Wenn Antje Stroka um 7.30 Uhr zu arbeiten beginnt, sind ihre Kolleginnen schon seit anderthalb Stunden auf Station. Arbeitszeiten, die für die 40-Jährige gut mit ihrem Privatleben vereinbar sind: So kann sie vor Dienstbeginn noch ihre Tochter in die Kita bringen und nach Feierabend abholen.
Antje Stroka ist eine von bislang 50 sogenannten Flex-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern am Würzburger Uniklinikum. Die Uniklinik will weg von teuren Zeitarbeitskräften, hin zu einer langfristigen Lösung für den Pflegepersonalmangel. Die Zielgruppe: Studierende, Rentnerinnen und Rentner, Menschen nach der Elternzeit. Die Voraussetzung ist eine Ausbildung in der Pflege.
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Flexible Arbeitszeiten und wechselnde Fachbereiche
Neun Jahre lang hat Antje Stroka nicht in ihrem Ausbildungsberuf als Gesundheits- und Krankenpflegerin gearbeitet. Nach ihrer Ausbildung und einigen Jahren im Beruf hat die 40-Jährige nochmal studiert und ist Mutter geworden. Eigentlich wollte sie wegen der Arbeitsbedingungen nicht zurück in die Pflege – aber das neue Arbeitszeitmodell hat sie überzeugt.
Infusion richten, Verbände wechseln, waschen, Betten machen, Drainage ziehen – Aufgaben, die ihr nach der Einarbeitung und dank elf Jahren Berufserfahrung nicht schwer fallen. Eine gute Voraussetzung, denn als Flex-Pool-Mitarbeiterin springt sie da ein, wo Personalengpässe entstehen. "Man muss sich jeden Tag auf neue Situationen einstellen, jeden Tag einen Überblick bekommen, weil ja auch jede Station ein bisschen anders strukturiert und sortiert ist. Das ist eine Herausforderung", sagt Antje Stroka.
Heute ist sie die einzige Flex-Mitarbeiterin auf der Station. Ihre Kolleginnen sind vom Stammteam, also Pflegekräfte, die nach Dienstplan von der Stationsleitung eingeteilt werden.
Die große Frage vor Start des neuen Arbeitszeit-Modells war: Passt das zusammen? "Es gab schon Ängste vom Stammpersonal", gibt Stationsleiterin Anette Steinam-Wöppel zu. "Dass sie nur die unliebsamen Dienste übernehmen müssen und die vom Flexpool kommen und sich das Beste heraussuchen." Beide Seiten zu berücksichtigen, das sei schon eine Herausforderung. Aber nach zwei Monaten, die das Projekt "Flex4UKW" nun läuft, sei klar: Die Sorgen haben sich nicht bewahrheitet.
Modell schafft Entlastung für alle
"Wenn die Patientenversorgung gewährleistet werden kann und das Stammpersonal nicht so oft einspringen muss bei Ausfällen, dann ist das erstmal einfach ein Benefit", sagt Steinam-Wöppel. Damit die Idee, Personalengpässe aufzufangen, aufgeht, sollen mindestens 160 Pflegekräfte im Flex-Pool zur Verfügung stehen. 50 sind es schon.
Die Dienstplan-Wünsche sind dabei ganz unterschiedlich: Studierende können vielleicht mal vier Wochen am Stück – Eltern eher vormittags und alle paar Wochenenden. Manche sind für kurzfristiges Einspringen zu haben, andere nicht. Alles wird berücksichtigt, sagt Cashanna Schöller, die das Flex-Büro leitet.
Stammpersonal bleibt erhalten
Je nachdem, welche Arbeitszeiten sich eine Flex-Mitarbeiterin wünscht, sollen diese auch erfüllt werden. Klingt verlockend – aber nicht für alle: Es gebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr gerne auf Station arbeiten, sagt Schöller, "die ihr Team brauchen, die einen Heimathafen brauchen, sag ich mal." Eine Fluktuation aus den Stammteams ins Flex-Team beobachte sie deshalb nicht.
Bei Antje Stroka ist es anders: Ohne Flex-Modell wäre sie wohl nicht mehr in den Pflegeberuf zurückgekehrt. Trotz Sonderwünschen fühlt sie sich gut aufgehoben im Stationsteam. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kolleginnen und Kollegen über jede Hilfe froh sind. Dass es einfach gut ankommt, wenn noch jemand dabei ist und unterstützen kann." Um 14 Uhr hat sie Feierabend – pünktlich, um ihre Tochter von der Kita abzuholen.
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