Das Herzstück des Projekts, Nordbayern als Industriekulturregion zu etablieren, ist die sogenannte "Thurnauer Erklärung". Dieses Papier haben die Akteure des Projekts am Freitag in Schloss Thurnau im Landkreis Kulmbach der Öffentlichkeit vorgestellt. Es enthält Vorschläge und Ziele, die gemeinsam in den kommenden Jahren erreicht werden sollen. Kurz zusammengefasst, geht es darum, die "Industriekultur Nordbayerns zum Leuchten zu bringen", wie die Zweite Nürnberger Bürgermeisterin Julia Lehner (CSU) es in einem zugeschalteten Grußwort ausdrückte.
Industrieerbe erforschen, vermitteln und gestalten
Ein kurzer Film von Heimatforscher Adrian Roßner machte die Zielstellung greifbar: Überall in Nordbayern gibt es spannende Stätten oder Museen der Industriekultur. Einige Beispiele: die Ansbacher Mühlentechnik, die Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg, das Industriemuseum Lauf, das Porzellanikon in Selb, AEG Nürnberg und so weiter. Diese miteinander in Kontakt zu bringen und zu verknüpfen, ist eines der großen Ziele. Dazu kommt: Viele andere einst blühenden Produktionsstätten in der Region sind in Vergessenheit geraten oder zu sogenannten Lost Places geworden.
Schätze heben und Vergessenes ans Licht holen
Das sind die Schätze, die zum Teil noch gehoben werden und dann aufgearbeitet und miteinander vernetzt werden sollen. Dafür hat sich der in Thurnau sitzende Universitätsfachbereich "Institut für Fränkische Landesgeschichte" (IFLG) der Unis Bayreuth und Bamberg mit mehreren Museen, Kommunen, Verbänden und anderen Akteuren zusammengetan und die "Thurnauer Erklärung" entwickelt. Je mehr Menschen, Verbände, Einrichtungen und Kommunen sie unterschreiben, umso schneller wird das Ziel, Nordbayern als Industriekulturregion zu etablieren, erreicht, können Fördermittel beantragt und Konzepte entwickelt werden.
Porzellanikon: so geht Präsentation der Industriekultur
Das Porzellanikon in Selb mache vor, wie Industriekultur präsentiert und für die Menschen erlebbar werden könne, sagte Marcus Mühlnikel vom IFLG am Freitag in Thurnau. Das Porzellanmuseum sei ein gutes Beispiel dafür, wie die Brücke zwischen damals und heute gelingen könne. Es begeistert ehemalige Mitarbeiter ebenso wie Schulklassen mit seinen spannenden, teils interaktiven Ausstellungen und restaurierten Räumlichkeiten und Maschinen. Ein ähnliches Beispiel aus Mittelfranken: das Nürnberger Museum Industriekultur.
Die vergessene Schuhfabrik aus Thurnau
Vom Gegenbeispiel berichtet Mühlnikel den Gästen mit noch immer spürbarer Fassungslosigkeit: In Thurnau, wo das IFLG im Schloss seine Räumlichkeiten hat, gab es bis vor ein paar Jahrzehnten eine florierende Schuhfabrik mit mehr als 100 Mitarbeitern. "Erst vor einem Jahr haben wir diese Geschichte gehört", sagt Mühlnikel. Sofort hätten sich Mitarbeiter daran gemacht, diese ehemalige Fabrik zu erforschen und Zeitzeugen zu befragen. Eine spannende Ausstellung sei dabei herausgekommen, die viele Thurnauer begeisterte und emotional berührte.
Die Europäische Route der Industriekultur
Warum das industrielle Erbe Nordbayerns aufgearbeitet, vernetzt und sichtbar gemacht werden soll, liegt auf der Hand: Es schafft Identität, es ist ein Stück Heimat, es zeigt den jungen Leuten, wo sie herkommen. Positive Auswirkungen auf den Tourismus erhoffen sich die Akteure natürlich auch. Dafür sind sie auch daran interessiert, eine Industriekultur Nordbayern als Teil der "Europäischen Route der Industriekultur" (ERIH) zu etablieren. Diese ist ein Netzwerk der wichtigsten Industriestandorte Europas.
Tradition und Identität spürbar machen
Bei der Etablierung einer Industriekultur für ganz Nordbayern geht es darum, zu zeigen, was einmal war und wie es war: die Arbeitsbedingungen, die Produkte, die Produktionsgebäude, aber auch die Zwangsarbeit. Es gibt viel zu entdecken, besser gesagt, wieder zu entdecken Der Niedergang einzelner Branchen im Zuge des Strukturwandels soll nicht länger das Andenken an vergangene Blütezeiten zerstören. Vom Lost Place zum lebendigen Lernort, an dem die Tradition und Identität der Region spürbar wird.
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