Ökonom.
Mario Schmidt hat derzeit keine der beiden Optionen in Aussicht. Aufgeben ist für ihn dennoch keine Option. Er hofft weiter auf eine bezahlbare Wohnung. Eineinhalb Jahre bleiben ihm noch, bis er aus der Unterkunft ausziehen muss. Dann droht ihm die Obdachlosigkeit.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!