Anhänger der Friedensbewegung tragen am 15.04.2017 beim Ostermarsch in München (Bayern) ein Banner mit der Aufschrift "Ostermarsch".
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Anhänger der Friedensbewegung tragen am 15.04.2017 beim Ostermarsch in München (Bayern) ein Banner mit der Aufschrift "Ostermarsch".

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"Der Krieg geht immer noch weiter" – Frieden bleibt Kampf

"Der Krieg geht immer noch weiter" – Frieden bleibt Kampf

Die Friedensbewegung steht unter Druck: Zwischen neuen Kriegen und alten Idealen wird ihr Weg schwieriger. Auch populistische Akteure wie AfD und BSW werben mit dem Thema. Viele Aktivisten machen trotzdem weiter – auch in diesem Jahr an Ostern.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Glauben Zweifeln Leben am .

Christine Mößner organisiert seit Jahrzehnten Ostermärsche. Sie war schon in den 1980ern dabei – bei den legendären Protesten im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss. Über ihr Engagement fand sie Freundschaften. Und sogar ihren Mann. Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende des Nürnberger evangelischen Forums für den Frieden. Und sie sagt: "Wir sind halt alt geworden. Kann man so sagen. Also, es gibt jetzt wenig wirklich junge."

Lange Tradition – schwindender Zulauf

Die Ostermärsche haben eine bewegte Geschichte: Der erste fand 1960 statt, von Hamburg-Harburg zum Truppenübungsplatz in der Nähe von Celle. In den 1980er-Jahren mobilisierten sie Hunderttausende. Nach der Wiedervereinigung schrumpfte die Bewegung – Ausnahmen wie der erste Golfkrieg brachten noch einmal Zulauf.

Doch der Bedarf an Friedensarbeit ist nicht kleiner geworden. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Krieg im Nahen Osten, die Diskussion um einen möglichen Rückzug der USA aus Europa – das alles bereitet vielen Menschen Sorge. Christine Mößner kritisiert die politischen Antworten: "Und jetzt diese anscheinend nach oben offenen Etats für Rüstungsprodukte. Das ist absurd. Das ist Wahnsinn."

Gegen Militarisierung – aber nicht naiv

Die Ostermarsch-Mitorganisatorin Mößner betont, es gehe nicht darum, Russland gewähren zu lassen. Völkerrechtswidrige Kriege verurteile man klar. Aber: "Diese einseitige, einspurige Lösung nur auf Militär zu setzen, das halten wir für falsch."

Der zentrale Aufruf der diesjährigen Ostermärsche spricht von einer "extremen Zuspitzung" der weltpolitischen Lage. Das Netzwerk Friedenskooperative warnt vor einer Militarisierung, die inzwischen auch zivile Bereiche durchdringe. Dennoch bleibt die Beteiligung begrenzt – und das macht es populistischen Kräften leichter, das Friedensthema für sich zu vereinnahmen.

Friedensrhetorik von rechts – eine Herausforderung

Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, sieht die rechte Vereinnahmung mit Sorge: "Die neue Rechte hat Gewaltfreiheit als Strategie entdeckt. Und man spürt anhand der oft gewaltförmigen Sprache, dass das irgendwo nicht mit Herz und Hand gedeckt ist."

Kramer warnt davor, sich vor den falschen Karren spannen zu lassen. Auch wenn Frieden ein breites Anliegen sei, müsse man aufpassen, wer es mit welchem Ziel inszeniere. Die Friedensbewegung sei nie homogen gewesen – das werde heute besonders deutlich. "Wenn dann jemand mit einer Russlandfahne auf eine Friedensdemo kommt, sage ich: 'Puh … was wird das hier?'"

"Wer den Frieden will … bereite auch den Krieg?"

Der Politologe Thomas Müller-Färber beobachtet einen Wandel in der friedensethischen Debatte. Auf einer Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum wurde der klassische Leitsatz "Wer den Frieden will, bereite den Frieden vor" erweitert – um den Zusatz: "… aber eben auch den Krieg."

In extremen Situationen wie dem Angriffskrieg Russlands würden Waffenlieferungen nicht mehr nur toleriert, sondern teils als moralisch geboten gesehen. Trotzdem warnt Müller-Färber: "Es gibt so einen Punkt, an dem Militarisierung zum Militarismus überschwankt."

Zwischen Pazifismus und Realität

Wichtig sei, offen zu sein und zuzuhören, nicht ständig von der Gegenposition genervt zu sein. Bischof Friedrich Kramer ist einer dieser Diskurskritiker. Er beobachtet eine kriegsrhetorische Aufrüstung: "Wenn die Bevölkerung angstvoll ist, erwartet sie Schutz. Und wenn die Politik unter Druck gerät, entstehen plötzlich Dinge, die man vorher eigentlich nicht wollte."

Laut Umfragen lehnt rund ein Drittel bis knapp die Hälfte der Deutschen weitere Waffenlieferungen ab. In dieser Meinung liegt Christine Mößner nicht allein, auch wenn sie sich mit ihrer kleinen Gruppe manchmal einsam fühlt. "Ich frage mich: Wo sind denn die Erfolge des Militärs? Der Krieg geht immer noch weiter. Es sterben täglich Menschen. Jeder Mensch, der durch Waffengewalt stirbt, ist einer zu viel."

Frieden bleibt – aber anders

Die Nürnberger Aktivistin glaubt nicht, dass sie noch viele junge Menschen für den Ostermarsch gewinnt. Doch sie sieht Hoffnung: Junge Menschen engagierten sich, nur eben anders, über soziale Medien oder neue Formate. Resignation? Kommt für sie nicht infrage. "Das lässt schon mein christlicher Glaube nicht zu."

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