Sie könnte bald aussterben - die Bachmuschel. Deshalb finden immer wieder Rettungsaktionen für die Tiere statt. Umso tragischer, dass viele der streng geschützten einheimischen Muscheln Anfang des Jahres 2025 in Obenhausen bei Illertissen getötet wurden. Der Bach mit den seltenen Muscheln liegt laut LBV in einem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet.
Biberdämme sollten weg
Das Landratsamt Neu-Ulm hatte als Untere Naturschutzbehörde dem Wasserverband Rothtal die Genehmigung erteilt, mehrere Biberdämme in der Westroth (auch: Kleine Roth) im Landkreis Neu-Ulm zu entfernen. Diese Dämme hatten dazu geführt, dass angrenzende Grundstücke wiederholt nicht mehr befahrbar waren.
Wasserverband wusste von nichts
Otmar Wöhrle, Chef des Wasserverbands Rothtal, verteidigt das Vorgehen und das Ausmaß der Baggerarbeiten. Ihm zufolge habe es keine genaue Vorgabe von der Behörde gegeben, wie viele Biberdämme zu entfernen seien. "Wir hatten auch keine Informationen darüber, dass es in dem betroffenen Bereich ein Vorkommen von Bachmuscheln gibt", sagt Wöhrle, der versichert, dass der Wasserverband bei Kenntnis extra eine Person abgestellt hätte, die den gemachten Aushub dann jeweils kontrolliert und im gegebenen Fall die Bachmuschel zurückgesetzt hätte. Wöhrle hatte die Baggerarbeiten an eine externe Firma vergeben.
Bachmuschel-Vorkommen seit zehn Jahren bekannt
Das Landratsamt Neu-Ulm will Wöhrle auf BR-Nachfrage nur "die punktuelle Entfernung zweier Biberdämme" genehmigt haben. Und die Behörde verweist darauf, dass das Vorkommen der Bachmuschel in dem zu bearbeitenden Flussbereich immer wieder thematisiert worden sei, unter anderem "in jeder Sitzung des Wasserverbands". Auch Ralf Schreiber, der Vorsitzende der Kreisgruppe Neu-Ulm des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz, weist darauf hin, dass das Gebiet ein ausgewiesenes Fauna-Flora-Habitat-Gebiet sei. Das Bachmuschel-Vorkommen dort ist ihm zufolge bereits seit zehn Jahren bekannt.
Ausmaß der Baggerarbeiten erst nach Abschluss bekannt
Baggerarbeiten mit weitreichenden Folgen für die bedrohten Muscheln
Im Januar 2025 erfuhr das Landratsamt Neu-Ulm von den inzwischen abgeschlossenen Arbeiten. Und auch Ralf Schreiber vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) meldete sich bei der Behörde. Denn ein Kollege sagt ihm: "Kannst Du Dir vorstellen, dass man für zwei Biberdämme etwa 500 Meter Bachufer abrasieren muss?" Bei einem Vor-Ort-Termin stellte die zuständige Behörde fest, dass die genehmigten Arbeiten offenbar umfangreicher ausgefallen seien als angenommen.
Außerdem erklärte das Landratsamt dem BR, dass es weder über Gehölzmaßnahmen noch über die Räumung von Gräben oder die Räumung der Westroth informiert oder die Maßnahme abgestimmt worden war. Das Landratsamt Neu-Ulm hatte eigenen Angaben nach keine Möglichkeit, die Baggerarbeiten zu kontrollieren, da ihm der Zeitpunkt nicht bekannt gewesen sei.
Keine lebende Bachmuschel mehr im Substrat
In einem Schreiben an Wasserverbands-Chef Otmar Wöhrle informierte das Landratsamt ihn darüber, dass die Behörde bei einem Vor-Ort-Termin frisch getötete Bachmuscheln im entnommenen Sohlsubstrat gefunden habe. Deshalb ordnete sie an, dass Wöhrle einen Gutachter zum entstandenen Schaden zu beauftragen habe. Dieser Gutachter kommt Anfang Februar zum Ergebnis: In einem kontrollierten Aushub gab es kein lebendes Exemplar der Bachmuschel, drei tote Exemplare wurden gefunden und eine Reihe von Muschelresten.
Gutachten wird Staatsanwaltschaft übergeben
Die Prüfung und Bewertung des Schadens im Schutzgebiet sowie die erforderlichen Ausgleichs- bzw. Sanierungsmaßnahmen laufen derzeit. Aktuell werden Gutachten erstellt und Informationen zusammengetragen, die nachfolgend die Staatsanwaltschaft Memmingen erhalten soll.
Hoffen auf überlebende Bachmuscheln
Ralf Schreiber, der Vorsitzende der LBV-Kreisgruppe Neu-Ulm, hofft, dass möglicherweise noch einige Bachmuscheln im angehäuften Sediment überlebt haben und fordert eine schnelle Reaktion: "Wenn es nicht eh schon zu spät ist, braucht es Fachleute, die sich sehr gut mit Muscheln auskennen." Bachmuscheln sind streng geschützte sogenannte "Indikatortiere": Wo sie leben, ist das Ökosystem - Wissenschaftlern zufolge - noch in Ordnung. Außerdem filtern sie viele organische Substanzen aus dem Bach, sie wirken damit wie eine kleine Kläranlage, sagt Schreiber.
In Bayern gibt es laut dem Bayerischen Landesamt für Umwelt noch neun größere Vorkommen von Bachmuscheln. Die meisten der geschützten Tiere leben in Schwaben und dem oberbayerischen Donaumoos.
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