Von einer historischen Entscheidung spricht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Deutschland schaffe nach Jahrzehnten der Debatte endlich ein modernes Einwanderungsrecht, sagte der SPD-Politiker. Am Vormittag soll im Bundestag das neue Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung verabschiedet werden.
Abgeordnete der Opposition kritisieren, mit dem Gesetz würden falsche Anreize gesetzt. Union und AfD fürchten, dass damit vor allem Minderqualifizierte nach Deutschland kommen. Was genau steckt im neuen Gesetz?
Eins vorab: Die Regeln betreffen Menschen aus Nicht-EU-Staaten, innerhalb der EU gilt die Freizügigkeit. Bürgerinnen und Bürger etwa aus Spanien oder Polen können sowieso in Deutschland arbeiten.
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Was gilt für Ausländer mit Arbeitsvertrag?
Eine hohe Hürde für Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland hierherholen wollen, ist im Moment das Anerkennungsverfahren für den Berufsabschluss. Eine Krankenschwester aus Brasilien wartet oft monatelang darauf, dass ihr brasilianischer Berufsabschluss in Deutschland anerkannt wird.
In Zukunft müssen Arbeitnehmer ihren Berufsabschluss nicht mehr von Deutschland anerkennen lassen. Wenn sie einen in ihrem Land staatlich anerkannten Abschluss haben und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, können sie einreisen. Unter der Bedingung, dass sie ein Angebot von einem Unternehmen in Deutschland haben, ihr Gehalt über bestimmten Schwellen liegt und der Arbeitgeber sich an die Tarifregeln der jeweiligen Branche hält.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, fürchtet, dass damit die Anforderungen an die Qualifikation abgesenkt werden, weil nicht mehr geprüft wird, ob die ausländische Berufsausbildung den deutschen Anforderungen genügt.
Ist für die Einreise zwingend ein Arbeitsvertrag nötig?
Bisher müssen Menschen aus Nicht-EU-Ländern schon ein konkretes Arbeitsplatzangebot in der Tasche haben, wenn sie nach Deutschland kommen. Oft ist die Suche aus dem Ausland heraus aber schwierig, argumentiert die Ampel. Deshalb sollen in Zukunft Menschen nach Deutschland einreisen können, um erst hier nach einer Arbeit zu suchen.
Dafür brauchen sie eine Chancenkarte. Die wird nach einem Punktesystem vergeben, in dem zwölf Kriterien wie Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschland-Bezug berücksichtigt werden.
Welche Regeln gelten für Asylbewerber?
Die Ampel macht mit dem Gesetz auch den sogenannten Spurwechsel von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt möglich. Sie können ihr Asylverfahren abbrechen und stattdessen eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen. Sie müssen, wie alle anderen, die Qualifikationen dafür erfüllen - also unter anderem ein anerkannter Hochschul- oder Berufsabschluss oder ein Arbeitsvertrag.
Diese Regel gilt allerdings nur für Asylbewerber, deren Verfahren zum Stichtag 29. März 2023 schon lief. Damit sollen Pull-Effekte, also zusätzliche Anreize für neue Asylbewerber, verhindert werden, sagte der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel. Teile der Opposition kritisieren, dass so Asyl und Arbeitsmigration vermischt werden.
Welche weiteren Änderungen kommen?
Schon jetzt können Hochschulabsolventen die Blaue Karte EU beantragen und eine Arbeitserlaubnis innerhalb der EU erhalten. Dafür wird nun die Grenze fürs Mindestgehalt gesenkt. Die ausländischen Akademiker können in Deutschland arbeiten, wenn sie mehr als 3.650 Euro brutto pro Monat verdienen.
Neben der Blauen Karte für Akademiker können Fachkräfte mit einem Berufsabschluss eine deutsche Aufenthaltserlaubnis bekommen, sobald ihr Abschluss in Deutschland anerkannt ist.
Neu ist, dass diese zwei Gruppen jetzt jede qualifizierte Arbeit annehmen können und nicht nur - wie bisher - Arbeitsstellen aus ihrem Fachbereich.
Wie will die Ampel mehr IT-Fachkräfte anwerben?
Für IT-Spezialisten werden die Regeln nochmal einfacher: Für die Blaue Karte EU ist bei dieser Berufsgruppe kein Hochschulabschluss mehr nötig. Es reicht, wenn die Bewerber IT-Qualifikationen nachweisen können.
Was bedeutet die Westbalkan-Regel?
In der ergänzenden Verordnung zum Gesetz wird die Westbalkanregel ausgeweitet. Künftig sollen 50.000 Arbeitskräfte pro Jahr aus den sechs Westbalkan-Staaten ein Arbeitsvisum bekommen können. Sie müssen ein verbindliches Angebot für einen Arbeitsplatz haben.
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