Der angeschlagene Batteriehersteller Varta hat angekündigt, in diesem und nächsten Jahr insgesamt 390 Stellen an seinen Standorten im bayerischen Nördlingen sowie in Ellwangen und Dischingen im benachbarten Baden-Württemberg abzubauen. Laut einer Mitteilung sollen in diesem Jahr 240 Arbeitsplätze wegfallen. 2024 sollen weitere 150 Arbeitsplätze von Deutschland ins Ausland verlagert werden.
In einer Ad-hoc-Mitteilung verkündete Varta am Dienstagabend ebenfalls einen Verlust von 200 Millionen Euro. Der Grund: Eine nicht zahlungswirksame außerplanmäßige Abschreibung auf das Sachanlagevermögen, insbesondere für das Segment "Lithium-Ion CoinPower", wie es in der Mitteilung heißt. "CoinPower" bezeichnet kleine Batterien, die Varta am Standort Nördlingen produziert und die zum Beispiel in kabellosen Kopfhören von Apple oder in Fitnessuhren verbaut werden. Dieses Geschäft war zuletzt stark eingebrochen. Außerdem verschiebt Varta die Bekanntgabe seiner Jahreszahlen vom morgigen Mittwoch auf Freitagabend nach Börsenschluss.
Genaue Zahl der Stellenstreichungen in Nördlingen noch unklar
Wie viele Stellen im bayerischen Varta-Werk in Nördlingen wegfallen, das stehe noch nicht fest und werde in gemeinsamen Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern noch ausgehandelt. Das sagte Pressesprecher Christian Kucznierz dem BR. Auch ob es betriebsbedingte Kündigungen geben werde, stehe noch nicht fest.
Zurzeit befindet sich ein Großteil der Belegschaft in Nördlingen in Kurzarbeit. Das schließt Kündigungen vorerst ohnehin aus. Varta prüfe derzeit eine Verlängerung der Kurzarbeit, teilte der Varta-Sprecher dem BR ebenfalls mit.
Angespannte Stimmung und Verunsicherung unter Varta-Beschäftigten
Die Pläne des Unternehmens hat Varta am Dienstagnachmittag auf einer turnusmäßigen Betriebsversammlung auch seinen Mitarbeitern mitgeteilt. Die Stimmung auf der Betriebsversammlung sei angespannt gewesen und die Verunsicherung unter den Beschäftigten sei groß, sagte IG-Metall-Gewerkschaftssekretärin Juliane Deak dem BR. Sie war bei der Betriebsversammlung in Nördlingen dabei. Die IG Metall appelliere nun an die soziale Verantwortung des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten, sagte Deak. Genau wie Varta sei auch die IG Metall von der Zukunftsfähigkeit des modernen Produktionsstandortes in Nördlingen überzeugt.
Genauso schnell wie der Batteriehersteller vor allem am Standort Nördlingen expandiert ist, befindet sich das Unternehmen nun wieder auf Schrumpfkurs. Erstmals hatte Varta im November vergangenen Jahres Kurzarbeit für den Standort Nördlingen angekündigt. Die wurde im Januar verschärft: Von 900 Beschäftigten in Nördlingen waren im Januar 700 in Kurzarbeit. 500 davon für drei Monate sogar komplett, arbeiteten also gar nicht mehr. Die Produktion der kleinen Lithium-Ionen-Zellen in Nördlingen kam komplett zum Stillstand. Außerdem soll die Belegschaft von 1.000 Mitarbeitern zur Hochzeit im Jahr 2021 in diesem Jahr auf nur noch die Hälfte schrumpfen, indem auslaufende Verträge nicht verlängert werden. Das hatte Varta ebenfalls bereits im Januar angekündigt.
Hohe Preise und Konsumflaute machen Unternehmen zu schaffen
Am Standort Nördlingen werden vor allem die kleinen Lithium-Ionen-Zellen hergestellt. Schon vor einigen Monaten nannte das Unternehmen die Gründe für die schlecht laufenden Geschäfte in diesem Bereich: hohe Energiepreise und zwischenzeitlich extrem gestiegene Rohstoffpreise auf der einen Seite und eine Konsumflaute aufgrund der weltweiten Krisen auf der anderen Seite.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Varta damit zu kämpfen, dass Apple die Produktion seiner "Airpod"-Kopfhörer heruntergeschraubt hat und deshalb weniger Batterien in Nördlingen ordert. Varta will deshalb künftig seine Kundenbasis bei den kleinen Batterien verbreitern. So steht es laut Varta im Restrukturierungsprogramm, das im März mit den Gläubigerbanken ausgehandelt wurde. Varta will sich also unabhängiger von Apple machen. Gleichzeitig will das Unternehmen den Bereich größerer Energiespeichersysteme ausbauen.
Politik unterstützte Batteriehersteller
Die Einigung mit den Banken war auch möglich geworden, weil der österreichische Großaktionär Michael Tojner bereit ist, das Unternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Ellwangen mit 50 Millionen Euro zu stützen. In den vergangenen Jahren hatte die Politik den Batteriehersteller stark unterstützt. Um die Batterieproduktion und -entwicklung in Deutschland zu halten, bekam das Unternehmen Förderzusagen über 300 Millionen Euro - davon allein 100 Millionen Euro von Bund und Freistaat für den Standort in Nördlingen.
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