Wird eine Person vermisst gemeldet, hat das Rote Kreuz zu Beginn oft ein Problem: Wohin werden die Rettungskräfte zuerst geschickt? Wohin soll die Hundestaffel ausrücken, in welche Richtung sollen die Rettungshubschrauber zuerst fliegen? So vergehen oft entscheidende Minuten. Diese lebenswichtigen Entscheidungen sollen in Zukunft erleichtert werden – mit der Hilfe neuartiger Drohnen.
Denn in Zukunft soll das Rote Kreuz beim Ausrücken eine spezielle Drohne anfordern können, die das unübersichtliche Terrain überblickt. Dieses Szenario probten Einsatzkräfte am Donnerstag im Rahmen des Forschungsprojektes LARUS-PRO in Bad Neustadt an der Saale. Auf einem Tablet verfolgt BRK-Hundeführerin Alexandra Klinger die Flugbewegungen der Drohne und kann anhand der genauen Bildübertragung ihren Rettungshund über das weitläufige Gelände um den Grasberg lenken.
Eignung in der Seenotrettung nachgewiesen
Bereits seit 2016 wird im Rahmen des Forschungsprojektes "Lageunterstützung bei Seenotrettungseinsätzen durch unbemannte Luftfahrtsysteme (LARUS)" an der speziellen Drohne geforscht, die eine detaillierte und schnelle Ortung im Katastrophenfall ermöglichen soll. Dabei sei nachgewiesen worden, dass die unbemannten Flugsysteme für Einsätze in der Seenotrettung geeignet seien. Im derzeit laufenden Folgeprojekt LARUS-PRO geht es nun um die Ausweitung des Einsatzbereiches auf verschiedenste Szenarien im Rettungsdienst und Katastrophenschutz.
Vielfältige Anwendungsgebiete im Katastrophenschutz
Die Vermisstensuche an Land, wie sie vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) auf dem AERO Flugplatz in Bad Neustadt erprobt wurde, ist nur eines von vielen denkbaren Anwendungsgebieten. Auch die Lagebilderstellung bei Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Waldbränden könnte durch die LARUS-Systeme verbessert werden.
Derzeit forscht das Team außerdem am Einsatz der Drohnen als Lastenträger. Das LARUS-Modell kann bereits ein 2,5 Kilogramm schweres Notfallset transportieren und mittels Fallschirm abwerfen. So können Hilfsbedürftige beispielsweise mit Schlafsack, Nahrung und Verbandszeug versorgt werden, bis ein Bodenteam zu ihnen vorstoßen kann. Als Beispiel nennt BRK-Projektleitung Uwe Kippnich die Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal: Hier hätten Technisches Hilfswerk (THW) und Rotes Kreuz eine solche Technik gut gebrauchen können.
Drohne LARUS-PRO: Sechs Stunden Flugzeit
Damit die LARUS-Drohnen auch in Extremsituationen reibungslos funktionieren, werden die unbemannten Flugsysteme von der Hanseatic Aviation Solutions in Kooperation mit der TU Dortmund und der RWTH Aachen technisch optimiert. Das 25 Kilogramm schwere Fluggerät mit einer Spannweite von 3,60 Metern verfügt über einen Verbrennungsmotor, der es der Drohne erlaubt rund sechs Stunden bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h in der Luft zu bleiben. Die allwettertaugliche Ausstattung sorgt für Einsatzfähigkeit auch bei schweren Wetterlagen.
Objekterkennung hilft bei der Vermisstensuche
Bei der Vermisstensuche hilft vor allem die hochauflösende Bildübertragung sowie die integrierte Objekterkennung. Eine rotgekleidete Puppe symbolisierte bei der Übung den verletzten oder bewusstlosen Vermissten. Nach rund einer Viertelstunde hatte die Drohne den winzigen Körper bereits im Gras entdeckt.
Von einer mobilen Bodenkontrollstation aus wurden die Bilder überwacht und die Daten an die Hundestaffel durchgegeben. Nachdem die Suche auf ein enges Terrain eingegrenzt war, hat Rettungshund Hailey den Körper dann schnell aufgespürt und die Übung so zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.
Implementierung in Einsatzabläufe als Herausforderung
Die komplexe Drohnentechnik auf die Bedarfe der praktischen Rettungsarbeit zuzuschneiden, sei eine der größten Herausforderungen des Projektes, so BRK-Projektleitung Uwe Kippnich, bei der Übung habe es aber gut geklappt. Damit die Praxistauglichkeit der Flugsysteme sichergestellt ist, wurden die potenziellen Anwender von Projektbeginn an mit einbezogen.
Auch am Donnerstag waren Vertreter von BRK, DGzRS (Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) und THW vor Ort, um gemeinsam Schwachstellen zu entdecken. So sieht Drohnenpilot Michael Schmidt (Hanseatic Aviation Solutions GmbH) noch Verbesserungsbedarf in der technischen Übertragung der Videodaten. Auch eine automatisierte Weitergabe von Koordinaten an die Hundestaffel müsse noch entwickelt werden.
Bad Neustadt mögliche Drohnenbasis ab 2023
Das Projekt LARUS-PRO wird staatlich durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert, die Laufzeit beträgt zwei Jahre. Mit einer Gesamtzuwendung von 3,4 Millionen Euro sollen sowohl Technik als auch praktische Einbindung noch bis 2023 verbessert werden. Schon im Sommer kommenden Jahres könnten das LARUS-Flugsystem dann an ausgewählten Standorten stehen. Auch Bad Neustadt kommt als potenzielle Drohnenbasis infrage, die vom Bayerischen Roten Kreuz koordiniert wird. Ausschlaggebend für die Standortwahl ist, dass die Drohne nicht nur direkt starten, sondern auch möglichst schnell zu potenziellen Einsatzorten transportiert werden kann.
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