Gabriele Ropeter ist aufgewühlt. Sie leitet eine kleine, private Musikschule in München. Etwa 150 Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen dort ein Instrument oder nehmen Gesangsunterricht. Ropeter fürchtet, nach Rücksprache mit ihrer Steuerberaterin, dass sie ab nächstem Jahr Umsatzsteuer zahlen muss.
Bisher sind private Musikschulen von der Umsatzsteuer befreit
Die Musikerin sagt: "Ich habe Angst, dass durch die Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes das Überleben meiner kleinen privaten Musikschule 'Musik in Moosach' und damit auch meiner zehn Lehrerinnen und Lehrer in Gefahr gerät."
Bisher müssen sie und ihre Lehrer als studierte Musiker keine Umsatzsteuer zahlen. Ropeter führt aus: "Wir haben einen Bildungsauftrag bekommen vom Kultusministerium, sind zertifiziert mit Hochschuldiplom, müssen uns permanent weiterbilden und sind aufgrund dieses Auftrags bisher umsatzsteuerbefreit worden."
Steuergesetz-Entwurf sorgt für Ängste bei Musiklehrern
Mit ihren Ängsten ist sie nicht allein. Anlass ist ein Papier aus dem Bundesfinanzministerium, der Entwurf für das Steuergesetz 2024 (externer Link). Für öffentliche Musikschulen ändert sich nichts. Vielfach wird der Entwurf aber so verstanden, dass private Musikinstitute und private Musiklehrer künftig Umsatzsteuer zahlen müssen.
Konkret bereitet Freiberuflern in Punkt 21 § 4 Nummer 21 die Formulierung Sorge, dass künftig nur Personen und Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit werden, die "keine systematische Gewinnerzielung" anstreben. Außerdem die Ausführung in der Begründung des Gesetzes: "Nicht befreit sind Leistungen, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen, […] da diese nicht zu den Bildungsleistungen […] zählen."
Berufsverbände warnen vor drastischen Folgen
Berufsverbände wie zum Beispiel der Tonkünstlerverband und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände, aber auch die Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern (SK3) warnen, dass eine solche Änderung drastische Folgen haben könnte.
Ihre Sorge: Private Musiklehrer verdienten ohnehin wenig und müssten die Umsatzsteuer auf den Preis draufschlagen. Viele Eltern könnten das aber nicht bezahlen und würden kündigen. Freiberuflichen Musiklehrern breche dadurch die Existenzgrundlage weg – und viele Kinder und Erwachsene würden kein Instrument lernen.
Musikpädagogin: "Einige werden dann abspringen"
Auch Musikpädagogin Antje Molz aus dem Vorstand des Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) sorgt sich. Molz berät für den Verband andere Künstlerinnen und Künstler und unterrichtet im Landkreis Würzburg privat Klavier und Querflöte.
Sollte die Umsatzsteuer kommen, müsste sie das auf die Schüler umlegen. "Für mich würde das bedeuten, ich müsste ab 1. Januar 2025 19 Prozent teurer werden, ohne dass ich irgendeinen Vorteil davon habe. Was bedeutet, dass sich alle meine Schülerinnen und Schüler überlegen müssen, ob sie sich Musikunterricht überhaupt noch leisten können. Einige werden dann abspringen."
Musikunterricht: Über 200 Euro mehr pro Jahr?
Zahlt ein Schüler heute 100 Euro im Monat für Klavierstunden, wären das mit umgelegter Umsatzsteuer künftig 19 Euro mehr im Monat - aufs Jahr gerechnet 228 Euro zusätzlich. Molz kritisiert: "Der Gedankenfehler im Entwurf liegt darin, dass angenommen wird, die meisten Menschen wären angestellt und das Wichtigste wären staatliche, geförderte Einrichtungen und es gäbe ein bisschen freien Musikunterricht. Das Gegenteil ist der Fall."
Gerade in der Fläche übernehmen selbstständige Musiklehrer und private Musikinstitute eine wichtige Rolle in der musikalischen Ausbildung. Die geförderten öffentlichen Musikschulen haben nicht genug Plätze, um alle aufzunehmen, die ein Instrument oder Singen lernen, musikalische Früherziehung besuchen oder im Ensemble spielen wollen.
2.000 freie Musikpädagogen in Bayern gemeldet
Beim Verband der öffentlichen Musik- und Singschulen in Bayern waren zuletzt etwa 200 Musikschulen mit insgesamt etwa 200.000 Schülerinnen und Schülern registriert. Daneben sind im Tonkünstlerverband rund 2.000 freie Musikpädagoginnen und Musikpädagogen in Bayern angemeldet, die etwa 30.000 Schüler unterrichten. Außerdem 100 private Musikinstitute mit rund 25.000 Schülern.
Nicht alle sind alarmiert
Tamino Rat ist Vorsitzender des Landesverbands der freien Musikinstitute Bayern und betreibt eine private Klavierschule. Er kennt die Sorgen vieler Kollegen, sieht die Neuregelung aber gelassener. Denn aus seiner Sicht gibt der Gesetzestext nicht her, dass private Musikschulen künftig Umsatzsteuer zahlen müssen.
Ein Problem sieht er aber darin, dass künftig Finanzämter über die Umsatzsteuerbefreiung entscheiden sollen. "Zu befürchten ist, dass die Finanzämter die Umsatzsteuerbefreiung hinsichtlich des Musikunterrichts in Zukunft anders beurteilen werden, als es die Landesregierungen in der Vergangenheit getan haben", sagt Rat. Er begründet seine Sorge mit vergangenen Gerichtsurteilen, laut denen Finanzämter Musikunterricht zu Unrecht für umsatzsteuerpflichtig erklärt hatten.
Finanzministerium: Neufassung sieht keine Einschränkung vor
Das Bundesfinanzministerium versucht derweil zu beruhigen. Die Neufassung sehe "eine Einschränkung der Steuerbefreiung konkret von Musikschulen und Musiklehrern" nicht vor, teilte eine Sprecherin auf BR-Anfrage mit. In der Gesetzesbegründung werde Musikunterricht als Ausbildung und damit als umsatzsteuerfrei benannt. Das gelte auch für die Leistungen selbstständiger Musiklehrer.
Dennoch sind viele private Musiklehrer aufgrund der bisherigen Formulierungen beunruhigt und hoffen auf Änderungen, wenn der Entwurf ab September im Bundestag beschlossen wird. Sie fordern, das bisherige Bescheinigungsverfahren durch die Landesbehörden beizubehalten und weiterzuentwickeln. Und dass im Gesetz klar formuliert wird, dass auch private Musiklehrer und Musikschulen keine Umsatzsteuer zahlen müssen.
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