Belinda Hitzler und ihre Tochter Emiliy reiten durch eine Wiese bei einem Distanzritt.
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Belinda Hitzler mit ihrer Tochter Emily bei einem Distanzritt.

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Distanzreiten aus Leidenschaft: Wenn das Hobby zum Beruf wird

Dressur- oder Springreiten kennt wohl jeder, Distanzreiten ist dagegen eine eher unbekannte Disziplin. Dabei ist es ein weltweit verbreiteter Wettkampfsport. Bei einer Familie in Schwaben dreht sich alles um diesen Sport - als Hobby und beruflich.

Über dieses Thema berichtet: Das Fitnessmagazin am .

Wer auf der Umgehungsstraße am kleinen Ort Fristingen bei Dillingen vorbeifährt, dem bietet sich ein idyllisches Bild: Pferde grasen auf weitläufigen Koppeln, im Hintergrund ist die Dorfkirche zu sehen. Dass diese Pferde teilweise schon weltweit erfolgreich auf Wettkämpfen unterwegs waren, das ahnt der zufällig vorbeikommende Autofahrer wohl nicht. Diese Tiere gehören Familie Hitzler-Schelldorf, einer durch und durch pferdeverrückten Familie.

Distanzreiten aus Leidenschaft

"Zum Reiten bin ich über Stephan gekommen", sagt die schlanke, drahtige Belinda Hitzler. Ihren heutigen Ehemann Stephan Schelldorf hat sie kennengelernt, als sie 15 war. Er hatte damals eine Araber-Stute, die mit ihm einen Distanzritt "gegangen" ist, wie man im Reitsport sagt. Die Sportart hat sie beide fasziniert. Beim Distanzreiten geht es darum, eine vorgegebene Distanz in schnellstmöglicher Zeit zu reiten. Sie gingen gemeinsam auf Seminare zum Thema. "Dann dachte ich mir, jetzt muss ich aber erstmal reiten lernen", sagt Belinda und lacht.

Ihre eigenen Eltern seien keine Pferdemenschen, sie hätten ihr ein Motorrad zum sechsten Geburtstag geschenkt, kein Pferd. Ihre Tochter Emily hatte ihr erstes Pony hingegen bereits weit vor ihrem sechsten Geburtstag. Mit sechs Jahren absolvierte sie ihren ersten längeren Ritt über sieben Kilometer - und gewann. Inzwischen ist Emily Hitzler 16 Jahre alt, war 2019 Bayerische Meisterin. Nachdem die Bayerische Meisterschaft wegen Corona zwei Mal ausfiel, wurde sie heuer ganz knapp Zweite mit ihrem Lieblingspferd Shalima.

Ein Sport für die ganze Familie - ohne Team geht es nicht

Bei diesen Wettkämpfen sind auch Vater Stephan Schelldorf und Bruder Maxi meist mit am Start. Denn beim Distanzreiten ist Teamgeist gefragt. International gehen die Wettbewerbe über eine Distanz von 80 Kilometern und mehr. Wer mitreitet braucht eine Crew, die an festgesetzten Punkten während des Wettkampfes bereit steht, um Pferd und Reiter zu versorgen mit Wasser zum Trinken und zum Kühlen der Pferde. Auch in den Wettkampfpausen, wenn Tierärzte den Puls der Pferde kontrollieren, brauchen die Reiter Unterstützung. Hier können Belinda und Emily auf die Männer in der Familie Hitzler-Schelldorf zählen. Überhaupt ist Stephan Schelldorf immer bereit, wenn es etwa zu tun gibt - zum Beispiel im Stall.

Pferdeidyll im kleinen Ort Fristingen im Landkreis Dillingen

Der Stall ist selbst gezimmert, immer wieder wurde ein Teil angebaut. Inzwischen stehen neun Pferde in Fristingen, die allesamt Araber sind. Wer auf der Umgehungsstraße an Fristingen vorbeifährt, sieht sie auf den großen Koppeln weiden. Einer von ihnen ist Shaggar, mit ihm ist Belinda Hitzler bei den Weltreiterspielen in Kentucky angetreten. Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie davon erzählt: "Das war sensationell. 160 km lang war das ein genialer Ritt. Wenn man sich ein Pferd vorstellt, dass nach 140 noch trippelnd und steigend raus will, und dann in Full Speed auf die letzten 20 km geht – das ist ein Moment, das ist unbeschreiblich".

Auch Emily kann das nachvollziehen. Was die 16-Jährige am Distanzreiten so liebt ist "das lange gemeinsame Sein mit dem Pferd". Man habe eine gemeinsame Aufgabe, die es über mehrere Stunden zu meistern gelte. Auch sie macht regelmäßig Ausdauersport. Das Reiten bringe aber auch schon viel, meint Emily. Sie achtet darauf, sich gesund zu ernähren. Die richtige Ernährung ist auch ihrer Mutter Belinda sehr wichtig. Die studierte Betriebswirtschaftlerin und Fremdsprachenkorrespondentin hat sich hierfür mit einer Biochemikerin zusammengetan. Die beiden entwickeln und produzieren Nahrungsergänzungsmittel und zwar für Mensch und Tier.

Trainingsgeräte für Pferde: Aus Fristingen in die Welt

Noch ein weiteres Geschäftsfeld haben die Hitzler-Schelldorfs für sich entdeckt: Laufbänder, Führanlagen und andere Trainingsgeräte für Pferde, zum Beispiel Höhentraining. Die vertreiben sie inzwischen weltweit, insbesondere nach Dubai und Bahrain. Da seien sie "so reingerutscht", erzählt Belinda Hitzler. Der Scheich von Dubai habe im Jahr 2000 die besten Distanzreiter der Welt eingeladen. Belinda Hitzler war die einzige Reiterin aus Deutschland. Das war "ein super Erlebnis" berichtet sie, "sportlich und menschlich". Sie habe dort Distanzreiter aus der ganzen Welt kennengelernt, viele von ihnen treffe sie noch immer auf Ritten, das sei ganz toll.

Pferde aus Schwaben nach Dubai verkauft

Aus diesen Bekanntschaften haben sich zwischenzeitlich geschäftliche Beziehungen entwickelt. Bereits mehrere Pferde aus ihrer Zucht hat sie an die Scheichs verkauft. Dabei habe sie ein sehr gutes Gefühl. Sie kenne die Scheichs inzwischen persönlich gut und schätze sie als "absolute Pferdemänner", die viel Wert darauf legten, dass es den Pferden gut gehe und das auch täglich selbst kontrollierten. Sheikh Nasser bin Hamad Al Khalifa, der dem Königshaus in Bahrain angehöre, komme täglich in den Stall, kontrolliere die Fitness der Pferde, tausche sich mit seinen Trainern aus und sei selbst einer der fittesten Reiter, die sie kenne. Zwischen ihnen sei ein großes, gegenseitiges Vertrauen entstanden, so Belinda Hitzler. Auch deshalb seien die Scheichs immer wieder an Geschäften interessiert: Erst vor wenigen Wochen hat Stephan Schelldorf dreizehn Führanlagen nach Bahrain geliefert und dort den Aufbau überwacht.

Genaue Analyse des Trainings sehr wichtig

Führanlagen und Laufbänder dienen dazu, die Pferde zu trainieren und Muskeln aufzubauen. So lässt sich die Verletzungsgefahr verringern. So gleichmäßig, wie ein Pferd in der Führanlage geht, könne sie gar nicht reiten, sagt Belinda Hitzler. Gerade dreht ihr elf Jahre alter Araberwallach Blacky, der mit richtigem Namen Al Musaffar heißt, seine Runden in der Führanlage. Als Belinda seinen Namen ruft, wiehert er freudig und läuft eifrig weiter. Belinda Hitzler schaut ihm aufmerksam zu. Sie beobachtet es genau, wenn ihre Pferde auf dem Laufband gehen und dreht Videos. Diese Aufnahmen analysiert sie, schaut wie ihre Pferde vor und nach dem Beschlagen gehen und ob sie verspannt sind. Die Gesundheit ihrer Tiere ist das Wichtigste für sie. Aber auch der Reiter muss fit sein, sonst wird er zur Belastung für sein Pferd. Deshalb geht Belinda Hitzler regelmäßig zum Joggen oder auf den Crosstrainer zu Hause.

Prioritäten geändert - aber: Hauptsache es geht um Pferde

Klar wolle sie auch mal wieder einen langen Distanzritt gehen, sagt die 51-Jährige. Zwischenzeitlich aber habe sie einige Pferde gekauft. Ihre eigenen waren zunächst noch zu jung und dann kam Corona. Sie habe etwas umgedacht, konzentriere sich derzeit auf ihre Familie und die geschäftlichen Entwicklungen. Das mache ihr auch sehr viel Spaß und habe sehr viel mit ihren Pferden und ihrem Sport zu tun. Und irgendwann wird sie wieder zu einem 160 Kilometer Ritt antreten. Vielleicht dann mit ihrer Tochter Emily.

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