Wälder und Felder haben unter dem trockenen Frühjahr gelitten - der viele Regen im Juni hat nur oberflächlich geholfen.
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Wälder und Felder haben unter dem trockenen Frühjahr gelitten - der viele Regen im Juni hat nur oberflächlich geholfen.

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BR24-Datenanalyse: Verregneter Juni ändert nichts an Trockenheit

BR24-Datenanalyse: Verregneter Juni ändert nichts an Trockenheit

Seit 1881 gab es in Bayern nur fünf Frühjahre, die trockener waren als 2020. Doch im Juni gab es sehr viel Regen – alles ausgeglichen? Nein. Es bräuchte ein ganzes kühles Regenjahr, um die Wasserspeicher aufzufüllen. Franken ist besonders betroffen.

Von
Claudia Kohler

60 Prozent zu wenig Regen in Nürnberg, 63 Prozent zu wenig in Windsbach – die Franken hat der trockene Frühling besonders hart getroffen. Im bayernweiten Durchschnitt landeten März, April und Mai 2020 auf Platz sechs der trockensten Frühjahre seit 1881.

BR24 hat Daten analysiert, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) bereitstellt. Um einzuschätzen, ob ein Monat oder eine Jahreszeit außergewöhnlich trocken oder feucht war, werden die aktuellen Messwerte der Wetterstationen mit vieljährigen Mittelwerten verglichen. Der Vergleichszeitraum, die sogenannte klimatologische Referenzperiode, ist 1961-1990. Mehr zu den Daten unten.

Im Schnitt 40 Prozent Regen zu wenig

Im Durchschnitt haben die Stationen des DWD in Bayern im gesamten Frühjahr 2020 nur 133 Liter pro Quadratmeter gemessen – der Mittelwert der Referenzperiode ist 222,8 Liter pro Quadratmeter. Die folgende Karte zeigt, an welchen Wetterstationen wie viel Regen gefehlt hat. Sie können jeden Punkt anwählen, um Details zu erfahren:

Der Winter 2019/2020 hingegen lag, was den Niederschlag angeht, gut im Durchschnitt. Und nach den trockenen Frühlingsmonaten atmeten sicher viele auf, als der Juni ungewöhnlich regenreich ausfiel. Er landet auf Platz 11, wenn man sich den Niederschlag im Monat Juni seit 1881 ansieht. Im Durchschnitt wurden an den bayerischen Wetterstationen 146 Liter pro Quadratmeter gemessen – 32 Prozent mehr, als der Mittelwert der Referenzperiode.

Kann ein überdurchschnittlich regenreicher Sommermonat einen so trockenen Frühling ausgleichen? Und wie sieht es mit den Wasserreserven im Boden aus? Reichen nach den trockenen Jahren 2018 und 2019 ein guter Winter und ein regenreicher Juni, um die Trockenheit abzuwenden?

Die Antwort: Leider nicht.

"Damit die Bodenfeuchtigkeit auch in tieferen Schichten wieder auf einen Normalwert kommt, bräuchten wir mindestens ein ganzes verregnetes und dazu noch kühles Jahr.“ BR-Wetterexperte Michael Sachweh.

Wie sehr die Böden in ganz Deutschland vom Frühling ausgetrocknet waren, zeigen die Karten aus dem Dürremonitor des Helmholtz Instituts für Umweltforschung:

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Anfang Mai 2020 war der Boden in ganz Deutschland auf Dürreniveau.

Damit die Gesamtmenge des gefallenen Regens in diesen trockenen Böden aufgenommen werden könnte, müsste es leichten, stetigen Niederschlag geben, erklärt Dr. Harald Maier, Leiter der Abteilung Agrarmeteorologie in der Außenstelle des Deutschen Wetterdienstes in Weihenstephan: "Wie viel Wasser der Boden aufnehmen kann, hängt davon ab, wie viel bereits im Boden vorhanden ist.“ Die Daten aus den Wetterstationen in Bayern zeigen aber, dass der Niederschlag sich sehr unregelmäßig verteilt hat - an 10 Tagen hat es bayernweit so gut wie gar nicht geregnet, an manchen Tagen fielen an einer einzigen Station über 80 Liter pro Quadratmeter.

Zu punktuell und zu viel auf einmal - der Regen im Juni

Dieses Regenschema ist typisch für den Sommermonat Juni, wie Meteorologe Michael Sachweh erklärt: "Im Sommer sind die meisten Niederschläge Schauer oder Gewitterregen, nicht selten in Form von Starkregen, und oft regional begrenzt.“ Der Starkregen könne vom ausgetrockneten Boden nur unzureichend aufgenommen werden, das Wasser fließe größtenteils in Flüsse und die Kanalisation ab. Wo der Boden mit Mulch oder Pflanzen bedeckt ist, werden große Tropfen zerstäubt und können leichter versickern. Wo der Boden jedoch bloß liegt, reißt der Abfluss im schlimmsten Fall tiefe Furchen in die Erde, es kommt zur sogenannten Bodenerosion.

Natürlich sei es trotzdem gut gewesen, dass auf den trockenen Frühling ein regenreicher Monat gefolgt sei, sagt Michael Sachweh. Ein Teil des Wassers konnte versickern. Der sogenannte Oberboden, bis zu einer Tiefe von 25 cm, wird auf den aktuellen Bildern des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung nur noch an einigen Stellen als ungewöhnlich trocken identifiziert:

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Anfang Juli ist der Oberboden nicht mehr auf Dürreniveau - in tieferen Schichten sieht es an vielen Stellen noch schlimm aus.

Besonders erfreulich für die Landwirte, denn in dieser Tiefe haben die meisten Nutzpflanzen ihre Wurzeln. "Die Bodenfeuchte im Oberboden ist einigermaßen saniert und die meisten Pflanzen, die den trockenen Frühling überstanden haben, können jetzt wachsen“, sagt BR-Wetterexperte Michael Sachweh.

Dass es aber immer noch Regionen gibt, die mit Trockenheit auch im Oberboden zu kämpfen haben, liegt daran, dass der Juniregen sich nicht nur zeitlich, sondern auch regional unregelmäßig verteilte. In der Nürnberger Region, wo im Frühling besonders wenig Regen gefallen war, gab es auch im Juni einige Stationen, an denen es zu wenig war. Wie auf der Karte des Dürremonitors fallen einige Orte in Unterfranken besonders auf. Sie können jeden Punkt anwählen, um Details zu erfahren:

In Franken kommen gleich mehrere Trockenheitsfaktoren zusammen, wie Agrarmeteorologe Harald Maier erklärt: "Die Böden sind hier sehr sandig und nicht tief, sie können ohnehin nicht viel Wasser speichern.“ Auch das Klima der Region sei im Durchschnitt eher trocken. Mittelgebirge wie Spessart und Rhön stehen feuchten Luftmaßen, die von Nordwesten kommen, im Weg. Wolken regnen auf der von Franken abgewandten Seite ab, so kommt nur wenig Niederschlag in die Region selbst.

Für die meisten Gebiete Bayerns liegt der Oberboden nicht mehr auf Dürreniveau. Der Blick auf den Gesamtboden, also in eine Tiefe von bis zu 1,8 m, ist dagegen ernüchternd:

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Anfang Juli ist der Oberboden nicht mehr auf Dürreniveau - in tieferen Schichten sieht es an vielen Stellen noch schlimm aus.

Warum der Regen im Juni nicht dazu geeignet war, diese tiefen Wasserreserven aufzufüllen, wurde bereits erklärt. Das findet für gewöhnlich im Winter statt, sagt BR-Wetterexperte Michael Sachweh. Niederschläge in der kalten Jahreszeit wären weniger auf einzelne Ereignisse verteilt, sondern seien flächenhafter. Zudem verdunste im Winter wenig. Am besten für die Bodenfeuchtigkeit jedoch sei ein schneereicher Winter. "Bei der Schneeschmelze versickert das Wasser langsam und stetig und kann so besonders gut in die tiefen Bodenbereiche vordringen“, sagt Michael Sachweh.

Schneeschmelze sollte die Wasserspeicher füllen

Und: "Von einem üppigen Winterschnee in den Bergen profitieren wir in doppelter Hinsicht, denn die Schneeschmelze im Frühjahr sorgt für einen reichlichen Abtransport des Wassers über die Flüsse bis ins Tiefland hinein, der ebenfalls unserem Unterboden und dem Grundwasserspeicher zugutekommt". Die Wintermonate 2019/2020 – Dezember, Januar und Februar – hatten in Bayern etwa mehr Regen, als üblich. Aber nur an 64 Wetterstationen wurden Tage mit einer geschlossenen Schneedecke von mehr als 10 cm verzeichnet.

Dass es in Bayern bald ein "verregnetes und dazu noch kühles Jahr“ geben wird, ist unwahrscheinlich: Die langjährige Entwicklung zeigt, dass die Temperaturen stetig steigen:

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Um 1,7 Grad ist die Jahrestemperatur in Bayern seit 1881 im Mittel gestiegen.

Der Klimawandel beschert laut Wetterexperte Michael Sachweh aber nicht nur weniger Schnee im Winter und mehr Verdunstung im Sommer, sondern ist auch dafür verantwortlich, dass mehr trockene Luft nach Bayern kommt und dass Hochdruckwetterlagen sich über eine viel längere Zeit halten. Zusätzlich zu den klimatologischen Umständen sieht der Experte die Wasserreserven im Boden auch durch immer mehr Industrie bedroht, wie zum Beispiel Kraftwerke, die das Grundwasser zur Kühlung ihrer Anlagen entnehmen.

Wasserproblem für Mensch und Natur

Das hat Konsequenzen, für den Menschen und die Natur. Agrarmeteorologe Harald Maier weist darauf hin, dass es bereits jetzt nötig sei, dass trockene Regionen im Norden Bayerns Trinkwasser aus wasserreicheren Gebieten, etwa am Lech, holen müssten.

Noch drastischere Folgen habe die Bodendürre aber für den Wald. "Hier hatte der Sommerregen im Juni noch weniger Effekt, weil durch die Baumkronen Wasser abgefangen wird und somit die Verdunstung noch stärker ins Gewicht fällt“, so Harald Maier. Für die in deutschen Wäldern vorherrschenden Fichten sei bereits die sehr viel häufigere Trockenheit im Oberboden ein Problem, da sie einen flachen Wurzelteller haben. Das macht Fichten außerdem anfällig für Schäden durch Bodenerosion. Eigentlich sollten deshalb vermehrt tiefer wurzelnde Laubbäume gepflanzt werden – aber selbst die haben nun ein Wasserproblem, das sich nicht leicht lösen lässt.

Über die Daten

Alle untersuchten Daten werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zur Verfügung gestellt. Basis für die historische Einordnung ist die von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) festgelegte und noch bis 2021 gültige Klimatologische Referenzperiode 1961-1990.

Der DWD stellt die langjährigen Gebietsmittelwerte für Temperatur und Niederschlag mithilfe eines Rasters, mit einer Auflösung von 1 km, dar. Das Raster entsteht, in dem die Daten der einzelnen Wetterstationen flächendeckend umgerechnet werden. Laut DWD ist das Messnetz in Deutschland seit 1881 dicht genug, "um Rasterfelder für die einzelnen Monate und daraus abgeleitete Mittelwerte zu gewinnen".

Diese Rasterdaten wurden für alle Analysen und Aussagen verwendet, die Bayern als ganzes Gebiet betreffen - etwa die Grafik über die mittleren Jahrestemperaturen und die Einordnung des Frühlings 2020. Für die beiden Niederschlagskarten wurden die aktuellen Niederschlagswerte von 341 bayerischen Wetterstationen abgebildet. Es wurden nur Stationen ausgewählt für die der DWD bereinigte Mittelwerte für die klimatologische Referenzperiode 1961-1991 zur Verfügung stellt, um die Vergleichbarkeit zu sichern. Zudem wurden Stationen entfernt, die im Juni 2020 mehr als 5 Fehltage aufwiesen.

Die langjährigen Rasterdaten und Mittelwerte der Stationen wurden vom DWD qualitativ geprüft. Die Stationsdaten aus dem Juni 2020 wurden dieser Prüfung noch nicht unterzogen (Datenstand: 3. Juli 2020).

Die Karten zur Bodentrockenheit stammen aus dem UFZ-Dürremonitors. Darin stellt das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung flächendeckende Informationen zum Bodenfeuchtezustand in Deutschland dar und ordnet diese ein. Das Streifendiagramm der mittleren Jahrestemperaturen ist inspiriert von den "Warming Stripes" des britischen Wissenschaftlers Ed Hawkins.

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