Birgit Imhof läuft in ihrer neongelben Jacke einen 100 Meter langen Gang entlang, quer durch den Hauptdamm des Ellertshäuser Sees im Landkreis Schweinfurt. Am Grundablass angekommen, dreht die Leiterin des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen mit beiden Händen an einem großen Metall-Rad und schließt damit den entscheidenden Schieber.
Der "Stöpsel" ist wieder drin, der größte See Unterfrankens läuft wieder mit Wasser voll. Eigentlich war das schon im Herbst geplant, doch die Arbeiten haben sich verzögert. Bis der Stausee bei Stadtlauringen wieder seinen Normalpegel erreicht hat, wird es etwa ein Jahr dauern. Fische und Muscheln kommen schon früher wieder zurück in den See.
Badegäste können im Sommer 2024 wieder im See schwimmen
Birgit Imhof erwartet, dass bereits nach einer Woche das Becken zwischen dem Hauptdamm und der neugebauten Grundsperre vollläuft und damit der Damm der neuen Grundsperre überflutet wird. Nur zwei Tage nach dem Schließen des "Stöpsels" war das Becken wieder fast voll.
Zum Start der Badesaison im Mai oder Juni 2024 wird der Wasserspiegel nach Einschätzung von Imhof vermutlich gut einen Meter unter dem Normalpegel des Stausees liegen. Schwimmerinnen und Schwimmer müssen dann noch fünf bis zehn Meter vom normalen Uferbereich zum Wasser laufen. Segelsport-Begeisterte werden voraussichtlich mit kleinen Jollen wieder aufs Wasser gehen können. Für größere Jachten mit festen Kielen wird der Wasserstand am Hebekran vermutlich noch nicht reichen.
Letzter vollständiger Ablass vor 40 Jahren
Mitte Oktober 2021 war mit dem Wasserablass begonnen worden. Es war bereits das zweite Mal, dass der See komplett abgelassen werden musste, weil unter anderem Bakterien Rohrleitungen am Wasserablassschieber im Hauptdamm angegriffen hatten.
Nach der ersten "Ebbe" im Ellertshäuser See in den 1980er-Jahren dauerte es nach viel Niederschlag rund eineinhalb Jahre, bis der See mit einem Volumen von knapp zwei Millionen Kubikmetern wieder komplett vollgelaufen war.
Fische und Muscheln kommen zurück in den See
Vor dem Wasserablass vor gut zwei Jahren haben Fachleute rund acht Tonnen Fische aus dem Ellertshäuser See abgefischt. Bereits im Herbst 2023 hat der unterfränkische Fischereiverband ein paar wenige Hechte und Weißfische in den See eingesetzt. Aktuell sind noch knapp zwei Tonnen Zander, Barsche, Hechte und Weißfische in einem Vorsee "geparkt". Zwischen Februar und April 2024 sollen sie wieder in den Hauptsee umziehen.
Im Herbst 2021 haben Helferinnen und Helfer außerdem rund 60.000 streng geschützte "Große Teichmuscheln" per Hand gesammelt und in den Vorsee gebracht. Auch diese Teichmuscheln sollen wieder in den Hauptsee kommen. Sie sind laut Birgit Imhof wichtig für die natürliche Wasserfilterung.
Das Ökosystem des Ellertshäuser Sees wird sich nach Einschätzung der Leiterin des Wasserwirtschaftsamts sehr schnell regenerieren. Köcherlarven oder Libellenlarven haben sich demnach bereits wieder über den natürlichen Zulauf, den Sauerquellenbach, angesiedelt. Über den Bach werden neben Nährstoffen auch Mikroorganismen in den See transportiert. Genauso seien in Uferbereichen Schilf und Röhrich bereits nachgewachsen.
Neuer Damm: See muss nicht mehr ganz abgelassen werden
Während das Wasser abgelassen war, wurde ein neuer Damm gebaut. Er soll dafür sorgen, dass bei künftigen Bauarbeiten nicht mehr der gesamte Stausee abgelassen werden muss. Durch den neuen Damm müsste der Wasserspiegel dann nur noch sieben Meter tief sinken, anstatt der kompletten 15 Meter bis zum Grund. Damit müsste der See auch nicht mehr abgefischt werden und das Ökosystem am Seegrund würde erhalten bleiben. Der zusätzliche Damm soll – wenn der See voller Wasser ist – nicht zu sehen sein. Seine Dammkrone wird unter der Wasseroberfläche liegen.
Bislang hat das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen rund 4,8 Millionen Euro verbaut. Bis alle Baumaßnahmen abgeschlossen sind, werden die Neubau- und Sanierungsmaßnahmen am Ellertshäuser See nach Schätzung von Birgit Imhof rund 7,5 Millionen Euro kosten.
Als Wasserspeicher für die Landwirtschaft gebaut
Der Ellertshäuser See wurde zwischen 1955 und 1960 vom "Wasser- und Bodenverband im ehemaligen Landkreis Hofheim" gebaut. 1970 hat ihn der Freistaat Bayern erworben. Der See ist rund 1.900 Meter lang und hat eine Fläche von 33 Hektar. Der Stausee wurde ursprünglich gebaut, um in der niederschlagsarmen Region die Landwirtschaft mit Wasser versorgen zu können. Dafür musste das Wasser jedoch in der Geschichte des Stausees kaum genutzt werden.
Heute ist der Ellertshäuser See ein beliebtes Naherholungsgebiet für Menschen, die gerne schwimmen, segeln oder Standup-Paddle-Board fahren. Der Ellertshäuser See ist der zweitälteste angelegte Stausee in Bayern. Der Freistaat unterhält insgesamt 20 Stauseen in Bayern.
Dieser Artikel ist erstmals am 13.12.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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13.12.2023: Leider dauert das Software-Update länger als geplant. Wir bitten die Verzögerung zu entschuldigen - wir informieren an dieser Stelle, sobald wir genauer wissen, wann wir den Kommentarbereich wieder öffnen können.
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