In Berlin protestiert die Entsorgungswirtschaft mit einer Demo im Regierungsviertel gegen die aus ihrer Sicht mangelhaften Vorgaben für Lithium-Batterien und -Akkus. Denn immer öfter brennt es in Recycling-Betrieben, auch in Bayern. Häufig sind nicht rechtzeitig entdeckte Lithium-Batterien und -Akkus die Ursache, die inzwischen selbst in "singenden" Grußkarten oder blinkenden Kinderturnschuhen verbaut sind.
Verbaute und "vergessene" Akkus als wachsendes Problem
In der großen Sortieranlage der Münchner Firma Breitsamer holt Karim Djelassi neben dem Band verkohlte Stücke aus einem Eimer. Auch wenn es jeweils glimpflich abgegangen ist, gebrannt haben die zum Teil verschmorten Geräte und Teile alle. "Das ist der Akku von einem Laptop, eine 6-Volt-Batterie, wieder ein Laptop-Akku, zwei Batterien, die reagiert haben." Wenn die Mitarbeiter es rechtzeitig bemerken, passiert laut dem Sicherheitsexperten "nicht viel". Die Sortierer am Band haben dazu zwei Eimer, einer ist mit Sand gefüllt, der zweite mit Wasser. Wird das Problem aber übersehen, kann das gravierende Folgen haben.
In nicht einmal zehn Jahren hat sich die Anzahl der nach Deutschland importierten Lithium-Ionen-Batterien und -Akkus mehr als verdreifacht, auf insgesamt fast 600 Millionen 2019. Es ist also vor allem die schiere Masse, die Probleme macht. Denn Akkus in Geräten werden vergessen und landen in der Mülltonne oder im Sperrmüll. Vielfach werden sie gar nicht erst erkannt.
Alltagsgegenstände voller Lithium-Akkus
Es sind nicht nur die augenfälligen Batterien in Autos, Elektroautos oder E-Bikes, die zunehmen. Weil Alltagsgegenstände blinken müssen oder Töne von sich geben sollen, stecken Lithium-Batterien oft in Kleidungsstücken, in Kinderschuhen, in Spielzeug oder in modisch gestalteten Elektrogeräten wie einer Powerbank zum Aufladen von Handys. "Wenn die fälschlicherweise in den Müll geraten, können sie ein Problem darstellen", sagt Karim Djelassi. Das Handy mit dem fest verbauten Akku gehört dazu, genauso wie die Powerbank oder eine elektrische Zahnbürste, die keiner mehr nutzen will.
Akku-Brände löschen - Routinegeschäft für die Feuerwehr
Die Münchner Berufsfeuerwehr hat immer wieder mit Akku-Bränden zu tun. Das Löschen mit Wasser sei mittlerweile Routine, sagt Branddirektor Björn Maiworm. Häufige Gründe für Batterie- oder Akku-Brände seien, "dass sie gequetscht werden, beschädigt oder falsch bedient." Durch die vielen Akkus seien zudem mehr Zündquellen im Müll. "Klar, weil jeder hat eine Batterie vielleicht in einer Grußkarte drin, die schmeißt er ins Altpapier, vergisst, dass da eine Batterie drin ist. Das Ganze wird vielleicht in der Presse gepresst, und schon brennt's." Eine wichtige Voraussetzung, Brände gar nicht erst entstehen zu lassen, ist deshalb die saubere Trennung.
Branddirektor Maiworm nimmt aber auch die Entsorgungsbetriebe in die Pflicht, sie seien verantwortlich, dass sich Brände nicht schnell ausbreiten. Im Moosacher Betrieb gibt es deshalb viele Trennwände, ein mobiles Löschgerät und andere Maßnahmen, damit brennende Batterien keinen großen Schaden anrichten können. Die Münchner Feuerwehr übt in dem Moosacher Entsorgungsbetrieb zudem regelmäßig verschiedene Einsatzlagen.
30 Brände pro Tag in Entsorgungsbetrieben in Deutschland
Vor allem für die Entsorgungsbetriebe sind die Brände ein Problem. In Deutschland gibt es jeden Tag etwa 30 Brände, in Recycling- und Sortieranlagen, auf Betriebshöfen oder in Müllfahrzeugen. "Die Brände sind zur regelrechten Plage der Entsorgungswirtschaft in Deutschland geworden", heißt es auf der Seite des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungswirtschaft.
Auch in Bayern sind schon ganze Anlagen abgebrannt. Oft heißt es dann im Polizeibericht: "Brandstiftung wird ausgeschlossen." Im Herbst letzten Jahres hat ein Brand in einer Sortieranlage in Flughafennähe für so viel Rauch gesorgt, dass sogar der Flugbetrieb unterbrochen werden musste, erinnert sich Rüdiger Weiß. Er ist Geschäftsführer bei der Vereinigung der Bayerischen Entsorgungsbetriebe und kritisiert vor allem "Fehlwürfe" in Sammeltonnen. "Ob beim Gelben Sack mit Kunststoff oder in der Blauen Tonne mit Papier und Karton, diese Materialien brennen gut, und wenn man da eine potentielle Zündquelle mit reinwirft, kann das dazu führen, dass die Tonne, ein LKW oder am Ende die ganze Sortieranlage abbrennt."
Entsorger fordern: Kennzeichnungspflicht, mehr Aufklärung
Darum fordern die Entsorgungsunternehmen eine Kennzeichnungspflicht für Lithium-Batterien und -Akkus - und bessere Rücknahmeregeln. Die EU hat vor Kurzem ein neues Batteriegesetz beschlossen. Es sieht höhere Recycling-Quoten und eine Rücknahmeverpflichtung der Hersteller vor. Aber eine Pfandpflicht für Batterien, wie sie die Entsorgungswirtschaft gerne hätte, die hat die EU abgelehnt. Rüdiger Weiß vom Verband der bayerischen Entsorgungsunternehmen kritisiert die bestehenden Regelungen. Einweg-E-Zigaretten zum Beispiel enthalten auch kleine Lithium-Akkus. Vor allem längere Zigaretten könnten leicht brechen und stellten deshalb eine Gefahr dar, sagt Weiß. "Warum sind solche Produkte überhaupt zugelassen? Da verbietet man Plastiktüten, obwohl die gut zu recyceln sind und ungefährlich, lässt aber sowas am Markt?"
Entsorger haben Probleme mit der Versicherung
Weil es bei ihnen so oft brennt, tun sich bayerische Recycling-Unternehmen schwer, eine bezahlbare Brandversicherung zu bekommen, sagt Verbandsgeschäftsführer Weiß. "Unsere Betriebe haben inzwischen ein Riesenproblem, überhaupt noch Versicherer zu finden, die diese Risiken abdecken." Für Betriebe, die bereits einen entsprechenden Großbrand hatten, ist es noch schwerer. Die Situation sei existenzgefährdend für die Branche, so Weiß, "wenn das Problem nicht gelöst wird, werden viele sagen, diesem unternehmerischen Risiko setze ich mich nicht länger aus. Das ist mir zu heiß." Und deshalb brauche es hier eine Lösung. "Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist dieses Thema adressiert. Passiert ist leider noch nicht viel", so Weiß.
Braucht es blinkende Kinderschuhe und singende Grußkarten?
Die eng bedruckte Liste aller Produkte, die Batterien oder Akkus enthalten, ist 14 Seiten lang. Viele der Produkte sind umstritten, E-Zigaretten zum Beispiel oder Billigspielzeug, das blinkt, klingt oder hüpft. Fakt ist aber auch, dass Kindern genau das lieben. Auch im Truderinger Schuhgeschäft "Kinderschuhclub" werden solche Schuhe, die beim Auftreten und Hüpfen blinken, oft nachgefragt. Der Laden führt sie aber nicht. Fachverkäuferin Silvia König sagt: "Wir sehen das als problematisch an und sensibilisieren die Leute sehr drauf, keine blinkenden Schuhe oder Gummistiefel zu kaufen." Das sei alles Sondermüll, der eben nicht als Sondermüll entsorgt werde. Leuchtende Kinder-Gummistiefel für 9,95 Euro aus Fernost beim Discounter, da müsste die Problematik jedem klar sein, findet Silvia König. Und für die Sicherheit der Kinder gebe es Schuhe mit Reflektoren. Die blinken nicht und trotzdem könne man die Kinder bei Dunkelheit wunderbar sehen. Oft sei es einfach Unwissen der Verbraucher. Ute Behlau, die Inhaberin des Schuhladens, hat die Erfahrung gemacht: "Wenn man es erklärt, sehen es viele Kunden auch ein."
Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels war bei der Anzahl der nach Deutschland importierten Lithium-Ionen-Batterien und -Akkus 2019 von rund 600 Millionen Tonnen die Rede. Diese Mengenangabe war falsch, es handelt sich um rund 600 Millionen Stück im Jahr 2019. Wir haben dies geändert.
Im Audio: Die Gefahren von Lithium-Batterien und -Akkus im Müll
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