Die ehemalige NS-Kongresshalle in Nürnberg. Monumental. Der U-förmige Torso, außen mit Granitplatten verkleidet, misst 240 mal 200 Meter. Hitler wollte hier vor 50.000 Menschen seine Reden halten. Doch dazu kam es nicht. Das monströse Gebäude wurde nie fertiggestellt. Bis auf einen kleinen Teil, der heute als Dokumentationszentrum genutzt wird, steht das Gemäuer leer.
Nürnberger Oper soll ausgelagert werden
Doch das soll sich bald ändern. Die Nürnberger Oper, selbst wegen Brandschutzmängeln ein Sanierungsfall, braucht ein Ausweichquartier für acht bis zehn Jahre. Künstler, Technik und Verwaltung sollen in die ehemalige Kongresshalle umziehen – wenn es nach den Plänen von Nürnbergs Kulturbürgermeisterin Julia Lehner geht: "Das sollte in den Bestand der Kongresshalle, also in dem Art Rundbau untergebracht werden. Und dann brauchen wir einen reinen Aufführungsort, der eben Bühne, Orchestergraben, Zuschauerraum hat. Der müsste als Leichtbau oder wie auch immer umgesetzt werden, der auf Zeit an irgendeiner Seite dieser Kongresshalle steht."
Die Oper: ausgerechnet in der ehemaligen NS-Kongresshalle? In Nürnberg wurden 1935 die Rassengesetze verkündet, die den Weg zur Vernichtung der Juden bereiteten. Ebenfalls in Nürnberg fanden die Parteitage der NSDAP statt. Ein schwieriges Erbe, das verpflichtet.
Von Planungen überrascht
Jo-Achim Hamburger von der Israelitischen Kultusgemeinde in Nürnberg sitzt im "Kuratorium Reichsparteitagsgelände", einem Gremium aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, das sich um die Belange des Geländes kümmert. Er beklagt im BR-Politikmagazin Kontrovers, von den Opern-Plänen in der Kongresshalle überrascht worden zu sein: "Nicht einer dieser Mitglieder des Kuratoriums wurde bis jetzt zu seiner Meinung befragt. Und das geht nicht. Das ist respektlos, finde ich. Und außerdem glaube ich, dass es jetzt um die Zeit geht. Im Dezember soll die Entscheidung gefällt werden, und das ist einfach zu kurz."
Doch erst jetzt setzt eine Diskussion darüber ein, ob man die Oper in der NS-Kongresshalle unterbringen kann. Der Nazi-Bau hängt der Stadt wie ein Klotz am Bein. Seit Jahrzehnten sucht man nach einer Nutzung. Einmal sollte das Gebäude Einkaufszentrum werden, einmal Fußballstadion, jetzt also Oper.
Oper könnte von Monstrosität des Nazi-Symbols ablenken
Vor mehr als 20 Jahren wurde das NS-Dokumentationszentrum in einem Teil des Torsos eröffnet. Seitdem sind Millionen Besucher aus aller Welt gekommen. Hans-Christian Täubrich hat das Dokuzentrum damals mit aufgebaut. Er ist der Ansicht, dass Opernvorstellungen und Sektempfänge auf diesem Gelände fehl am Platz sind.
"Das würde einfach ablenken von dem Hauptaugenmerk, der nun einmal dieser Monstrosität gilt. Und weil diese Monstrosität einfach auch ein Synonym ist für all das Monströse, was in der NS-Herrschaft im deutschen Namen passiert ist." Hans-Christian Täubrich, Historiker
Chancen für Auseinandersetzung mit der Geschichte
Doch ein Opernbetrieb an der Kongresshalle bietet auch Chancen. Zum Beispiel für eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Oder für Gäste, die sonst den Weg nicht zum ehemaligen Reichsparteitagsgelände finden würden.
Christine Kayser sitzt für die SPD im Nürnberger Stadtrat. Im Gespräch mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers kann sie sich durchaus vorstellen, dass die Oper an der Kongresshalle eine Interimsbleibe findet. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass hier die Kunstschaffenden einen Kontrapunkt zur NS-Ideologie setzen und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit suchen. Und die Bühne darf ihrer Meinung nach keinesfalls in den Innenhof der Kongresshalle.
"In diesen Innenhof kann man deutlich erkennen, wie Hannah Arendt sagt, die Banalität des Bösen. Und das finde ich ein wichtiges Bild, was man auch erklären muss. Und man kann hier auch sehen, dass der Nationalsozialismus mit einer Scheinfassade mit einer Scheingröße angetreten ist und gescheitert ist." Christine Kayser, SPD-Stadträtin Nürnberg
Die Zeit drängt. Die Diskussion über die Zwischennutzung dieses belasteten Erbes hat gerade erst begonnen.
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