Das Eingangsschild zur ehemaligen Niederlassung der "Zwölf Stämme" in Klosterzimmern. Heute ist die Anlage verlassen. Archivbild
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Eingang der ehemaligen Niederlassung der "Zwölf Stämme" in Klosterzimmern (Archivbild).

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Ein Jahr nach Verschwinden: Keine Spur von 12-Stämme-Mädchen

Seit einem Jahr ist eine inzwischen Zwölfjährige verschwunden. Die Behörden gehen davon aus, dass sie bei ihren leiblichen Eltern und damit bei der umstrittenen Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" ist. Gefunden hat man sie bisher allerdings nicht.

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Schon seit Mitte Oktober 2021 fehlt von einem Mädchen aus dem Landkreis Dillingen jede Spur. Die Suche nach ihr gehe weiter, beteuert ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Gegen die Eltern liege außerdem ein internationaler Haftbefehl vor, wegen des Verdachts auf Kindesentziehung. Aber gefunden hat man die inzwischen Zwölfjährige und ihre Familie bislang nicht.

Mädchen aus Holzheim verschwindet

Am Nachmittag des 16. Oktober 2021 war sie nach dem Joggen nicht mehr zu ihrer Pflegefamilie im Holzheimer Ortsteil Eppisburg zurückgekehrt. Eine großangelegte Suchaktion blieb erfolglos. Dann meldeten sich Angehörige der Glaubensgemeinschaft per E-Mail bei den Pflegeeltern: Das Mädchen sei bei seinen Eltern, es gehe ihm gut.

Familie vermutlich bei "Zwölf Stämme" in Tschechien

Zunächst ging man davon aus, dass die Familie in einer der beiden Niederlassungen der "Zwölf Stämme" in Tschechien untergekommen sei. Dorthin waren die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft gezogen, die 2017 das Gut Klosterzimmern bei Nördlingen - und damit Deutschland - verlassen hatten.

In Tschechien können sie freier nach ihren Glaubensvorstellungen leben: Ihre restriktiven Erziehungsmethoden, unter anderem mit Schlägen, sowie der Unterricht zuhause durch eigene Lehrer sind in Deutschland verboten. Aus diesem Grund wurde den Eltern aus Klosterzimmern und Wörnitz im Landkreis Ansbach im Jahr 2013 auch das Sorgerecht für ihre rund 40 minderjährigen Kinder entzogen. Eines dieser Kinder ist die Zwölfjährige aus Eppisburg.

Dillinger Jugendamt weiter für Mädchen zuständig

Das Dillinger Jugendamt hat nach ihrem Verschwinden einen Rückführungsantrag nach dem Haager Kinderschutzabkommen gestellt. Das betreffende tschechische Gericht lehnte den Antrag aber ab, man habe das Kind nicht in seinem Zuständigkeitsbereich finden können. Ob sich die Familie noch dort aufhält, ist nicht sicher.

Die "Zwölf Stämme" haben Niederlassungen in Spanien, Frankreich oder auch den USA. Nichtsdestotrotz ist das Dillinger Jugendamt rein rechtlich weiter zuständig für das Mädchen. Die Eltern hatten zwar beantragt, ihnen das Sorgerecht wieder zu erteilen, waren aber zum Gerichtstermin am Amtsgericht Dillingen im Januar nicht erschienen. Auch Versuche des Dillinger Jugendamts, auf andere Weise Kontakt mit ihnen aufzunehmen, scheiterten.

Anwalt: "Schlussstrich ziehen" - Familie lebt immer in Angst

Deshalb sucht die Polizei weiter nach der Familie. Neue Erkenntnisse aber gebe es keine, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Der Anwalt der Familie, Michael Kremnitz aus Nördlingen, würde befürworten, endlich einen Strich unter die Sache zu ziehen: Die Familie lebe so ständig in Angst. Dem Mädchen gehe es seinem Vernehmen nach gut, ja sogar "blendend", sie sei glücklich, bei ihrer Familie zu leben.

Der Pflegevater des Mädchens hatte nach seinem Verschwinden bestätigt, dass das Kind seine Eltern und seine Geschwister sehr liebe und nach Treffen mit ihnen häufig geweint habe. Rein rechtlich aber muss das Kind zurück, zumindest um die Sorgerechtsfrage endgültig zu klären. Insgesamt sind derzeit laut dem Donau-Rieser Landratsamt außerdem noch vier Kinder der "Zwölf Stämme" in Obhut der Jugendämter.

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