Im April dieses Jahres brach im Helene-Schultheiß-Heim in Zirndorf (Lkr. Fürth) das Coronavirus aus. 24 Bewohnerinnen und Bewohner sowie zehn Pflegekräfte infizierten sich. Das große Glück: Kurz vor dem Corona-Ausbruch war ein Impfteam in dem Heim der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Fast alle Bewohner waren geimpft, und die Impfung wirkte: Die infizierten Bewohner hatten fast keine Symptome. Bis auf drei Bewohner mit erheblichen Vorerkrankungen, von denen nur einer bereits vollständig geimpft war, gab es keine Todesfälle.
Fast alle Bewohner, aber nur ein Drittel der Pflegekräfte geimpft
Während fast alle Bewohner geimpft waren, war dies beim Pflegepersonal des Zirndorfer Heims nicht der Fall. Von den zehn infizierten Pflegekräften waren nur zwei geimpft, die Impfquote beim Personal betrug 35 Prozent. Viele zögerten, sich impfen zu lassen – aus welchen Gründen, ist nicht bekannt. Keine der Pflegekräfte wollte mit BR24 sprechen und ihre Bedenken erläutern.
Im Helene-Schultheiß-Heim ist die Impfbeteiligung beim Personal zwar besonders niedrig, aber ungewöhnlich ist dies nicht. Bei einer Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN) im Dezember 2020 erklärte nur rund die Hälfte der befragten Pflegekräfte in Heimen und Krankenhäusern, dass sie sich impfen lassen wollten.
Heimleiterin: Lieber mit YouTube-Videos aufklären
Für Kristine Lütke, Leiterin des Pflegeheims "bei St. Otto" in Lauf an der Pegnitz (Lkr. Nürnberger Land) ist die Zurückhaltung vieler Pflegekräfte nachvollziehbar. Aus ihrer Sicht sind die Informationen über Impfung und Impfstoffe unzureichend. "Von der Impfkampagne kam nicht allzu viel an", so Lütke. "Gerade neue Mitarbeiter muss man aufklären, die muss man mitnehmen, da sind nach wie vor viele Ängste da."
Junge Pflegekräfte könne man nicht mit einem Bericht in der Tagesschau oder in der Zeitung erreichen. Videos bei YouTube oder Instagram, zugeschnitten auf die junge Zielgruppe, seien da viel besser geeignet.
Kritik: Pflegekräfte haben keine Vorteile durch Impfung
Ein großes Problem sei auch, dass Pflegekräfte in den Heimen keinerlei Vorteile durch die Impfung hätten. Während doppelt Geimpfte Erleichterungen beim Reisen oder Einkaufen bekommen, ändert sich für die Pflegekräfte durch die Impfung nichts. So wie ihre nicht geimpften Kolleginnen und Kollegen müssen geimpfte Pflegekräfte nach wie vor drei Mal in der Woche einen Corona-Test machen, und sie müssen weiterhin mit FFP2-Maske arbeiten. Heimleiterin Kristine Lütke ärgert das.
"Wenn ich weiß, ich bin doppelt geimpft und muss mich genauso häufig testen lassen und habe keinerlei Vorteile von der Impfung, dann lass ich mich vielleicht auch nicht impfen, denn es ändert sich für mich ja nichts." Kristine Lütke, Leiterin Seniorenheim "bei St. Otto" in Lauf
Pflegekräfte wollen bei Impfpflicht Beruf aufgeben
Für Pflegekräfte gehe es nicht um mehr Reisefreiheit, sondern um ganz konkrete Erleichterungen im Arbeitsalltag. Kristine Lütke nennt ein Beispiel: So sei es für geimpfte Mitarbeiter eine große Entlastung, wenn sie beim Duschen der Bewohner statt einer FFP2-Maske lediglich eine OP-Maske tragen müssten.
Würde hingegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte eingeführt, wie von manchen Experten und Politikern gefordert, führe das zu großem Ärger und Unwillen. "Ich kenne zwei Kolleginnen, die ganz deutlich gesagt haben, wenn sie das nicht selber entscheiden könnten, wäre das ein Grund für sie, ihren Beruf an den Nagel zu hängen." Erst kürzlich hatten Wissenschaftler in Nürnberg eine Impfpflicht für das Personal in Pflegeheimen gefordert, um eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.
Impfbereitschaft bei medizinischem Personal steigt, nur junge Frauen zögern
Inzwischen hat sich die Impfbereitschaft bei Pflegekräften erhöht. Mitte März veröffentlichte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN) die Ergebnisse einer zweiten Umfrage, wonach 75 Prozent der Ärzte und Pflegekräfte bereit seien, sich impfen zu lassen.
In der ersten Umfrage im Dezember 2020 lag der Prozentsatz noch um zehn Prozent niedriger. Allerdings stellten DIVI und DGIIN damals auch fest, dass vor allem junge Frauen in der Pflege zögerten, skeptisch seien oder eine Corona-Impfung ablehnten. Bei ihnen bestünden "Zweifel an der Sicherheit der Impfung insbesondere im Langzeitverlauf", so DGIIN-Präsident Christian Karagiannidis.
Impfquote bei Pflegekräften in bayerischen Heimen bei 61 Prozent
Wie viele Pflegekräfte in den Heimen sich impfen lassen, hängt offenbar zum Teil auch davon ab, ob die Heimleitung offensiv für die Impfung wirbt oder eher skeptisch ist. Im Seniorenheim "bei St. Otto" in Lauf etwa hat Heimleiterin Kristine Lütke viel Überzeugungsarbeit geleistet, trotz ihrer Kritik an der Impfkampagne: Inzwischen sind in ihrem Haus alle Pflegekräfte bis auf zwei Minderjährige geimpft, auch die beiden, die sich so vehement gegen eine Impfpflicht ausgesprochen haben.
Damit steht das Heim an der Spitze – im Landkreis Nürnberger Land liegt die Impfquote beim Heim-Personal ansonsten bei 56 Prozent. Im Landkreis Fürth, in dem das Helene-Schultheiß-Heim steht, ist die Impfquote mit 57,44 Prozent nur unwesentlich höher, während die Quote bayernweit nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei 61 Prozent liegt. Nicht mit eingerechnet sind Impfungen, die beim Hausarzt oder im Impfzentrum erfolgten.
Zirndorfer Heim: Weitere Pflegekräfte haben sich impfen lassen
Gesundheitsämter in Städten und Landkreisen bemühen sich, die Impfquote weiter zu erhöhen. Auch die Heimleitung im Helene-Schultheiß-Heim wurde vom Gesundheitsamt des Landkreises Fürth gebeten, erneut für die Impfung zu werben – und sie hatte Erfolg.
Inzwischen haben sich 24 weitere Pflegekräfte von einem mobilen Impfteam impfen lassen, berichtet Geschäftsführer Frank Bauer. Er führt das auch auf die milden Krankheitsverläufe während des Corona-Ausbruchs im April zurück. "Das ist die beste Werbung", so Bauer.
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