Zuwanderung und Flucht bewegen die Wählerinnen und Wähler. Im ARD-Deutschlandtrend von Anfang Januar sagen 37 Prozent der Befragten, dass Migration für sie aktuell das wichtigste politische Problem ist. Erst danach folgen Wirtschaft und internationale Konflikte wie der Krieg in der Ukraine. Die Parteien bieten für dieses Problem unterschiedliche Lösungen an.
SPD: Keine Asylverfahren außerhalb der EU
Die SPD schreibt sich auf die Fahnen, in der Migrationspolitik für "neue Klarheit" gesorgt zu haben. 2024 sind etwa ein Drittel weniger Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Die Zahl der Abschiebungen stieg um etwa 20 Prozent. Migrationsabkommen und bundesweite Grenzkontrollen dürften dabei eine Rolle spielen. Außerdem hat die Bundesregierung die europäische Asylreform vorangetrieben.
Die SPD will Asylverfahren beschleunigen, etwa durch Digitalisierung. Das Ziel: maximal sechs Monate Dauer. Aktuell braucht das Bundesamt für Migration knapp neun Monate. Die Partei bekennt sich zum Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige, zur Seenotrettung im Mittelmeer und zu humanitären Aufnahmeprogrammen, zum Beispiel für Afghaninnen und Afghanen.
Asylverfahren außerhalb der EU lehnt die SPD ab. Die Partei betont, dass Deutschland auf Zuwanderung angewiesen und Vielfalt eine Bereicherung sei. Als Erfolg sehen die Sozialdemokraten, dass Ausländer schon nach drei Jahren den deutschen Pass bekommen können, wenn sie hier arbeiten, Deutsch können und besonders gut integriert sind.
- zum Artikel: Streit ums Asylrecht – was geht und was nicht
CDU/CSU: Aus Fehlern lernen
Die Union verlangt in ihrem Wahlprogramm eine "grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik". Dazu zählen für CDU und CSU: ein faktischer Aufnahmestopp, Ende des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan, Stopp der freiwilligen Aufnahmeprogramme, kein Bürgergeld für neue Flüchtlinge aus der Ukraine, weniger Sozialleistungen für Ausreisepflichtige.
Weil einiges davon rechtlich aktuell nicht möglich ist, will die Union europäische Regeln ändern. Alle Asylverfahren sollten außerhalb der EU ablaufen. In diesen "sicheren Drittstaaten" sollen die Menschen dann auch Schutz finden. Der subsidiäre Schutzstatus (in der Heimat drohen ernsthafte Schäden wie Folter oder Todesstrafe) soll nach dem Willen von CDU und CSU abgeschafft werden.
Die Union will die neuen Regeln für Einbürgerungen und die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft wieder zurücknehmen. Für ausländische Fachkräfte solle Deutschland aber ein attraktiver Standort sein und "lebenswerte Heimat". Insgesamt klingt das Migrationskapitel von CDU und CSU wie ein Bruch mit der Ära Merkel. Dazu heißt es: "Auch wir haben in unserer Regierungszeit Fehler gemacht – und daraus gelernt."
Grüne: Deutschland als Einwanderungsland
Das Migrationskapitel der Grünen klingt wie ein Gegenprogramm zur Union. Die Partei betont: "Deutschland ist und bleibt ein Einwanderungsland." Sie spricht sich dafür aus, legale Migrationswege zu öffnen – etwa über Migrationspartnerschaften. Behörden sollen Berufs- und Bildungsabschlüsse leichter anerkennen. Arbeitsverbote und Einschränkungen beim Familiennachzug sollten fallen.
Die Grünen verweisen auf die Beschlüsse der Bundesregierung – wie das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und das Chancenaufenthaltsrecht. Dieses ermöglicht langjährig geduldeten Menschen unter bestimmten Bedingungen einen regulären Aufenthaltstitel. Die Grünen sprechen sich außerdem dafür aus, die Bedingungen für Integration zu verbessern: bezahlbarer Wohnraum, Personal für Kinderbetreuung und Behörden.
Zu Abschiebungen finden sich nur wenige Zeilen im Wahlprogramm. Wer kein Aufenthaltsrecht hat, müsse zügig wieder ausreisen – wenn es keine Abschiebehindernisse gibt. Asylverfahren außerhalb der EU lehnen die Grünen ab. Genau wie dauerhafte stationäre Grenzkontrollen innerhalb der EU.
FDP: Schutzsuchende schneller in den Arbeitsmarkt integrieren
Die FDP zielt bei ihrer Migrationspolitik vor allem auf die Integration in den Arbeitsmarkt: "Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme", heißt es im Programm. Schutzsuchende mit Bleiberecht sollten schnell arbeiten dürfen. Ausländische Arbeitskräfte sollten nur noch eine Behörde als Ansprechpartner haben.
Flüchtlinge erhalten nach Vorstellung der FDP kein Bürgergeld mehr, sondern einen neuen "sozialrechtlichen Status". Das gilt auch für Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Partei will Asylbewerberleistungen "kritisch überprüfen" und Sozialleistungen für Ausreisepflichtige streichen.
Die FDP will, dass künftig der Bund für Abschiebungen zuständig ist – nicht mehr die Bundesländer. Asylverfahren könnten auch außerhalb der EU stattfinden. Der Familiennachzug von subsidiär Schutzberechtigten soll ausgesetzt und Aufnahmeprogramme pausiert werden. Zurückweisungen bei den Grenzkontrollen will die FDP "erproben".
AfD: Internationale Abkommen aufkündigen
Die AfD will die Migration im Unterschied zu den anderen Parteien national regeln. Sie will aus der europäischen Asylpolitik aussteigen und internationale Vereinbarungen kündigen oder reformieren. Der individuelle Anspruch auf Asyl soll aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Änderungen der europäischen Regeln müssen in der Regel alle Mitgliedsstaaten zustimmen.
Die Partei spricht sich dafür aus, Asylverfahren außerhalb Deutschlands durchzuführen. Zuwanderungskontingente, freiwillige Aufnahmeprogramme und der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte sollen abgeschafft werden. Ein dauerhaftes Bleiberecht hält die AfD erst nach zehn Jahren für sinnvoll.
Asylbewerber sollen laut Wahlprogramm nicht mehr alle Sozialleistungen bekommen. Die Leistungen für Ausreisepflichtige sinken demnach auf das Existenzminimum. Ausbildung und Job sind für die AfD kein Hindernis für eine Abschiebung – auch nicht nach Syrien. Die AfD benutzt dafür ein Schlagwort der rechtsextremen Szene: "Remigration".
Die Linke: Einwanderung nicht an "ökonomische Verwertbarkeit" knüpfen
Die Linke will ein "offenes und solidarisches Einwanderungsrecht". Das dürfe sich nicht an Herkunft und "ökonomischer Verwertbarkeit" orientieren. Wer in Deutschland geboren wird, soll automatisch den deutschen Pass bekommen. Einkommenshürden bei Einbürgerungen müssten sinken.
Flüchtlinge sollten ab dem ersten Tag ihrer Ankunft hier arbeiten dürfen und eine Mindestsicherung erhalten. Abschiebungen lehnt die Partei ab. Straftäter sollten ihre Haft in Deutschland verbüßen. Die Linke ist gegen die europäische Asylreform und bisherige Asylrechtsverschärfungen. Sie will die EU-Grenzschutzagentur Frontex auflösen und Abkommen wie mit der Türkei kündigen.
BSW: Bürgergeld als "Flüchtlingskasse"?
Das Bündnis Sahra Wagenknecht argumentiert in seinem Wahlprogramm ähnlich wie Union und AfD: Wer aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland kommt, habe hier kein Recht auf Aufenthalt. Und damit auch nicht auf Asylverfahren und Sozialleistungen.
Asylverfahren sollten nach Möglichkeit außerhalb der EU in sicheren Drittstaaten stattfinden. Abschiebungen müssten beschleunigt werden. Das BSW hat den Eindruck, dass das Bürgergeld "immer mehr zur Flüchtlingskasse wird". Alternative Sozialleistungen beschreibt das Programm nicht.
Freie Wähler: Kosten für Unterbringung soll Bund zahlen
Die Freien Wählen wollen "ein europäisches Problem europäisch lösen". Der Schutz der EU-Außengrenzen müsse gestärkt werden. Dort sollen im Zweifel "Auffang- und Rückführungslager" entstehen.
Sozialleistungen für Flüchtlinge werden nach Vorstellung der Freien Wähler an europäische Standards angepasst. Die Kosten für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen soll der Bund übernehmen. Eine Einbürgerung soll künftig erst nach sieben Jahren möglich sein. Gefährder und Straftäter sollten sofort abgeschoben werden oder in Abschiebehaft kommen.
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