Fenster mit Blick nach draußen (Symbolbild)
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In Nürnberg war ein Nachbarschaftsstreit um Fenster entflammt. Dabei berief sich der Kläger auf das sogenannte "Fensterrecht".

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Berufungsurteil in Nachbarschaftsstreit um Blicke aus Fenstern

Ein Nürnberger darf in seiner Wohnung, die nah an das Nachbargrundstück grenzt, weiter durch die Fenster blicken. Die Klage des Nachbarn auf Durchsetzung des "Fensterrechts" wurde nun in der Berufung abgewiesen. Doch damit ist noch nicht Schluss.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Der Nürnberger Meiko Stelzer hat ein denkmalgeschütztes Haus der Barockzeit aufwändig renoviert und lebt dort mit seiner Familie. Allerdings sah sich sein Nachbar gestört, weil das Gebäude nah an sein Grundstück grenzt. Der Nachbar klagte, weil er sich beobachtet fühlte und berief sich dabei auf das sogenannte "Fensterrecht". In erster Instanz bekam er Recht: Die Fenster und eine Balkonfenstertür zu seinem Grundstück hin sollten nicht mehr geöffnet und verdunkelt werden.

Der Beklagte ging in Berufung und das Oberlandesgericht Nürnberg entschied: Er darf weiter durch seine Fenster schauen und sie öffnen. Allerdings wurden gegen die Entscheidung bereits Rechtsmittel eingelegt – der Streit ist also noch nicht endgültig beigelegt und geht wohl vor die nächste Instanz.

Nachbarschaftsstreit um Blicke aus dem Fenster

In erster Instanz hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth entschieden, dass die Fenster an der Grundstücksgrenze blickdicht zu halten seien. Die Fenster gehen auf eine Hecke und den Hof des Nachbarn, der sein Einfamilienhaus 2017 errichten ließ. Seit 2019 wohnen die Stelzers in dem Barockhaus. Wie das Gericht in einer Mitteilung erläutert, gehörten früher beide Grundstücke zu einem größeren. Nach einer Grundstücksteilung 2020 wurde das Barockhaus zu einem "Grenzbau". Der Abstand der Fenster zur Grundstücksgrenze beträgt seither weniger als 60 Zentimeter. Der Kläger hatte sich deshalb auf das sogenannte "Fensterrecht" berufen.

Das Fensterrecht im Nachbarrecht

Dies ist im bayerischen Nachbarrecht im Gesetz zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB), Artikel 43, geregelt. Darin heißt es: "Sind Fenster weniger als 0,60 Meter von der Grenze eines Nachbargrundstücks entfernt, auf dem Gebäude errichtet sind oder das als Hofraum oder Hausgarten dient, so müssen sie auf Verlangen des Eigentümers dieses Grundstücks so eingerichtet werden, dass bis zur Höhe von 1,80 Meter über dem hinter ihnen befindlichen Boden weder das Öffnen noch das Durchblicken möglich ist." Weiter wird geregelt, dass die Entfernung "von dem Fuß der Wand, in der sich das Fenster befindet, unterhalb der zunächst an der Grenze befindlichen Außenkante der Fensteröffnung ab gemessen" wird.

In diesem Fall entspricht die Entfernung tatsächlich nicht den entsprechenden angeforderten 60 Zentimetern. Deshalb bekam der Kläger in erster Instanz Recht. Für die betroffene Familie hätte das bedeutet, dass sie ihre Wohnung nicht mehr über diese Fenster hätte lüften dürfen und kein Tageslicht mehr in die Zimmer kommt, weil sie verdunkelt werden müssten.

Nach Ortsbegehung: Fensterrecht in diesem Fall unzulässig

Nun wurde die Entscheidung aber abgeändert. Der Senat hatte zuvor einen Ortstermin vorgenommen, um sich ein eigenes Bild von den konkreten Wohnverhältnissen zu machen und die Lichtverhältnisse sowie auch die Fluchtwege der Wohnung in Augenschein zu nehmen, wie das Gericht mitteilt. Dabei stellte das Gericht fest, dass bis zu 80 Prozent der Fensterflächen von der Verdunkelung betroffen wären und, wie es weiter heißt, "eine ausreichende Licht- und Luftzufuhr der Wohnung bei Durchsetzung des Anspruchs nicht mehr gewährleistet wäre". Zudem sei bei einer dauerhaft verschlossenen Balkontür der zweite notwendige Fluchtweg nicht gegeben. Daher sah das Gericht die Ausübung des Fensterrechts in diesem konkreten Fall "als unzulässig" an.

Fall geht ans Bayerische Oberste Landesgericht

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts wurden bereits Rechtsmittel eingelegt. Das heißt, so eine Gerichtssprecherin auf BR-Anfrage, die Akten werden nun an das Bayerische Oberste Landesgericht nach München versandt. "Es dauert wegen der gesetzlichen Fristenläufe mehrere Wochen beziehungsweise Monate, bis sich das Revisionsgericht mit der Sache inhaltlich näher befassen kann: Der Kläger hat sein Rechtsmittel innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu begründen. Diese gesetzliche Begründungsfrist kann auf Antrag auch verlängert werden und der Gegner kann nach Zustellung der Begründung eine Stellungnahme binnen einer weiteren Frist abgeben", heißt es in der schriftlichen Antwort weiter.

"quer"-Video zu dem Nachbarschaftsstreit vom 19. Oktober 2023

quer vom 19.10.2023
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quer vom 19.10.2023

Dieser Artikel ist erstmals am 24. Juni 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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