Der Winter 2021 kann sich bisher sehen lassen: Nicht nur lag im Dezember in vielen bayerischen Orten Schnee - es fing sogar recht früh an mit der weißen Pracht. Die ersten Flocken fielen in den höheren Lagen - die Zugspitze ausgenommen - um den 13. Oktober herum. Unter 600 Metern konnte das erste Mal am vierten November eine geschlossene Schneedecke gemessen werden - in Palling im Landkreis Traunstein und in Kiefersfelden im Landkreis Rosenheim.
Dieses Winterwetter macht vielen Hoffnung auf weiße Weihnachten. Die BR-Meteorologen gehen zumindest davon aus, dass sich der Temperatur-Trend hält und es an den Feiertagen winterlich-kalt wird. Eine seriöse Vorhersage zum Schneefall kann aber erst im Laufe der kommenden Woche getroffen werden.
Wo in Bayern gab es in den letzten 30 Jahren oft weiße Weihnachten
Doch ein Rückblick ist möglich: Dafür hat BR24 die langjährige Statistik des Deutschen Wetterdienstes (DWD) analysiert. Auf der folgenden Karte ist zu sehen, wie oft es an 372 Orten in Bayern in den vergangenen 30 Jahren "weiße Weihnachten" gab.
Damit ist gemeint, dass an der entsprechenden Wetterstation an mindestens einem der drei Weihnachtstage eine geschlossene Schneedecke von mindestens einem Zentimeter gemessen werden konnte. Je heller der Punkt ist, desto mehr Jahre, in denen das der Fall war – wählen Sie einen Punkt aus, um noch mehr Details zu erfahren:
Grafik: Schnee an Weihnachten in Bayern
Gut erkennbar: Bei der Verteilung kommt es, neben der Topographie, vor allem auf die Höhenlage an. An allen Stationen, die höher als 600 Meter über dem Meeresspiegel liegen, waren im Schnitt mehr als ein Drittel der Weihnachtsfeste weiß. In Oberammergau etwa, auf einer Höhe von mehr als 800 Metern, gab es an 22 von 30 Weihnachtsfesten Schnee.
Bayernweit weiße Weihnachten: Zuletzt im Ausnahmewinter 2010
Dass es an fast allen Wetterstationen an Weihnachten schneite, ist zuletzt 2001 und 2010 passiert. Bayernweit nahezu schneelose Weihnachten gab es in den Jahren 2015 und 2016. Das vergangene Jahr war ordentlich: An rund zwei Dritteln der untersuchten Orte lag 2020 Schnee an den Feiertagen. Große Ausnahme und der einziger Ort mit "Schneegarantie": Die Zugspitze. In Kreuth und Balderschwang kann man mit einer Quote von 28 aus 30 aber auch zuversichtlich auf Weihnachten schauen.
Besonders viele grüne Feiertage gab es dagegen in Unterfranken. Aschaffenburg, Karlstadt und Kitzingen hatten von 1991 bis 2020 jeweils nur in drei Jahren Schnee an einem oder mehreren Weihnachtstagen.
Importierte Wunschvorstellung aus den USA
Laut BR-Meteorologe Michael Sachweh liegen 90 Prozent der bayerischen Gemeinden im sogenannten Tiefland – das beginnt in Bayern unterhalb einer Höhenlage von 500-600 Metern. Da ist es klar, dass die Mehrzahl der Punkte auf der Karte eher grün als weiß sind.
November und Dezember seien in Bayern noch nie so schneereich gewesen, wie viele glauben, erklärt der Klimaexperte:
"Der weiße Dezember, vor allem die weiße Weihnacht, ist eine romantische Vorstellung, die wir - wie so vieles - aus den USA übernommen haben. Die USA haben aber ein ganz anderes Winterklima als wir, besonders für die Nordstaaten sind weiße Weihnachten nichts Ungewöhnliches." Michael Sachweh, BR-Meteorologe
"Nachdem Postkartenmotive mit Santa Claus und seinen Rentieren im Schnee auch bei uns beliebt wurden, schlich sich die Vorstellung ein, das sei das richtige Wetter für den Dezember", sagt Sachweh. "Die Neigung zu grünen Weihnachten hat es bei uns aber schon immer gegeben, im Fachjargon spricht man vom sogenannten Weihnachtstauwetter."
Schnee an den Feiertagen ist weniger wahrscheinlich als früher
Die Wunschvorstellung war also für Bayern noch nie korrekt – aber der Meteorologe sieht trotzdem auch eine langfristige Entwicklung. Die Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten habe früher bei etwa 30-40 Prozent gelegen – heute, schätzt der Fachmann, dürften es nur noch rund 20 Prozent sein.
Um das genauer zu betrachten, hilft der Vergleich mit einer sogenannten Klimatologischen Referenzperiode - dem Zeitraum von 1961-1990. In Bayern können für diesen Vergleich 101 Wetterstationen verlässliche Daten zur Schneehöhe in den Wintermonaten liefern. 85 Prozent davon hatten von 1991 bis 2020 weniger häufig Schnee an den Feiertagen, als in den 30 Jahren davor. Der Durchschnitt der untersuchten Stationen bestätigt die Einschätzung des Meteorologen: Die Chance auf weiße Weihnachten in Bayern ist um ein Drittel gesunken.
Anhand von 7 Orten in unterschiedlichen Höhenlagen zeigt die folgende Grafik beispielhaft diese Entwicklung:
Grafik: Weiße Weihnachten von 1991 bis 2020
Man sieht, wie sich grün und weiß je nach Station unterschiedlich verteilten und wie auffällig gerade die letzten Jahre waren. Der meteorologische Winter (Dezember, Januar, Februar) in Bayern ist in den vergangenen 30 Jahren im Vergleich zur klimatologischen Referenzperiode im Schnitt ein Grad wärmer geworden.
BR-Meteorologe: Klimawandel lässt sich nicht leugnen
BR-Meteorologe Michael Sachweh macht klar: Obwohl es einige Ausreißer, wie etwa den kalten und schneereichen Winter 2010 gibt, ist der Trend nicht zu leugnen: "Schließlich gilt: Wetter ist nie gleich Klima. Die Realität des langfristigen Klimawandels kann man nicht abtun, auch wenn manche Winter oder Sommer aus der Reihe fallen." Die gestiegene Temperatur habe gerade in den Tieflagen Konsequenzen. "Hier reichen schon kleine Temperaturveränderungen aus, um über die Frage 'Schnee oder Regen' zu entscheiden."
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Die folgende Grafik zeigt, wie sich die durchschnittliche Wintertemperatur in Bayern seit Beginn der DWD-Aufzeichnungen verändert hat:
Grafik: Durchschnittstemperatur im Winter im Zeitverlauf
Bedeutet diese Veränderung in den Wintermonaten dann auch tatsächlich, dass wir das typische Winterwetter künftig immer im März und April erleben? Auch hier geben die Daten eine klare Antwort: Nein. Der Winter in Bayern verschiebt sich nicht – er wird einfach weniger.
Seit 1991 fiel der erste Schnee an den Wetterstationen unter 600 Metern im Durchschnitt vier Tage später als in den 30 Jahren zuvor. Die Schneetage haben im Mittel um 30 Prozent abgenommen und auch in hochgelegenen Wintersportgebieten ist die gemessene Schneedecke im Jahresverlauf oft nur noch halb so hoch. Ganz im Gegensatz zur gefühlten Wahrheit hört der Schneefall auch früher auf. Diese Entwicklung betrifft höher und tiefer gelegene Orte in ähnlichem Maß. Im bayernweiten Mittel fiel der letzte Schnee in den vergangenen 30 Jahren am 25. März – 11 Tage früher, als in der Referenzperiode.
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Winter verschiebt sich nicht - Wetterextreme sorgen für selektive Wahrnehmung
Wie entsteht dann der Eindruck, März und April seien die neuen Wintermonate? Wie bei der weißen Weihnacht kommt es auf unsere Wahrnehmung an. Gudrun Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst hat im Gespräch mit dem BR darauf hingewiesen, dass es in den vergangenen Jahren zum Frühling hin mehrere extreme Wetterphänomene gab. Neben dem Winter 2010, mit Minusgraden und Schnee bis in den April hinein, nennt die Expertin etwa die schweren Ernteausfälle im Jahr 2017. "Aufgrund der Temperaturentwicklung treiben viele Pflanzen eher aus, da es eher wärmer ist, was leider die Gefahr von Nachtfrösten nicht verringert – diese können immer noch auftreten."
Auch das Schneechaos Anfang 2019 sei ein Beispiel: "In dem Jahr hatten wir Mitte Januar eine Nordwest-Wetterlage, die sich für eine außergewöhnlich lange Zeit stationär eingestellt hat“, erklärt Mühlbacher. "Daher hatten wir diese massiven Stauniederschläge an den Alpen." Solche besonderen Wetterereignisse blieben im Gedächtnis, während ein mauer Winter wie 2019/2020 schnell vergessen sei. Durch diese selektive Erinnerung könne das Gefühl entstehen, Winterphänomene treten später im Jahr auf.
Über die Daten
Alle untersuchten Daten werden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) zur Verfügung gestellt. Basis für die historische Einordnung ist die von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) festgelegte Klimatologische Referenzperiode 1961-1990.
Der DWD stellt die langjährigen Gebietsmittelwerte für die Temperatur mithilfe eines Rasters mit einer Auflösung von 1 km dar. Das Raster entsteht, indem die Daten der einzelnen Wetterstationen flächendeckend umgerechnet werden. Anhand dieser Daten werden Aussagen zur Temperaturveränderung in Bayern gemacht. Das Streifendiagramm der mittleren Wintertemperatur ist inspiriert von den "Warming Stripes" des britischen Wissenschaftlers Ed Hawkins.
Der DWD verzeichnet für Bayern insgesamt 418 Wetterstationen, die für den Zeitraum 1961-2020 regelmäßig Messungen der täglichen Schneehöhe vorgenommen haben - für den Zeitraum 1991-2020 sind es 468. Um möglichst präzise Analysen zu erhalten, wurden diese Daten weiter gefiltert. Grundlage für die Karte sind die Daten von 372 Wetterstationen, in denen zwischen 1991 und 2020 in nicht mehr als 5 Jahren die Daten für den 24., 25. und 26. Dezember fehlen.
Grundlage für die Vergleiche mit der Referenzperiode, für die Auswertung der Schneetage, des ersten und letzten Schneefalls und der Schneemenge sind 101 DWD-Stationen, die seit dem Winter 1961 durchgehend Werte verzeichnen – sie weisen jeweils nicht mehr als insgesamt 5 Fehljahre und pro Monat nicht mehr als 10 Fehltage auf.
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