Ein Polizist der Münchner Polizei misst an einer Landstraße mit Hilfe eines Geschwindigkeitsmessgerät die Geschwindigkeit entgegen kommender Fahrzeuge.
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Jahr für Jahr rücken in Bayern tausende Polizisten für den Blitzermarathon aus und kontrollieren verstärkt die Geschwindigkeit.

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Blitzermarathon in Bayern startet: Alles nur Show?

Blitzermarathon in Bayern startet: Alles nur Show?

Der Blitzermarathon soll Autofahrer für die Gefahren der Raserei sensibilisieren. Doch Forschende sagen, dass die Wirkung schon am nächsten Tag verpufft. Andere Bundesländer wie Berlin sind ausgestiegen. Was man stattdessen gegen Raserei tun kann.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Fast 500 Menschen kamen laut Verkehrsunfallstatistik im vergangenen Jahr in Bayern im Straßenverkehr ums Leben, mehr als 60.000 wurden verletzt. Die häufigste Unfallursache dabei: überhöhte Geschwindigkeit.

Mit dem Blitzermarathon, der am Mittwoch in Bayern stattfindet, wolle man "nicht abkassieren", sondern auf die Gefahren der Raserei aufmerksam machen und "Leben schützen", schreibt das bayerische Innenministerium auf Anfrage. Deswegen rücken in ganz Bayern rund 2.000 Polizistinnen und Polizisten aus und kontrollieren an weit über 1.000 Messstellen den Straßenverkehr.

Polizei will möglichst viele Menschen mit Botschaft erreichen

Den genauen Standort der Messorte kündigte das Innenministerium bereits Tage im Voraus auf ihrer Internetseite an – sogar mit dem Service einer "interaktiven Karte". Es gehe der Polizei um "maximale Transparenz". "Damit möchten wir möglichst viele Menschen mit unserer Botschaft erreichen", so das Innenministerium.

Blitzermarathons führen zu keiner Änderung des Fahrverhaltens

Dabei zweifeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Passau daran, dass solche Aktionstage langfristig Wirkung zeigen. Wie Prof. Stefan Bauernschuster BR24 sagte, führen Blitzermarathons zu keiner nachhaltigen Änderung des Fahrverhaltens. Zwar fahren die Menschen am Tag der Aktion vorsichtiger – das liege aber eher daran, dass sie über die Medien von den Blitzermarathons gehört haben. Am Tag nach dem Blitzermarathon sei dieser Effekt bereits verpufft.

Millionen von Unfalldaten ausgewertet

Dies belegten die Daten einer großangelegten Studie seiner ehemaligen Mitarbeiterin Dr. Ramona Rekers, die vier Jahre lang Millionen von Daten ausgewertet hat. Das Ergebnis: Informationskampagnen zu den Gefahren von zu hoher Geschwindigkeit seien so gut wie wirkungslos. "Aufklärungskampagnen helfen in manchen Bereichen, bei Rasern helfen sie schlichtweg nicht", sagt Stefan Bauernschuster. Bei Rasern helfe, Geschwindigkeitsüberschreitungen konsequent zu bestrafen.

Wer nicht hören will, muss zahlen?

In einer weiteren Studie hätten Forschende der Uni Passau gezeigt, dass die Verkehrsteilnehmer, die tatsächlich geblitzt werden, langfristig darauf reagieren und über Jahre hinweg langsamer und vorsichtiger fahren. Bauernschuster empfiehlt daher, das ganze Jahr über öfter zu blitzen oder die Blitzermarathons nicht anzukündigen.

Gewerkschaft der Polizei Berlin: Blitzermarathon ist "Show-Einsatz"

Einige Bundesländer, wie das Land Berlin, stiegen bereits vor Jahren aus der europaweiten Aktion aus. Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum gewonnenen Nutzen. "Wir müssen erst einmal festhalten, dass so ein Blitzermarathon natürlich sehr, sehr personalintensiv ist und in erster Linie auch ein Stück weit ein Show-Einsatz", sagt Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei Berlin.

"An dem Tag fahren die Menschen vielleicht dann gesittet im Straßenverkehr, aber es ist nicht so, dass sich da was festsetzt", so Jendro. Um gegen Raser vorzugehen, sei es sinnvoller, an 365 Tagen im Jahr für mehr Polizeipräsenz in den Straßen zu sorgen.

Halterhaftung als abschreckende Alternative?

Laut Jendro müssten die Vergehen vor allem effektiver verfolgt werden, um wirklich abschreckend zu sein. Die Bußgeldstellen verbrächten aktuell viel Zeit damit, die Identität des geblitzten Fahrers ausfindig zu machen. Um das zu vermeiden, spricht sich die Gewerkschaft der Polizei Berlin für eine Halterhaftung aus.

Bei Halterhaftung kann der jeweilige Fahrzeughalter für bestimmte Verkehrsverstöße, die mit seinem Fahrzeug begangen werden, haftbar gemacht werden, auch wenn er nicht selbst der Fahrer war. In vielen unserer europäischen Nachbarländer gilt bereits das Konzept der Halterhaftung, etwa in Österreich, der Schweiz oder der Niederlande.

Tempolimits würden zu mehr Verkehrssicherheit führen

Wenn es der Politik wirklich darum ginge, "Leben zu retten", dann brächte ein anderes, viel diskutiertes Thema mehr, so die Forschenden der Uni Passau: ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Das dortige Team hat auch hierzu eine Studie durchgeführt. "Also wir würden auf alle Fälle eine Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Autobahnen sehen", sagt Stefan Bauernschuster.

Dazu schreibt das Innenministerium: "Wir halten nichts von einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen, da dies nicht notwendig ist."

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