Es ist ein Missverständnis: Die "Epidemische Lage von nationaler Tragweite", die seit März 2020 immer wieder verlängert wurde, müsse weiter bestehen, damit auch die Corona-Maßnahmen rechtlich abgesichert sind.
Das ist aber nicht der Fall. Um Maßnahmen der Länder wie Abstand, Maskenpflicht, 3G- oder 2G-Regeln, allgemeine Zugangsbeschränkungen gerichtsfest abzusichern, wird jetzt das Infektionsschutzgesetz geändert. Die rechtliche Ausnahmesituation der "Epidemischen Lage" wird jedoch beendet. So wollen es die Ampelparteien - und übrigens auch Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Epidemische Lage – Es geht um mögliche Klagen vor Gericht
Wenn die Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist, lässt sich nicht mehr rechtfertigen, Geschäfte, Gastronomie, Hotels, Schulen und so weiter für alle zu schließen. Der Lockdown war das Mittel der Wahl in einer Zeit, als es noch keine Impfungen gab.
Jetzt wären solche Schließungen für alle, also auch Geimpfte und Genesene, völlig unverhältnismäßig. Der Teil der Bevölkerung, der geimpft ist, hat eine deutlich niedrigere Inzidenz als die Ungeimpften. Deshalb könnten gegen Beschränkungen, die für die Gesamtbevölkerung gelten, Klagen vor Gericht eingereicht werden – gegen Beschränkungen allgemein, wenn sie als rechtliche Grundlage auf einer Ausnahmesituation fußen, die wir nicht mehr haben, seit jeder eine Impfung bekommen kann.
Wer hat in Berlin momentan das Sagen?
Die geschäftsführende Regierung, die Große Koalition, kann de facto keine Gesetze mehr beschließen, da Union und SPD im neuen Bundestag nicht mehr gemeinsam abstimmen werden. Trotzdem arbeitet zum Beispiel das Bundesgesundheitsministerium der geplanten Ampelregierung eng zu. Im Ministerium sitzen die Fachleute, die sich mit den Abgeordneten der SPD, den Grünen und der FDP abstimmen.
Eingebracht wird das Gesetz am Donnerstag von den Ampel-Fraktionen. Das können sie, auch ohne dass es bereits eine neue Regierung gibt, weil sie im neuen Bundestag eine Mehrheit haben.
Was machen die Länder?
Die Klage über die nicht einheitliche Vorgehensweise im Föderalismus ist so alt wie die Bundesrepublik. Das galt insbesondere auch während der Corona-Pandemie. Wir haben einen "Flickenteppich" an Maßnahmen, hieß es oft. Andererseits bestehen die Länder immer darauf, regional reagieren zu können, da es eben auch regional unterschiedliche Infektionsgeschehen gibt.
Auch in der aktuellen Situation gelten in den Ländern unterschiedliche Maßnahmen-Pakete. Ob sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten demnächst noch mal mit Bundeskanzlerin Merkel in einer Konferenz, der sogenannten MPK, zusammensetzen, ist noch nicht sicher. Im Gespräch ist die nächste Woche. Klar ist auch: Die MPK ist ein Instrument der bundesweiten Absprache – umgesetzt werden die Regeln immer in den Bundesländern.
Was soll das neue Gesetzespaket der Ampelparteien regeln?
Kurz gesagt: Ein bundeseinheitlicher Katalog von Corona-Maßnahmen soll die Bekämpfung der Pandemie rechtlich absichern – aber eben ohne Lockdown. Zusätzlich wollen die Ampelparteien Regelungen verlängern, die soziale Härten abmildern. Also etwa Kurzarbeit wegen Corona, vereinfachter Zugang zur Grundsicherung, eine Ausweitung der Krankentage für Eltern, die ein von Quarantäne betroffenes Kind betreuen müssen.
In Alten- und Pflegeheimen könnte bald eine Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher gelten. Unabhängig davon, ob sie geimpft sind oder nicht. Auch die bestehende Arbeitsschutzverordnung soll angepasst werden. Die Ampelparteien möchten eine bundesweite 3G-Regel in den Betrieben. Also Zugang zum Arbeitsplatz nur für Geimpfte, Genesene und (täglich) Getestete. Und das nicht nur in Hotspots - wie es etwa in Bayern bereits praktiziert wird. Die Details dazu sind aber noch offen. Denn es gilt zum Beispiel zu klären, was passiert, wenn Arbeitnehmer die Tests verweigern.
- Zum Artikel: Viel Kritik am Corona-Gesetzesentwurf der Ampel-Parteien
Kommt das neue Gesetz der Ampelparteien zu spät?
Immer wieder ist auch die Kritik zu hören, "die Politik" reagiere zu spät. Dabei ist die derzeitige Diskussion um das Ende der epidemischen Lage etwas verwirrend. Denn die Länder müssen nicht auf das neue Gesetz aus dem Bundestag warten, das soll ja "nur" die Rechtsgrundlage neu setzen. Den Instrumentenkasten, um auf die steigenden Infektionszahlen zu reagieren, gibt es längst. Und die Länder nutzen ihn auch. 2G-Regeln in einigen Bundesländern. Oder 3G-Plus, also Zugang für Ungeimpfte nur mit PCR-Test. Vermehrtes Testen in Schulen und Altenheimen. All dies ist bereits jetzt möglich – wenn eine Landesregierung es entscheidet.
- Zum Artikel: Ampel-Parteien verteidigen Corona-Pläne
Kommt die bundesweite 2G-Regel?
Die Vertreter der Ampelparteien sehen eine bundesweite 2G-Regel eher skeptisch. Deutschland sei zu groß, das Infektionsgeschehen regional zu unterschiedlich. In Österreich kann man derzeit beobachten, wie die 2G-Regel die Menschen zum Impfen treibt.
Doch in Deutschland gibt es lediglich eine "Option" auf 2G – es gilt der Grundsatz der regional abgestuften Pandemie-Bekämpfung: Die Bundesländer, oder auch nur einzelne Landkreise oder Städte, können bei besonders hohen Infektionszahlen und Krankenhäusern, die keine Kapazitäten mehr haben, eine 2G-Regel beschließen. Nur Sachsen hat sich bisher entschlossen, die 2G-Option landesweit in eine 2G-Regel umzuwandeln. Berlin hat es angekündigt. Sollte die vierte Corona-Welle weiter an Stärke gewinnen, dürfte 2G immer mehr zum Thema werden.
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