Der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte das ambitionierte Ziel formuliert: Bis 2023 sollte Bayern in allen Bereichen barrierefrei sein. Ob ÖPNV oder öffentliche Gebäude – der Alltag von Menschen mit Behinderung müsse bis dahin weitgehend ohne Hindernisse zu stemmen sein.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Erst 68 Prozent aller öffentlichen Gebäude wie Museen oder Verwaltungen sind laut bayerischem Sozialministerium behindertengerecht. Etwa die Hälfte aller 1.000 bayerischen Bahnhöfe gelten als barrierefrei.
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CSU und Freie Wähler versprechen Investitionen
Einhundert weitere barrierefreie Bahnstationen sollen bis 2028 hinzukommen. So steht es im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern. Bayern investiere, obwohl dafür eigentlich die Deutsche Bahn zuständig sei, sagte Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) nach der ersten Kabinettssitzung in diesem Jahr.
Dass das Ziel "Bayern barrierefrei 2023" verfehlt wurde, wertet Scharf nicht als Schlappe. Die Staatsregierung habe für den Ausbau der Barrierefreiheit seit 2015 über eine Milliarde Euro in die Hand genommen. "Wir wissen, dass 2023 ein durchaus ambitioniertes Ziel war. Gleichzeitig hat es aber auch geholfen, um ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen", sagte die Ministerin und lobte vor allem Fortschritte bei der "baulichen Barrierefreiheit".
Rechnungshof sieht Handlungsbedarf bei Museen
Der Bayerische Oberste Rechnungshof mahnt hingegen an, dass sich Bayern noch mehr anstrengen müsse. 40 Prozent der Museen verfügten nicht über Pkw-Stellplätze für Menschen mit Behinderung, bei 80 Prozent fehlten Bodenstrukturen für blinde Menschen im Eingangsbereich, heißt es im aktuellen Jahresbericht.
Und nicht nur im Aufgabenbereich des Staates gibt es Nachholbedarf. Auch bei Arztpraxen sind deutliche Defizite zu verzeichnen, wie Sozialministerin Scharf einräumt: "Wir sind zwar auf einem guten Weg. Allerdings ist es immer noch nicht so ideal, wie wir es uns wünschen." Das Problem seien die Bestandspraxen, sagt die Ministerin. Das bestätigen auch die Zahlen. Laut einer Studie der Stiftung Gesundheit ist Bayern das Bundesland mit den wenigsten barrierefreien Arztpraxen.
Ministerin Scharf: Anreize statt Verpflichtungen
Die Besitzer von Restaurants, Cafés und anderen privatwirtschaftlichen Gebäuden möchte die Staatsregierung mithilfe von Anreizen zum Umbau bewegen. Ein Beispiel dafür ist die Auszeichnung "Bayern barrierefrei", die für barrierefreie Angebote und Projekte im Freistaat vergeben wird. Von Verpflichtungen per Gesetz hält Scharf nichts - egal ob für Arztpraxen oder die Gastronomie.
Das sieht der Behindertenbeauftragte der Staatsregierung, Holger Kiesel, anders. Er schlägt stattdessen vor, Unternehmen auch mithilfe von Gesetzen stärker in die Pflicht zu nehmen: "Aus meiner Sicht kann das Bewusstsein für Barrierefreiheit bei der Privatwirtschaft nicht ausschließlich auf dem Weg der freiwilligen Selbstverpflichtung geweckt werden", so Kiesel.
Sozialverband VdK kritisiert Eigenverantwortung
Ähnlich sieht das der Sozialverband VdK. Nur auf Freiwilligkeit zu setzen, findet VdK-Präsidentin Verena Bentele zu wenig. Die bayerische Bauordnung etwa sei zu großzügig, kritisiert sie. Barrierefreiheit müsse künftig genauso verpflichtend sein wie Brandschutzbestimmungen.
Und noch etwas ist der ehemaligen Biathletin wichtig: ein klares Ziel. "Wenn ich mir kein Ziel setze, kann ich auch keine Goldmedaille gewinnen", so Bentele im Interview mit BR24. Als Ex-Sportlerin fände sie einen Trainingsplan schön, in dem "klar steht, was nächstes, übernächstes und in den nächsten fünf Jahren passieren soll". An die bayerische Staatsregierung gerichtet sagte Bentele: "Ein bisschen mehr Verbindlichkeit ist man den Menschen, die hier in Bayern Barrierefreiheit brauchen, schon schuldig."
Nachdem das Programm "Bayern barrierefrei 2023" nun abgelaufen ist, will Sozialministerin Ulrike Scharf jedoch keine neue Zielmarke setzen. Scharf spricht von einer "Daueraufgabe".
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