Bekannt als "fahrendes Volk" arbeiteten die Jenischen als Korbflechter, Schirmflicker, Besenmacher oder Scherenschleifer und versorgten viele Menschen mit Dingen des alltäglichen Gebrauchs - das machte sie jedoch auch zum Ziel vieler Vorurteile und Anfeindungen.
Bildrechte: Zentralrat der Jenischen Deutschland
Audiobeitrag

Impressionen aus vergangenen Tagen: Viele Familien lebten als "fahrendes Volk" und versorgten die Menschen mit Dingen des alltäglichen Gebrauchs.

Audiobeitrag
>

Bald "nationale Minderheit"? Jenische fordern erneut Anerkennung

Bald "nationale Minderheit"? Jenische fordern erneut Anerkennung

Die Bundesregierung erkennt die Jenischen nicht als nationale Minderheit an. Ein Gutachten bestätigt ihnen nun aber eine "eigenständige" Sprache. Der Zentralrat der Jenischen hofft nun auf eine Anerkennung. Sie hätte weitreichende Folgen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Die Jenischen sind eine eigenständige und ethnische Minderheit, die seit Jahrhunderten in Europa lebt, vor allem in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Zur Jenischen Kultur gehören traditionelle Handwerkskünste, das Reisen mit Pferden und später Fahrzeugen sowie das Handeln auf Märkten. Ein Gutachten der Universität Aachen kommt zu dem Schluss: Jenisch ist eine eigenständige Sprache und kein Dialekt. Diese Erkenntnis könnte für die Jenischen ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Anerkennung als nationale Minderheit sein.

Jenische wollen als nationale Minderheit anerkannt werden

Die Bundesregierung hatte dies bislang abgelehnt und argumentiert, es gebe nicht genügend wissenschaftliche Belege. Der Zentralrat der Jenischen mit Sitz in Ichenhausen im Landkreis Günzburg will nun bis zum Sommer drei weitere Gutachten zu Kultur, Geschichte und Literatur der Jenischen vorlegen.

Was eine Anerkennung ändern würde

Die Anerkennung als nationale Minderheit hätte weitreichende Folgen. Die Bundesregierung müsste dann Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Jenischen Sprache und Kultur ergreifen. Zudem hätten Jenische Anspruch auf stärkere politische Repräsentation und könnten Entschädigungen für erlittenes Unrecht fordern. Während des Nationalsozialismus wurden Zehntausende Jenische verfolgt, zwangssterilisiert oder in Konzentrationslagern ermordet.

Auch Renaldo Schwarzenberger, der Vorsitzende des Zentralrats der Jenischen, hat sechs Familienangehörige während der NS-Zeit verloren, ermordet in Konzentrationslagern. Er erklärt, was für ihn die Anerkennung als "nationale Minderheit" bedeuten würde: "Es geht um das Recht der Existenz. Hier in diesem Land hat man als Jenischer keinen Wert."

"Unsere Sprache ist kein Dialekt"

Er selbst spricht seit seiner Kindheit Jenisch. "Ein Der, Die, Das gibt es nicht, es gibt nur die Endungen", erklärt Schwarzenberger. Ein weiteres Merkmal der Sprache seien regionale Unterschiede, etwa bei der Bezeichnung für "Baum" – in Baden sage man "Stebert", in Bayern "Stöbert". Schwarzenberger betont: "Wenn zwei sich in einem Raum unterhalten und die anderen nichts verstehen, dann sprechen wir nicht mehr von einem Sozialekt, sondern von einer Sprache."

Eine Viertelmillion Menschen sprechen Jenisch, vor allem in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich. Doch viele Jenische haben ihre Sprache nie gelernt. Wegen anhaltender Vorurteile nach dem Zweiten Weltkrieg vermieden es viele Familien, ihre Sprache öffentlich zu sprechen. Um dies zu ändern, hat der Zentralrat ein Kinderbuch herausgegeben, das Erwachsenen und Kindern gleichermaßen das Jenische näherbringen soll.

Mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen steigt für die Jenischen die Hoffnung auf eine offizielle Anerkennung. Bis zum Sommer wollen die Jenischen ihre neuen Gutachten zu Kultur, Geschichte und Literatur vorlegen. Dann liegt es an der Bundesregierung, eine Entscheidung zu treffen, ob die Jenischen künftig als nationale Minderheit gelten.

Im Video: Vergessenes fahrendes Volk – die Jenischen

Vergessenes Fahrendes Volk - die Jenischen: Viele Jenische bestreiten auch heute noch ihren Lebensunterhalt als Schausteller.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Die Jenischen. Kaum einer weiß, wer sie sind. Dabei gibt es erstaunlich viele von ihnen im deutschsprachigen Raum.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!