"Frieden, Freiheit, keine Diktatur", "Wir sind das Volk" und "Widerstand". Diese Parolen waren am Sonntag auf einer Demonstration mit rund 12.000 Menschen in Nürnberg zu hören. Einige davon folgten dem Aufruf der Gruppierung "Schüler stehen auf", die zur Querdenker-Szene gehört.
Impfverweigerung und Verschwörungstheorien
Die Demonstranten warnten vor einer "Corona-Diktatur", vor "Impfpflicht" oder vor "Pharma-Faschismus". Auch wurde das Coronavirus an sich geleugnet oder verharmlost, manche Teilnehmenden sprachen von einer geplanten Pandemie, einer "Plandemie" – ein typischer Begriff von Verschwörungstheoretikern. Auch Schilder mit den Botschaften "Impfen macht frei" waren zu sehen, ein Vergleich der Impfkampagne mit dem Holocaust.
Regenbogenfahnen, Friedenstauben und Rechtsextreme
Angereist waren Demonstranten aus ganz Bayern und dem angrenzenden Ausland, beispielsweise aus Österreich. Eine eindeutige Zuordnung zu einem politischen Spektrum ist schwierig. Einige Protestierende schwenkten "Stoppt Söder"-Fahnen, andere Regenbogenflaggen oder Fahnen mit dem Logo der "Freien Linken" oder mit Friedenstauben.
Daneben marschierten gewaltbereite Hooligans, Rechtsextreme und NPD-Aktivisten. Sie vereint offenbar die Ablehnung gegen die Regierung und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, egal ob nun völkisch oder esoterisch begründet. Der Sozialökonom Andreas Speit sieht darin eine Ablehnung der Moderne. Das sagte er der Denkfabrik "Zentrum Liberale Moderne".
"Vor diesem Hintergrund überrascht es dann nicht, dass bei diesen Protesten Leute nebeneinanderstehen, bei denen man vom Outfit denken würde, die passen nicht zusammen. Aber Regenbogenfahnen können neben Reichsfahnen im Wind stehen, wenn man die Aufklärung komplett negiert." Andreas Speit, Rechtsextremismus-Experte und Sozialökonom
Demo-Anmelder bat Rechtsextreme um Unterstützung
Im Vorfeld mobilisierte der Demo-Organisator von "Schüler stehen auf", der auch bei "Querdenken 911" aktiv ist, unter anderem über einen rechtsextremen Akteur aus der Schweiz für die Demonstration. So war es auch nicht verwunderlich, dass an der Demonstration am Sonntag Personen aus dem neonazistischen Kameradschaftsspektrum, der Partei "Der Dritte Weg" und NPD-Aktive teils mit eigenen Transparenten teilnahmen.
Vor allem eine Gruppe mit Akteuren der rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB) konnte sich als Vorreiter inszenieren, in dem sie den Demonstrationszug mit dem größten Transparent nach einer Trommelgruppe anführte. Eine klare Distanzierung von den vermummten Aktivisten gab es offenbar nicht. Auch Peter M., ein Neonazi-Aktivist aus Oberbayern, der erst vor wenigen Monaten aus der Haft entlassen worden war, wurde als Ordner der Veranstaltung eingesetzt.
Sympathiebekundungen und Ablehnung
Die Demonstration blieb trotz des hohen Konfliktpotenzials nach bisherigen Informationen friedlich. Allerdings kam es während der Versammlung zu einer versuchten Attacke auf einen Passanten. Als dieser "Haut ab!" in die Richtung der Teilnehmer rief, liefen zwei Personen aus dem Hooligan-Spektrum auf den Mann zu und drohten ihm unter Beleidigungen.
Der Passant wich zurück und konnte so einem körperlichen Angriff aus dem Weg gehen. Polizeikräfte waren zu diesem Zeitpunkt nicht in der Nähe. Neben ablehnenden Gesten kam es am Rande immer wieder auch zu Sympathiebekundungen für das Anliegen der Demonstranten.
Feuerwerkskörper am Rande
Eine Gruppe von jungen Männern, die sich vor allem um einen radikalen Verschwörungsideologen aus Fürth sammelte, zündete am Rande der Demonstration Feuerwerkskörper – offenbar um die Menge anzuheizen. Die gewünschte Reaktion blieb allerdings aus, Teilnehmer grenzten sich von der Gruppe ab, bezeichneten diese als "Provokateure" und "Assis".
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Während die Demonstrantinnen und Demonstranten aus dem Umfeld von "Querdenken" durch die Südstadt zogen, kamen laut Veranstaltern mehr als 2.000 Menschen zu einer Veranstaltung "Gegen Corona und Spaltung – Für Demokratie und Mitmenschlichkeit", zu der die Allianz gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatte.
Proteste in Schweinfurt diesmal friedlich
Auch die Schweinfurter Innenstadt war am Sonntag erneut Schauplatz einer unangemeldeten Versammlung gegen die Corona-Maßnahmen. Im Gegensatz zur vergangenen Woche verliefen die Proteste dieses Mal jedoch ohne Gewalt.
Nach Angaben der Polizei kamen bis zu 3.000 Menschen zusammen. Einige der Protestierenden lärmten mit Trillerpfeifen, andere skandierten Parolen wie "Freiheit" oder "Wir sind das Volk". Der Zug war mehrere Hundert Meter lang und teilte sich zwischenzeitlich. Die Polizei begleitete die Beteiligten während des gesamten Protestzugs.
Wer genau im Vorfeld die organisatorischen Fäden gezogen hatte, ist nicht bekannt. Eine Anmeldung bei der Stadt Schweinfurt gab es nicht – im Gegensatz zu den sozialen Netzwerken: Dort gab es im Vorfeld mehrere Aufrufe für den Protestzug.
Innenminister warnt vor Radikalisierung
In Bezug auf die Demonstration der Querdenken-Szene und die zeitgleich stattfindende Kundgebung der AfD verteidigte der dort anwesende Bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Doch er warnte auch vor Radikalisierung. "Es ist unübersehbar, im Corona-Protest-Milieu machen sich immer mehr Rechtsextremisten breit. Grenzen zwischen Querdenkern und Rechtsradikalen verschwimmen", so Herrmann.
Zur Kundgebung des Nürnberger Bündnis "Nazistopp", das sich ebenfalls gegen den Querdenken-Protest und die AfD-Kundgebung positionierte, kamen laut Veranstaltern ebenfalls 2.000 Menschen zusammen. Auch das "Antifaschistische Aktionsbündnis" demonstrierte in der Innenstadt gegen die Versammlungen von "Schüler stehen auf" und AfD. An dieser Demonstration nahmen laut Veranstaltern rund 1.800 Menschen teil, die Polizei zählte 1.300 Personen aus dem "linkspolitischen Spektrum".
- Herrmann warnt vor rechtem Einfluss auf Corona-Demonstrationen
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