Für den Montag steht kein Stück auf dem Spielplan des Augsburger Staatstheaters. Intendant André Bücker wird also Zeit haben, am Abend einen anderen Termin wahrzunehmen. Aufgeführt wird – wenn man den Prognosen aus dem Stadtrat glaubt – eine Tragödie, der ja meist eine unausweichliche Verschlechterung innewohnt.
Bei besagtem Termin wird die Stadtspitze über den Fortgang der Theatersanierung berichten - einschließlich der zu erwartenden Kosten. Und die dürften noch über das Niveau ansteigen, das sowieso schon als finanzielles "Worst-Case-Szenario" der Stadt galt. "Das, was wir aus der Berichterstattung wissen, lässt Böses vermuten", sagt Florian Freund von der Augsburger SPD/Linke-Fraktion.
Es begann mit 186 Millionen Euro
Ein kurzer Rückblick: Als 2016 die dringend nötig gewordene Theatersanierung samt Neubauten beschlossen wurde, war von 186 Millionen Euro die Rede. 2020 waren es dann schon 246 Millionen, versehen mit dem Hinweis, dass es noch teurer werden könnte, je nachdem, wie sehr die Baupreise steigen. Im "Worst-Case-Szenario" ging die Stadt damals von Baupreisen aus, die im Schnitt um fünf Prozent pro Jahr steigen.
Schaut man aktuell auf die Baupreise, dann würde die Stadt wohl gerne auf diesen Worst Case zurückgreifen. Allein im vergangenen Jahr stiegen die Preise um mehr als 14 Prozent. Setzt sich dieser Trend fort, könnten die Theaterkosten schnell auf 350 bis 400 Millionen Euro steigen. Zumal seit dem Ukraine-Krieg auch die Strompreise davongaloppieren. "Die Kosten laufen uns offenbar völlig davon", sagt Freund.
Schon Abstriche am "Kleinen Haus"
Nun kann und will auch die Opposition nicht der Stadt die Schuld geben für Krieg und Corona-bedingte Materialengpässe. Zumal auch die SPD seinerzeit für die Sanierung war. Freunds Kritik setzt aber im Jahr 2020 an, als der erste Kostensprung öffentlich wurde.
Damals hätte man vor allem bei den geplanten Neubauten umdenken müssen – also beim Betriebsgebäude und dem Kleinen Haus als zweite Bühne neben dem Haupthaus. Zumal schon damals bei den Neu- und Ergänzungsbauten immer mehr Abstriche beschlossen wurden. "Und wir werden nun wohl noch weiter abspecken müssen", glaubt Freund.
"Vom Theater-Viertel weit entfernt"
Anders gesagt: Von dem 2016 angedachten Theater-Viertel im Stadtzentrum sei man aufgrund der abgespeckten Pläne eh schon so weit entfernt, dass man auch gleich die Ausweichspielstätten hätte einbeziehen können. So sehen es zumindest Kritiker.
Florian Freund, Mitglied des Bauausschusses, blickt vor allem nach Augsburg-Oberhausen. Auf dem dortigen Gaswerkareal hat das Staatstheater eine Ausweichspielstätte bekommen, die vom Publikum gut angenommen wird. "Wenn wir dort investiert hätten, wären wir wahrscheinlich billiger davongekommen und hätten auch noch etwas für die Stärkung des Kreativquartiers in Oberhausen getan."
Viele Schulden für eine verschuldete Stadt
Dafür scheint der Zug jedoch schon abgefahren. Ein Umstieg zum jetzigen Zeitpunkt sei kaum mehr wirtschaftlich. Zu viel Geld sei schon in die ursprünglichen Pläne investiert worden. Deshalb glaubt Freund, dass der Stadt nichts anderes übrig bleibt, als das Bauvorhaben zu Ende zu bringen.
Doch das wird Folgen haben für die Stadt. 2016 wurde beschlossen, die Sanierung samt Neubauten durch Schulden zu finanzieren. Das war schon damals einer der Kritikpunkte, da die Stadt viele weitere Sanierungsaufgaben vor sich herschiebt. Auch wenn der Freistaat rund die Hälfte der Theater-Kosten fördert.
Was ist mit Schulen und Spielplätzen?
Bei der Schulsanierung, für die etwa eine Milliarde Euro taxiert werden, leisten immerhin der Bund und der Freistaat viele Zuschüsse. Doch auch bei Hallenbädern oder Grünanlagen samt Spielplätzen besteht dringender Handlungsbedarf. Auch der Kita-Ausbau sei hier erwähnt, ganz zu schweigen von weiteren Großbaustellen wie dem Hauptbahnhof.
Und im kulturellen Bereich könnten ausufernde Theater-Kosten die Debatte um ein neues Römer-Museum de facto beenden. Spätestens seit dem Fund eines international bedeutenden Silbermünz-Schatzes wurde augenscheinlich, dass die Stadt, die so reich an römischer Geschichte ist wie kaum eine andere in Deutschland, nun seit Jahren ohne ein Museum für dieses wertvolle Erbe auskommen muss.
Zur Wahrheit gehört aber schließlich auch: Die Sanierung des Theaters war über Jahrzehnte aufgeschoben worden. Bis die Feuerwehr den Betrieb mehr oder minder einstellte. Die Sanierung musste also angegangen werden. Zu einer Zeit, als Kredite und Baumaterial noch vergleichsweise günstig waren. Vielleicht trifft also noch ein weiterer Aspekt der Tragödie auf das Bauprojekt zu. Nämlich der, dass jemand schuldlos schuldig wird.
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