"Jeder kann zum Mörder werden" - das war das Credo des ehemaligen Chefs der Münchner Mordkommission Josef Wilfling. Die Grausamkeit mancher Täter sei nur durch Distanz zu ertragen, bilanzierte Wilfling im Ruhestand: "Die schrecklichsten Morde kommen im ganz normalen Leben vor." 90 Prozent aller Mörder - meistens waren es Männer - hätten keine prekäre Kindheit gehabt, keine Gewalterfahrungen gemacht und bis zu ihrer Tat ein völlig unbescholtenes Leben geführt, resümierte der Kriminalist nach mehr als vier Jahrzehnten Dienst. Das führe ihn zu dem Schluss, dass jeder zum Mörder werden kann.
Der frühere Münchner Chef-Ermittler Josef Wilfling ist am Dienstagfrüh in einer Klinik an den Folgen einer schweren Krankheit gestorben. Er wurde 75 Jahre alt.
Ermittler in den Mordfällen Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer
Mit Wilflings Namen verbindet sich die Aufklärung zahlreicher Kapitalverbrechen in der bayerischen Landeshauptstadt. So konnte er unter anderem den Mord an Volksschauspieler Walter Sedlmayr 1991 nach fast einjährigen Ermittlungen aufklären - es war der spektakulärste Mordfall der Nachkriegsgeschichte, wie Wilfling selbst sagte. Die Überführung des Mörders von Modemacher Rudolph Moshammer gelang ihm im Jahre 2005 schon einen Tag nach der Tat.
42 Jahre Polizeidienst
In den Polizeidienst getreten war der gebürtige Oberfranke im Jahr 1966 zunächst als einfacher Streifenpolizist. Pensioniert wurde er 42 Jahre später als Kriminaloberrat. Unzählige Fälle fielen in seine Dienstzeit, auch das falsche Mordgeständnis des Schauspielers Günther Kaufmann und die komplizierten Ermittlungen im NSU-Komplex, zu dem auch die beiden Münchner Morde an Habil Kılıç 2001 und Theodoros Boulgarides 2005 zählen.
Meister der polizeilichen Vernehmung
Auch nach seiner Pensionierung hielt sich Wilfling im öffentlichen Bewusstsein bekannt als Autor mehrerer Fachbücher, die zu Bestsellern avancierten. Darin beschrieb er anhand authentischer Fälle die Hintergründe und Motive zahlreicher Kapitalverbrechen.
Auch an Fernsehdokumentationen wirkte er mit. Geduldig erklärte er das Zusammenspiel aus "Sachbeweisen" und "Personenbeweisen", sprich: Vernehmungen, als deren Meister Wilfling galt. In vielen Gesprächen gelang es ihm, sein Gegenüber zu öffnen.
Brutale Bilder im Kopf und Zweifel an Gott
Es sei schwer, mit den Bildern der Tatorte im Kopf umzugehen. Aber ihm helfe es, viel darüber zu reden, erklärte Wilfling vor zehn Jahren in einem Interview mit dem Sender Phoenix. Der Beruf habe ihn verändert und realistischer gemacht, fasste Wilfling die Erfahrungen am Ende seiner Karriere zusammen. So musste er auch einen Polizeibeamten als Mörder überführen und klärte auch Morde an Kindern auf.
"Die Zweifel, ob es einen Gott gibt oder nicht, sind bei mir immer stärker geworden im Lauf der Jahre, weil ich mich doch immer wieder gefragt habe, wenn es einen barmherzigen Gott gibt, warum lässt er so etwas zu? Und darauf habe ich noch keine Antwort gefunden. Aber wenn ich ihm begegne, dann frage ich ihn mal." Josef Wilfling 2012 in der Phoenix-Sendung 'Im Dialog'
Jetzt könnte es so weit sein.
Er hoffe, sagte Wilfling in diesem Interview, dass es eine ausgleichende Gerechtigkeit gebe - und dann zum Interviewer gewandt: "Wenn es die gibt, soll die genau so aussehen, wie sie die Menschen erdacht haben: Eine Hölle für die ganz Bösen, ein Fegefeuer für die weniger Schlimmen und ein Paradies für solche wie Sie und mich."
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