Älpler Hubert Brunner steht mit zwei Rindern auf einer Wiese
Bildrechte: BR/Katharina Reichert

Älpler Hubert Brunner aus Rettenberg übernimmt seit 30 Jahren vertretungsweise Alphütten und versorgt das Vieh - heuer zum ersten Mal im Allgäu.

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Der Vertretungs-Hirte: Rettenberger hat auf 24 Alpen ausgeholfen

Vom Tessin bis Berchtesgaden: Hubert Brunner aus Rettenberg im Oberallgäu springt während der Sommerferien als Älpler ein, wenn auf einer Alpe Not am Mann herrscht. In diesem Sommer hat der Vertretungs-Hirte einen ganz besonderen Einsatz.

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Zielstrebig laufen die jungen Kälber Richtung Weide: endlich Sonne nach den trüben Regentagen. Auch die drei Milchkühe dürfen wieder raus aus dem Stall. Hubert Brunner treibt sie hinunter auf die Wiese neben die der Schumpen – also der jungen Rinder. Über 120 Tiere versorgt der 64-Jährige. Jetzt gegen Ende des Bergsommers wird die Luft schon merklich kühler, das Gras geht zur Neige. "Das merkt auch das Vieh, es ist schon ganz unruhig", sagt der Älpler.

Kurzfristig in den Allgäuer Alpen engagiert

Erst Anfang Mai hat der Rettenberger über einen Bekannten erfahren, dass für die Alpe Ehrenschwang kurzfristig ein Hirte gesucht wird. Brunner zögert nicht lange und übernimmt die stattliche Hütte, die auf einer kleinen Ebene unterhalb der Nagelfluhkette liegt. Mit der Älplerstelle nahe seiner Heimat erfüllt er sich einen Traum: Bisher war Hubert Brunner auf 24 Hütten zwischen Bellinzona im Schweizer Tessin und Berchtesgaden in den oberbayerischen Bergen beschäftigt, aber nie daheim im Allgäu. "Da ist immer etwas dazwischengekommen", sagt er.

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Zu Beginn mit der ganzen Familie unterwegs

Auf der Alpe zwischen Immenstadt und Oberstaufen kann ihn dieses Jahr sogar seine Familie regelmäßig besuchen. Früher war sie oft die ganze Zeit über dabei. Anfang der 1990er Jahre bewirbt sich der Rettenberger das erste Mal auf eine Alpstelle in der Schweiz. Er steckt zu dem Zeitpunkt mitten im Lehramtsstudium, hat Frau und Sohn und braucht Geld.

Die Überlegung sei gewesen, entweder in einer Fabrik zu arbeiten und die Familie kaum zu sehen oder es gemeinsam auf einer Alpe zu versuchen. Sie landen in Graubünden und finden Gefallen an dem Leben hoch oben in den Bergen. Mit dem landwirtschaftlichen Wissen, das Hubert Brunner während seiner Jugend auf dem Hof seines Onkels gesammelt hat, kommt er gut durch die Saison.

Vertretungen bei Rindern, Schafen oder Yaks

Jedes Jahr ziehen die Rettenberger von da an den Sommer über in die Berge. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda übernehmen sie Vertretungen auf Alpen mit Rindern, Schafen, Ziegen, Eseln und Wasserbüffeln. Einmal hüten sie sogar Yaks. "Die kannte ich bis dahin nur aus dem Fernsehen", gesteht Hubert Brunner.

Als sich seine Frau Regine selbstständig macht und die drei Kinder eigene Interessen entwickeln, zieht es Hubert Brunner, inzwischen ausgebildeter Lehrer, weiterhin jede Sommerferien in die Berge. Die Sehnsucht nach dem Alpleben ist so groß, dass er allein geht und hilft, wo er kann: Einmal unterstützt er ältere Hirten bei der Versorgung großer Herden, ein anderes Mal übernimmt er Hütten samt Vieh, auf denen sich der Älpler verletzt hat oder ein anderes Unglück passiert ist. Nur gastronomisch bewirtschaftete Betriebe lehnt er ab.

Immer wieder gefährliche Situationen

Oft erlebt er bei seinen Aufenthalten im Hochgebirge selbst brenzlige Situationen. Zum Beispiel als er nach einem plötzlichen Wintereinbruch auf über 2.000 Meter versucht, verstörte Rinder zurückzutreiben. "Und dann treten die ein riesiges Schneebrett los und ich bin mittendrin", sagt er und atmet tief durch. Es ist damals alles gut ausgegangen. Seiner Familie allerdings verschweigt er die Details von solch gefährlichen Aktionen. "Wenn die das wüssten, was ich alles erlebt habe, die hätten nur noch Angst", meint er rückblickend.

Sorgen macht sich seine Familie trotzdem. Dieses Jahr zum Beispiel gibt es auf der Alpe im Allgäu keinen Handyempfang. "Da war schon manchmal der Gedanke da, hoffentlich geht alles gut", sagt Regine Minister-Brunner, die an freien Tagen gerne Zeit auf der Alpe und mit dem Vieh verbringt. "Ich liebe es hier", sagt sie.

Leben im Hier und Jetzt

Noch ein paar Tage wird Hubert Brunner samt Rindern, Hühnern und Hund auf gut 1.100 Metern verbringen. Dann heißt es Abschied nehmen, von einer bisher guten Saison, sowohl für ihn als Älpler als auch für die Tiere. Die große Frage, wo es nächstes Jahr hingeht, kann er nicht beantworten. "Ich bin froh, wenn ich den Tag heute gut überstehe und mich heute Abend auf das Feierabend-Bier freuen kann", sagt er schmunzelnd und krault dem Allgäuer Braunvieh-Schumpen weiter den Hals.

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