Für die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag ging es um ein Signal. Mit ihrem Dringlichkeitsantrag zur Migrationspolitik wollte die Fraktion vor allem ihren Parteichef und Bundesinnenminister Seehofer den Rücken stärken. So meinte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Tobias Reis, man wolle den Beschluss des CSU-Vorstandes noch einmal bekräftigen: "Wir sind pragmatisch und wir sind Realisten. Wir warten schon seit drei Jahren auf europäische Lösungen. Leider vergeblich. Wie lange sollen wir noch warten, geltendes deutsches Recht auch durchzusetzen."
Debatte um ein weitgehend unbekanntes Dokument
Schon vor der Debatte im Plenum sorgte der Antrag für Gesprächsstoff, denn außer Seehofer, Alexander Dobrindt und der Bundeskanzlerin kennt niemand den Plan im Detail. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) räumte ein, dass er zwar von Seehofer wisse, worum es im Plan gehe, den Plan selbst aber auch noch nicht gesehen habe: "Er hat über wesentliche Inhalte mit mir gesprochen, aber in der ganzen Breite und Fülle kenne ich ihn nicht."
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte keine Bewertung des Antrags seiner Fraktion vornehmen. Er empfahl, den Fraktionschef zu fragen. Der solle die Chance bekommen, den Antrag vorzustellen. "Jeder soll ins Fernsehen", sagte Söder.
CSU schiebt Verantwortung auf Merkel
Dass den Seehofer Plan derzeit außer der Kanzlerin niemand umfassend kennt, wird in der CSU mit Rücksichtnahme auf die Kanzlerin begründet. Seehofer wolle entsprechend den Regularien der Bundesregierung seinen Plan erst im Kabinett vorstellen, dann in den Koalitionsfraktionen und erst dann der Öffentlichkeit. An dieser stilistischen Frage wolle Seehofer nicht rütteln, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Dass niemand den Plan wirklich kenne, liege daran, dass die Kanzlerin nicht wolle, dass der Masterplan des Bundesinnenministers bekannt werde, sagte ein führender CSU-Landespolitiker.
Opposition wirft CSU Showveranstaltung vor
Die Opposition reagierte mit Empörung auf das Vorgehen der CSU. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sprach von einer Zumutung für das Parlament. "Jetzt erdreisten Sie sich als CSU-Fraktion, den Bayerischen Landtag für ihre Show zu missbrauchen", schimpfte Schulze im Parlament. Die Freien Wähler sahen das Thema grundsätzlich. Michael Piazolo warf der CSU vor, eigentlich den Sturz der Kanzlerin und das Ende der EU zu betreiben: "Sie setzen der Kanzlerin Ultimaten. Ich persönlich muss Ihnen sagen. Tun Sie's. Tun Sie's denn. Ultimaten werden doch gestellt. Sie als CSU gefährden im Moment ein europäisches Friedensprojekt."
SPD: Masterplan "Bernsteinzimmer" deutscher Innenpolitik
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nannte Seehofers Masterplan ein Phantom. Ganz Deutschland weiß, dass es den Plan nicht gibt, sagte Rinderspacher und machte sich über die CSU lustig: "Der Masterplan ist das Bernsteinzimmer der deutschen Innenpolitik. Mit nur einem Unterschied: Das Bernsteinzimmer gab es tatsächlich, es ist seit 1945 verschollen. Der Masterplan der CSU war bereits verschollen, bevor er überhaupt existierte."
SPD-Chefin Natascha Kohnen warf Ministerpräsident Söder vor, sich bewusst von Europa abzukehren und verglich Söder mit US-Präsident Donald Trump: "Solche Formulierungen", so Kohnen, "kennt die Welt bisher von einem amerikanischen Präsidenten, der außer Rand und Band ist und jetzt kommt ein solches Verhalten aus dem Freistaat."
Worum geht es im CSU-Dringlichkeitsantrag?
Der Antrag benennt den Masterplan des Innenministers, der "mit zahlreichen Maßnahmen, darunter auch die Zurückweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze - eine Zuwanderung nach Deutschland und Europa ordnen, steuern und begrenzen will."
Begrüßt werden soll die Anordnung zur Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze mit sofortiger Wirkung für alle Fälle von Wiedereinreisesperre und Aufenthaltsverbot sowie die Ankündigung des Innenministers, dass bereits jetzt Vorbereitungshandlungen für eine Zurückweisung derjenigen getroffen werden, die bereits in einem EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, oder dort als Flüchtling registriert sind.
Ausdrücklich gutgeheißen werden außerdem die "Bemühungen um eine europäische Lösung, insbesondere mit dem Ziel eines Ausbaus des Außengrenzschutzes, einer gerechten Verteilung der mit dem Zuzug verbundenen Lasten und einer Verbesserung der Lebensperspektiven in den Herkunftsländern fortzusetzen". Auch erweiterte Befugnisse für die bayerische Grenzpolizei, Ankerzentren und Abschiebungen sind erwähnt. Zudem spricht sich der Antrag für Abschiebungen in den Irak und nach Afghanistan aus.
"Kein Bruch der Union gewollt"
Vor dem möglicherweise entscheidenden EU-Gipfel zur Asylpolitik klingen die Töne aus der CSU heraus moderater. CSU-Landespolitiker in München sagten, man werde abwarten, hoffe aber auf eine Lösung und wünsche Kanzlerin Merkel viel Erfolg. Innenminister Herrmann versicherte, er kenne niemanden, der einen Bruch der Union wolle: "Wir wollen keine Spaltung von CDU und CSU. Wir stehen zu der traditionellen engen und guten Zusammenarbeit mit unserer Schwesterpartei und die wollen wir auch in Zukunft fortführen und wir wollen auch kein Ende dieser Bundesregierung."
Söder will Entscheidung
Ministerpräsident Söder pochte dagegen auf das verabredete Verfahren. Nach der Vorstandssitzung am Sonntag werde es Klarheit geben, meinte er und erklärte: "Wir haben den Zeitplan ja bis zum Wochenende - und da wird dann beraten und entschieden."
Umfrage beunruhigt CSU
Für Unruhe sorgte eine Umfrage, in der Angela Merkel mehr Zuspruch als Ministerpräsident Söder bekam und die CSU insgesamt bei nur 40 Prozent landete. Manche sprachen hinter vorgehaltener Hand von einem Alarmsignal. Die oberbayerische CSU-Chefin Ilse Aigner wertete die Zahlen als Ausdruck der Zerrissenheit: "Die Empfindung ist vor Ort eine andere. Es ist auch innerhalb der CSU gespalten, wie auch in der Bevölkerung." Innenminister Herrmann sagte zu den Umfragezahlen: "Natürlich müssen wir das sehr ernst nehmen."