Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf Stippvisite in Schweinfurt: Er besucht Anastasiia Hryhorieva in der Küche des Restaurants "Soul & Bowl". Die 38-jährige Ukrainerin hat erst vor sieben Monaten mit dem Deutschlernen begonnen und spricht schon nahezu perfekt. Die gelernte Bäckerin, Konditorin und Köchin hatte vor ihrer Flucht aus Mariupol in der Südostukraine in einer Berufsschule als Lehrerin gearbeitet. Jetzt steht sie wieder in einer Küche. Heil erkundigt sich, wie Anastasiia die Betreuung ihrer beiden Kinder organisiert, wenn sie arbeiten geht. Ihre 18-jährige Tochter besuche die Berufsschule, ihr achtjähriger Sohn die zweite Klasse einer Grundschule und ihre Mutter würde ihren Jüngsten nach dem Unterricht abholen, erzählt sie dem Bundesarbeitsminister.
Win-win-Situation: Arbeitsmarkt und Entlastung von Staatshilfen
Würden mehr geflüchtete arbeitsfähige Menschen vermittelt, könnte etwas gegen den Arbeits- und Fachkräftemangel in vielen Branchen getan werden. Allein 140.000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine würden in Deutschland bereits arbeiten, sagt Heil. Das sei nicht wenig, "aber bei weiterem nicht genug, wir müssen da besser werden", meint Heil im Interview mit BR24. Bei im Augenblick rund 400.000 arbeitsfähigen geflüchteten Menschen mit Bleibeperspektive könnte der Sozialetat massiv entlastet werden.
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Heil ergänzt außerdem: "Wir müssen immer schauen – kommen die Leute in Vollzeit oder brauchen sie ergänzende Grundsicherung. Das wird ja oft vergessen, dass wir auch bei den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Bürgergeld ungefähr 20 Prozent der Menschen haben, die fleißig arbeiten – zum Beispiel alleinerziehende Frauen – die aber zu niedrige Löhne haben und aufgrund ihrer Arbeitszeit ergänzende Grundsicherung brauchen. Also: Wir brauchen ein differenziertes Bild, wenn wir darüber reden, wie wir das Problem lösen."
Veränderung der Arbeitsvermittlung
Den "Jobmotor" will Heil über zwei Ebenen starten: So sollen arbeitsfähige Frauen und Männer von den Jobcentern "stärker eingeladen" werden. Sie sollen zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass es Mitwirkungspflichten gebe, "dass man Arbeit jetzt aufnehmen muss, weil es nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht, sondern eine Hilfe in der Not", sagt Heil. Weiterhin gehe es um gezielte Angebote. "Dafür müssen wir die Wirtschaft ins Boot holen", deshalb sei seine Bitte an alle Arbeitgeber, die händeringend Arbeits- und Fachkräfte in Deutschland suchen, die Stellen gezielt in den Jobcentern zu melden, "damit wir tatsächlich die Aufgaben miteinander besser hinkriegen", so Heil wörtlich.
Gewinn für alle Beteiligten – für Anastasiia und das Restaurant
"Soul & Bowl"-Restaurantbetreiberin Theresa Weiß hat Anastaiia Hryhorieva als Köchin eingestellt. Jetzt kann die Gastronomin wieder länger öffnen. Das konnte sie wegen Personalmangels zuletzt nicht. "Das ist total wichtig für uns, weil wir starken Personalmangel haben und wir sind total froh, dass die Anastasiia jetzt da ist. Sie weiß, was sie macht, sie ist vom Fach und eine große Bereicherung für uns", schildert Weiß. Und für Anastasiia ist wichtig, dass sie ihr eigenes Geld für sich und ihre Familie verdient.
5,5 Millionen Menschen erhalten Bürgergeld
Der Bundesetat beim Bürgergeld hatte laut Bundesarbeitsministerium 2022 ein Volumen von 46,79 Milliarden Euro. Bundesweit beziehen 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Das sind 2,6 Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Davon waren zuletzt über 707.000 Menschen aus der Ukraine. 2,9 Mio. Bürgergeldempfänger sind deutsche Staatsbürger.
Das Bürgergeld wird zum 01.01.2024 um zwölf Prozent erhöht. Ein Beispiel: Ein Alleinstehender bekommt bislang 502 Euro im Monat. Ab dem neuen Jahr steigt für ihn das Bürgergeld auf 563 Euro im Monat. Dazu kommen Miete und Heizkostenzuschüsse. Menschen aus der Ukraine erhalten das Bürgergeld in voller Höhe. Asylbewerber erhalten 90 Euro weniger.
- Zum Artikel: Sparen und Kürzen beim Bürgergeld: Was ist möglich?
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