Jedes Jahr ab Ende Mai, Anfang Juni, wenn der Schnee zumindest in den niedrigeren Lagen geschmolzen ist, beginnt es in den Allgäuer Bergen wieder zu schellen und zu läuten: Die jungen Rinder, Kühe, Schafe und Pferde samt ihren Hirten sind zurück auf den Alpen. Es sind vor allem junge Rinder, die von Landwirten aus der Region, aber auch von weit her in die Allgäuer Berge gebracht werden. Von den knapp 32.000 Rindern, die laut aktuellem Geschäftsbericht des Alpwirtschaftlichen Vereins Allgäu (AVA) im Jahr 2021 auf den Alpweiden gegrast haben, sind mehr als 29.000 Schumpen (allgäuerisch für Jungvieh) gewesen. Das sogenannte Galtvieh gibt noch keine Milch.
Die Alpwirtschaft hat Vorteile für Landwirte und Tiere
Schon von jeher hat die jahrhundertealte Tradition der Alpwirtschaft den Zweck, das Futter, das die Berge bieten, auszunutzen. Durch die sogenannte Sömmerung werden nach Angaben des AVA die Heimbetriebe im Tal geschont, unter anderem müssen sie die Tiere ja nicht füttern. Die Tiere selbst profitieren auch vom Alpsommer: Sie sind gesünder und bekommen eine bessere Konstitution.
Auch Touristen und Einheimische profitieren von der Alpwirtschaft
Darüber hinaus prägt die Berglandwirtschaft die Allgäuer Kulturlandschaft. "Ohne Alpwirtschaft gäbe es keine Freiflächen, keine Wege, keine baumfreien Skiabfahrten und keine bewirtschafteten Alphütten", heißt es im AVA-Geschäftsbericht. Eine intakte Alpwirtschaft sei deshalb die Grundlage für den Tourismus in Süd-Bayern.
Im Allgäu gibt es mehr als 700 Alpen
In den Allgäuer Bergen gibt es 703 Alpen, 41 davon sind Sennalpen und produzieren Käse (Stand 2021). Auf den Alpen stehen den Tieren laut AVA-Bericht knapp 21.000 Hektar Lichtweidefläche zur Verfügung. Lichtweideflächen sind weitgehend baumfreie Weideflächen, und die bedecken im Allgäu mehr als die Hälfte der Gebirgsfläche. So ist es zumindest im "Alm-/Alpbuch" des bayerischen Landwirtschaftsministeriums nachzulesen. Alpweideflächen sind auch in Biotopen, Naturschutz-, Landschaftsschutz- oder Flora-Fauna-Habitat-Gebieten zu finden. Hier müssen die Älpler viele Auflagen und Regeln einhalten und berücksichtigen.
Viele Privatalpen in Oberstaufen
Die Eigentumsverhältnisse und Bewirtschaftungsformen der Alpen sind aus der Geschichte und der Tradition heraus sehr unterschiedlich. Einige Beispiele: In Oberstaufen, dem größten zusammenhängenden Alpgebiet Deutschlands, gibt es derzeit 166 Alpen. Viele davon sind sogenannte Land- oder Privatalpen. Die Bewirtschaftung dieser niedrig gelegenen hofnahen Alpen erfolgt oft durch die Bauernfamilien selbst.
Gemeinsame Betreuung der Rinder auf den Genossenschaftsalpen
Weiter östlich, zum Beispiel bei Oberstdorf oder Hinterstein, werden dagegen viele Alpen von Alpgenossenschaften betrieben. Genossenschaftsalpen sind laut Werner Bätzing, Professor für Kulturgeographie, im gemeinschaftlichen Eigentum einer Gruppe von Bauern. Ihre Tiere, aber auch sogenanntes Fremdvieh, werden auf diesen Alpen gemeinsam betreut. Dafür stellen die Alpgenossen Hirten ein, die sich um Futter, Vieh und die Pflege des Alpbereichs kümmern. Die bürokratischen Aufgaben, wie zum Beispiel Verträge, Personalsuche oder Materialbeschaffung, übernimmt in der Regel der Alpmeister, der von den Alpgenossen bestimmt wird. Beim Alpwirtschaftlichen Verein Allgäu sind 182 Genossenschaftsalpen als Mitglieder eingetragen.
Zwei Hirten haben die Rinder auf der Rappenalpe betreut
Auf der Rappenalpe bei Oberstdorf zum Beispiel haben 178 Jungrinder den Sommer verbracht. Betreut wurden sie von zwei Hirten, wie in der Allgäuer Regionalausgabe des Landwirtschaftlichen Wochenblattes nachzulesen ist.
Wer bekommt von wem Geld?
Geld bekommen die Hirten, Alpgenossenschaften, aber auch private Alpbauern zum Beispiel von anderen Bauern, deren Vieh sie den Sommer über hüten. Pro Stück Rind zum Beispiel sind das – nach Aussage unterschiedlicher Älpler im Allgäu – zwischen 20 und 50 Euro für den ganzen Sommer. Die Konditionen sind von Alpe zu Alpe unterschiedlich.
Subventionen für die Alpwirtschaft - Beispiel Rappenalpe
Darüber hinaus gibt es Fördermittel von staatlicher Seite sowie EU-Subventionen. Als Beispiel wieder die Rappenalpe: Wie bei der Medienagentur Proplanta nachzulesen ist, hat die Alpgenossenschaft 2021 knapp über 73.000 Euro an EU-Subventionen bekommen. Damit liegt sie im Vergleich zu anderen geförderten Genossenschaftsalpen im Mittelfeld. Die EU-Fördersummen für Oberallgäuer Genossenschaftsalpen liegen im Bereich von gut 2.700 Euro bis fast 150.000 Euro.
Auf den Alpen gelten oft höhere Standards beim Umweltschutz
Die Summen setzen sich aus verschiedenen Einzel-Prämien zusammen und dienen unter anderem der Einkommenssicherung und Risikoabsicherung der landwirtschaftlichen Betriebe, heißt es auf der Seite der Medienagentur. Außerdem sind sie zum Beispiel auch ein finanzieller Ausgleich dafür, dass auf den Alpen oft höhere Standards in Sachen Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz verlangt werden als in der übrigen Landwirtschaft. Auch Klimaschutzmaßnahmen und das Greening werden zum Beispiel gefördert. Greening bedeutet unter anderem, dass Wiesen und Weiden als Dauergrünland erhalten werden müssen und zum Beispiel nicht gepflügt werden dürfen.
Umweltschützer kritisieren Alpwirtschaft
Umweltverbände, zum Beispiel der Bund Naturschutz, kritisieren die aktuelle Alpwirtschaft und fordern eine naturverträglichere. Auf der Homepage des BN ist beispielsweise nachzulesen, dass sich durch die immer intensivere Nutzung vor allem in niedrigeren Berglagen die Vegetation nicht mehr ausreichend erholen kann. Außerdem bestehe eine immer größere Gefahr von Erosion, zum einen durch die Tiere selbst, zum anderen durch die angegriffene Vegetation, auch der zunehmende Verkehr in den Bergen, um die Tiere zu versorgen, sei ein Problem.
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