Ein Kugelschreiber liegt auf einem unbeschränktem Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Symbolbild).
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Ein Kugelschreiber liegt auf einem unbeschränktem Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Symbolbild).

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Migrationspolitik kurz vor der Bundestagswahl: Wer fordert was?

Migrationspolitik kurz vor der Bundestagswahl: Wer fordert was?

Das Thema Migration und Flucht dominiert derzeit den Bundestagswahlkampf. Die Parteien fordern, mahnen, kündigen an. Grenzkontrollen, Zurückweisungen, Familiennachzug, Abschiebungen, Integrationskurse: Wer will jetzt eigentlich was?

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Seit dem tödlichen Messerangriff eines abgelehnten Asylbewerbers in Aschaffenburg bestimmt das Thema Migration und Flucht den Wahlkampf. Kurz vor der Bundestagswahl präsentieren die Parteien jede Menge Forderungen und Ankündigungen. Einig ist man sich über alle Lager hinweg im Grunde nur in einem Punkt: Die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die im Schnitt knapp neun Monate dauern, sollen deutlich schneller entschieden werden.

Ansonsten liegen die Standpunkte oft weit auseinander. Ein Überblick über zentrale Punkte in der Migrationspolitik bei allen Parteien, die 2021 in den Bundestag eingezogen sind.

Außengrenzen: Dauerhafte Grenzkontrollen – oder nicht?

Aktuell gibt es bereits stationäre Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen, angeordnet von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das muss aber nach aktueller Rechtslage alle sechs Monate von der EU-Kommission genehmigt werden. Dazu kommt: Vollständige flächendeckende Kontrollen kann die Bundespolizei nicht leisten, auch weil Deutschland tausende Kilometer "grüne Grenze" hat.

Die Union will dauerhaft stationäre Grenzkontrollen an allen Außengrenzen. Das fordern auch FDP und AfD – wobei die AfD sogar die "Errichtung von Grenzzäunen" in Erwägung zieht. Die SPD verweist dagegen in ihrem Wahlprogramm auf den Schengen-Raum: Die befristete Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen müsse "die absolute Ausnahme bleiben". So sehen es auch die Grünen. Die Linke geht noch einen Schritt weiter – sie hält Binnengrenzkontrollen grundsätzlich für falsch.

An der Grenze: Wer darf einreisen, wer nicht?

SPD, Grüne und Linke wollen, dass auch künftig Menschen nach Deutschland einreisen können, die ein Schutzgesuch äußern. Sie dürfen dann erstmal bleiben und werden im Normalfall untergebracht, bis über ihren Asylantrag entschieden ist oder bis klar ist, welcher EU-Staat eigentlich zuständig wäre.

CDU und CSU fordern "ein faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen". Und zwar "unabhängig davon, ob sie ein Schutzgesuch äußern oder nicht". Das sieht auch die AfD schon lange so. Rechtlich gibt es aber Fragezeichen. Die FDP stimmte im Bundestag dennoch für einen entsprechenden Antrag der Union. In ihrem Wahlprogramm fordern die Liberalen eine "modellhafte Erprobung von Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen" gegen irreguläre Migration.

Fachkräfte aus dem Ausland: Viel Zustimmung

"Für ausländische Fachkräfte wollen wir ein attraktiver Standort sein und lebenswerte Heimat werden", steht im Wahlprogramm der Union. Koordinieren soll das eine digitale "Work-and-Stay-Agentur". Ausländische Berufsqualifikationen sollen schneller anerkannt werden. Das fordert auch die SPD – Vielfalt sei bereichernd. Anders als die Union wollen die Sozialdemokraten nicht streng trennen zwischen Fachkräfte-Zuwanderung und der humanitären Aufnahme Geflüchteter. Integrierte Geflüchtete mit Arbeit sollen aus SPD-Sicht auch ohne Schutzstatus dauerhaft bleiben dürfen.

Grüne und Linke sind auch offen für ausländische Fachkräfte und die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt. Die Linke warnt allerdings im Wahlprogramm vor Ausbeutung, etwa in der Pflege. Die FDP will "hochqualifizierten" Fachkräften das Arbeiten in Deutschland erleichtern. Die AfD begrüßt laut Wahlprogramm die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte in Mangelberufen, "sofern diese zum Erfolg unseres Landes sowie zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beitragen können". Zunächst sollten aber "heimische Potenziale" ausgeschöpft werden.

Straffällige Asylbewerber: Erst Arrest, dann Abschiebung?

Die Linke findet, Straftäter sollen unabhängig vom Aufenthaltsstatus ihre Haft in Deutschland verbüßen. Die Grünen sind dafür, dass "schwere" Straftäter nach ihrer Haftstrafe prioritär abgeschoben werden. Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck fordert, ausländische Gefährder und Schwerkriminelle abzuschieben oder wenn rechtlich möglich in Haft zu nehmen.

Noch klarer positionieren sich Union, AfD, FDP und auch die SPD: Sie sind für die Abschiebung straffälliger Asylbewerber. Während die SPD im Wahlprogramm keine Details nennt, fordert die Union, dass ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder "in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder die Abschiebung vollzogen werden kann". Die AfD geht weiter: Sie will zusätzlich Haftstrafen außerhalb Deutschlands ermöglichen und den "Einzug von Vermögen zur Schadensregulierung".

Familiennachzug: Ja, nein, ein bisschen?

Beim Familiennachzug geht es besonders um Menschen mit subsidiärem Schutz. Häufig sind das Bürgerkriegsflüchtlinge, etwa aus Syrien. Aktuell ist der Familiennachzug für diese Gruppe Geflüchteter insgesamt begrenzt auf maximal 1.000 Personen pro Monat. Union, FDP wollen das bis auf Weiteres beenden, die AfD dauerhaft. Geht es nach der Union, soll der "Familiennachzug zu Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention" allerdings bleiben.

Bei der SPD heißt es dagegen: "Wir werden die Familienzusammenführung für subsidiär Schutzbedürftige weiterhin ermöglichen, da sie eine entscheidende Voraussetzung für eine gelungene Integration darstellt." Die Grünen wollen das Kontingent ausweiten. Die Linke ist generell gegen Begrenzungen, sie will "sichere Fluchtwege" und eine "solidarische Einwanderungsgesellschaft".

Abschiebungen: Von grundsätzlichem Nein bis Massenhaft

Abgeschoben werden können aus Deutschland nach aktueller Rechtslage Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die vollziehbar ausreisepflichtig (also etwa ohne Duldung) sind. Aktuell geht es verschiedenen Quellen zufolge um 40.000 bis 50.000 Menschen. Generell gegen Abschiebungen und für ein "Bleiberecht für alle" ist die Linke. Die Grünen äußern sich zurückhaltend, abgesehen von Habecks Positionierung in Sachen Straftäter. Wie andere Parteien sind die Grünen für mehr Abkommen mit anderen Staaten, damit abgelehnte Asylbewerber dort aufgenommen werden.

CDU und CSU fordern täglich stattfindende Abschiebungen, regelmäßig auch nach Afghanistan und Syrien. Wer "vollziehbar ausreisepflichtig" ist, soll demnach "nicht mehr auf freiem Fuß sein" – sondern in Haft. Die Union erklärt dazu: "Die Anzahl an entsprechenden Haftplätzen in den Ländern muss dafür signifikant erhöht werden."

Die AfD vertritt diese Positionen schon lange, die FDP inzwischen auch. Die Pläne der AfD gehen womöglich darüber hinaus, wie die Debatte um den Begriff "Remigration" zeigt. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in mehreren Entscheidungen strenge Regeln für Abschiebehaft und für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen aufgestellt.

Integrationskurse: Kaum im Gespräch – aber vielen auch wichtig

Momentan bestimmen vor allem negative Aspekte von Migration die öffentliche Debatte, bemängeln viele Flüchtlingsorganisationen und Sozialverbände. Weniger im Fokus stehen die Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte, die legal in Deutschland leben. Die Union will Integration mehr fordern und einfordern. Im Wahlprogramm ist die Rede von einem "breiten Angebot an Deutsch- und Integrationskursen". Sehr ähnlich sieht es die FDP.

Die AfD sieht quasi nur die Migranten in der Pflicht: "Leistungsbereitschaft, Anpassungswille und eine bewusste Bejahung der deutschen Lebensverhältnisse sind Voraussetzungen, um vollständig akzeptiert zu werden und einen Mehrwert für alle zu bilden". SPD und Grüne wollen bestehende Integrationskurse ausbauen. Die Linke will das auch – und fordert sogar ein "Bundesministerium für Migration und Partizipation".

Ein besonderer Aspekt ist beim Thema Integration die Frage, ab wann Migranten die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten können. SPD, Grüne und FDP haben hier einen deutlich kürzeren Weg ermöglicht. Die Union sieht das kritisch und will die Regelung rückabwickeln. Die AfD will Einbürgerungen "bei bester Integrationsleistung frühestens nach zehn Jahren".

Verfahren, Unterbringung, Arbeiten: Migrationspolitik ist vielfältig

Unterschiede gibt es auch bei anderen Punkten: Ab wann sollen Geflüchtete arbeiten dürfen? Was ist mit Asylverfahren außerhalb Deutschlands oder der EU? Wer ist für freiwillige humanitäre Aufnahmeprogramme, wer nicht? Soll das Kirchenasyl bleiben? Welche Art der Unterbringung ist richtig? Was ist mit der Höhe von Sozialleistungen und der Frage, ob ukrainische Geflüchtete weiter Bürgergeld kriegen sollen? Mehr zur Migrationspolitik in den Wahlprogrammen finden Sie hier.

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