Nachbildung eines zerbrechlichen Kamms aus Elfenbein
Bildrechte: BR / Tobias Hildebrandt
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Der "Hipster-Kamm" aus dem Grab eines Ritters: Im Nördlinger Stadtmuseum ist eine Nachbildung des zerbrechlichen Kamms aus Elfenbein zu sehen.

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Archäologie im Stadtmuseum: Auf der Spur des "Hipster-Kamms"

Archäologie im Stadtmuseum: Auf der Spur des "Hipster-Kamms"

"Schlagzeile Archäologie" heißt die neue Sonderausstellung im Nördlinger Stadtmuseum. Denn viele Funde aus den vergangenen Jahren haben für Schlagzeilen gesorgt – bis nach Großbritannien.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Es ist nur eine Nachbildung aus dem 3D-Drucker, trotzdem ist der "Hipster-Kamm" aus dem Nördlinger Ries beeindruckend. Auf dem 1.500 Jahre alten Kamm sind filigrane Schnitzereien von Tieren zu sehen. Ein echtes Schmuckstück. Das Original aus Elfenbein ist so zerbrechlich, dass es das Archiv nicht verlassen soll. Das Besondere ist aber ohnehin die Geschichte, die der Kamm erzählt – und die Teil der Sonderausstellung ist.

Der Kamm eines eitlen Ritters

Der Kamm ist vergangenes Jahr im Grab eines Ritters in Deinigen im Nördlinger Ries gefunden worden. Der BR konnte die Ausgrabungen damals exklusiv begleiten. Der Ritter war einerseits eine furchteinflößende Erscheinung. Das zeigen Grabbeigaben wie Schwert und Schild. Andererseits legte er offenbar Wert auf sein Äußeres, vielleicht war er sogar eitel. Darauf deutet der Elfenbein-Kamm hin, mit dem der Ritter wahrscheinlich seine Haare und den Bart pflegte.

Daily Mail schreibt vom "Hipster Warrior"

Mit Blick auf den Kamm sagte Archäologe Manfred Woidich dem BR während der Ausgrabungen mit einem Augenzwinkern: "Die ersten Deininger waren vielleicht auch Hipster." Der Begriff wurde zur Schlagzeile – bis nach Großbritannien. Die Daily Mail schrieb vom "Hipster Warrior", also dem Hipster-Krieger, aus dem Nördlinger Ries. Zum ersten Mal ist die originalgetreue Nachbildung des Kamms nun in Nördlingen öffentlich ausgestellt.

Aus Scherben in Vitrinen werden Geschichten

Auf diese Weise macht die Sonderausstellung des Stadtmuseums sozusagen Journalismus. Aus Fundstücken in Vitrinen werden plötzlich Nachrichten. Hinter den Keramikgefäßen, Scherben und Schmuckstücken stecken Geschichten. Alle Funde stammen aus dem Nördlinger Ries. Es sind keine Geschichten aus fernen Ländern, sondern mitunter Krimis, die vor unserer Haustür spielen.

Toter Bub in Müllgrube entsorgt

Wie die des Buben, der unfrei, also als eine Art Sklave, bei den Kelten vor rund 2.000 Jahren im Ries lebte. Seine Knochen wurden aufwendig analysiert. Ergebnis: Der Junge musste hart arbeiten, er bekam nur wenig Fleisch zu essen und er wurde noch im Kindesalter erschlagen. Sein Skelett fanden die Archäologen regelrecht entsorgt in einer altertümlichen Müllgrube. "Es ist erschütternd und aufwühlend. Das hat mich sehr bewegt", sagte Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner bei der Ausstellungseröffnung über den ermordeten Jungen aus dem Ries. Für die Wissenschaft war der Fund aber auch ein seltener Einblick in die untere gesellschaftliche Schicht der Kelten, über die sonst wenig überliefert ist.

Viele Fundstücke noch "grabungsfrisch"

Auch ungewöhnlich: Viele Ausstellungsstücke der Sonderausstellung sind erst vergangenes Jahr entdeckt worden und kommen "grabungsfrisch" ins Museum, sagte Johann Friedrich Tolksdorf vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege dem BR. Die Rieser könnten sich so anschauen, was sprichwörtlich vor ihrer Haustür gefunden wurde.

Nördlinger Ries ist übersät mit Bodendenkmälern

Dass es so viele spektakuläre Funde im Nördlinger Ries gibt, hat zwei Gründe. Erstens liegt sehr viel über die Menschheitsgeschichte dort in der Erde. Wegen der fruchtbaren Böden und des günstigen Mikroklimas ist das Ries schon seit Jahrtausenden besiedelt. Von den Kelten über die Römer bis zu den Alemannen und hinein in die Neuzeit.

Und zweitens: Es gibt eine lange archäologische Tradition im Nördlinger Ries. Auf Karten sind viele Bodendenkmäler eingezeichnet und das heißt, dass dort Archäologen graben müssen, bevor etwa ein Neubaugebiet entsteht – damit die Schätze im Boden nicht einfach weggebaggert werden. So werden wohl auch in Zukunft die Archäologen im Ries wieder Schlagzeilen machen. Bis dahin erzählt die Sonderausstellung im Nördlinger Stadtmuseum bis zum 6. November die Geschichten hinter den schon bekannten Fundstücken.

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