Mit der Kette um den Hals stehen die 50 Milchkühe von Joseph Mautner im Stall, so wie Generationen vor ihnen. Noch ist die Anbindehaltung in vielen Regionen üblich, wie hier im niederbayerischen Hauzenberg. 13.000 von 25.000 Milchviehbetrieben in Bayern haben noch Anbindehaltung. In ganz Deutschland sind es 21.000 Milchviehbetriebe. Doch wahrscheinlich dürfen Kühe in einigen Jahren nicht mehr ganzjährig angebunden sein.
- Zum Artikel: Verbot der Anbindehaltung: Welche Milchbauern müssen zusperren?
Landwirt Mautner: Sein Stall soll ein Laufstall werden
Joseph Mautner ist 23 Jahre alt und gerade mit seinem Landwirtschaftsstudium fertig. Er will mit der Milchviehhaltung auf jeden Fall weitermachen und den Betrieb seines Vaters übernehmen. Mit Blick auf das bevorstehende Verbot der Anbindehaltung plant er, den Stall zu einem Laufstall umzubauen.
Derzeit hat Mautner 65 Tiere in seinem Stall: 52 Milchkühe plus die Nachzucht und männliche Kälber, die er weiterverkauft. Ein Laufstall braucht allerdings einen teils überdachten Außenbereich und innen mehr Platz pro Tier. Für Höfe wie seinen, mitten im Dorf, besteht also die Frage: Wohin vergrößern? Alternativ müsste Joseph Mautner die Zahl seiner Milchkühe und der Nachzucht reduzieren. Dann allerdings ist fraglich, ob der Betrieb rentabel weitergeführt werden kann.
Neue Ställe auf der grünen Wiese - oder alte Ställe umbauen?
Fast alle betroffenen Landwirte entschließen sich für einen Neubau auf der grünen Wiese. Das bedeutet: eine Investition von mehr als einer halben Million Euro. Das lohnt sich vor allem dann, wenn der Tierbestand vergrößert wird. Die Folge für den Landwirt: Verantwortung für mehr Tiere und eine weitere Bodenversiegelung. Doch auch den bestehenden Stall umzubauen ist möglich.
Hans Mautner ist der Onkel von Landwirt Joseph Mautner - und er ist Stallbauberater. Er rät seinem Neffen zum Umbau des alten Stalls. Die Struktur des Gebäudes sei gut und die Kosten wären geschätzt rund 50 Prozent niedriger als bei einem Neubau.
Umbau kostet oft mehrere Hunderttausend Euro
Doch ein Umbau des alten Stalls zu einem Laufstall für mehr Tierwohl kostet natürlich Geld. Johannes Eisenschmied aus dem oberbayerischen Weilheim-Unterhausen hat vor zwei Jahren den Anbindestall seiner Eltern umgebaut. Rund 300.000 Euro habe ihn das gekostet, erzählt er. Er musste den Futtertisch herausreißen und Stützen versetzen, um den Tieren adäquate Liegeflächen anbieten zu können. Außerdem hat er in Technik investiert: in ein automatisches Futterband und einen gebrauchten Melkroboter. Zusätzlich wurde der Stall um eine Lauffläche im Freien mit Unterstand erweitert.
Mit seinem neuen Futterband erspart sich der 27-jährige Kfz-Mechatroniker und Milchviehhalter im Nebenerwerb mindestens zwei Stunden Stallarbeit täglich, sagt er: "Die Arbeit im Anbindestall war anstrengend. Man muss alles zur Kuh hintragen, man muss zum Melken hin, im Sommer, im Winter. Es ist eine schwierige Arbeit." Seine Kühe seien jetzt weniger gestresst und für ihn sei es komfortabler, wenn die Tiere selbstständig zum Melken gehen.
Mehr Tierwohl, höherer Milchpreis für Bauer Eisenschmied
Für Johannes Eisenschmied hat sich der Umbau des Altstalls gelohnt. Der sei wirtschaftlich aber auch nötig gewesen, da die Investition ins Tierwohl gesellschaftlich eingefordert wird, was Landwirte wie er über die Milchpreise der Molkereien zu spüren bekommen: "Die Molkerei hat gesagt, es gibt für den Liter Milch fünf Cent weniger für die Anbindehaltung. Da habe ich gesagt, das mache ich so nicht weiter - für die gleiche Arbeit weniger Geld zu kriegen. Also mussten wir halt was machen."
Bis zu 40 Prozent des Umbaus werden gefördert
In Bayern werden Betriebe, die in Stallumbauten investieren wollen, im Rahmen des Agrarinvestitionsförderprogrammes (AFP) unterstützt, wenn sie zum ersten Mal von Anbinde- zur Laufstallhaltung umstellen. Bis zu 40 Prozent des zuwendungsfähigen Nettoinvestitionsvolumens von 1,2 Millionen Euro können gefördert werden. Das Programm finanzieren die Europäische Union, der Bund und das Land Bayern. Kleinere Vorhaben werden vom Bayerischen Sonderprogramm Landwirtschaft (BaySL) ebenfalls mit bis zu 40 Prozent gefördert. Zwischen 2020 und 2022 haben knapp 500 Betriebe eine Förderung beantragt.
Bauernverband: Trotz Förderung werden viele Betriebe aufhören
Viele kleinere und mittlere Betriebe schrecken trotz Förderung vor den hohen Investitionen zurück. Vor allem dann, wenn sie keinen Nachfolger haben. Wenn das Anbindeverbot kommt, rechnen Experten damit, dass rund die Hälfte der betroffenen Betriebe in Bayern aufhört. Noch düsterer sind die Prognosen von Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands und Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands. Wegen der Anforderungen im Haltungssystem, den Umweltauflagen, der enormen Investitionskosten und der unsicheren Zukunft der Nutztierhaltung befürchtet er, dass nur ein kleiner Teil der Betriebe den Umbau wagt.
Bauernverband hält Verbot für überflüssig
Von einem Anbindeverbot, wie es von den Regierungsparteien angestrebt wird, hält Felßner nichts. Auch wenn im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, diese Form der Tierhaltung spätestens in zehn Jahren beenden zu wollen, sei ein konkretes Ausstiegsdatum unnötig und kontraproduktiv. "Sie setzt Tausenden Bauernfamilien mit kleinen Höfen die Pistole auf die Brust", so Felßner. Dabei werde die ganzjährige Anbindehaltung durch den Generationswechsel auf den Höfen ohnehin peu a peu von selbst verschwinden. Allein im Zeitraum von 2016 bis 2020 habe in Bayern ein Drittel der Anbindehalter aufgehört.
Umbau statt Neubau als Alternative
Für Joseph Mautner aus Hauzenberg ist die Milchtierhaltung sein Traumberuf. Für ihn ist klar: Er will in mehr Tierwohl investieren und sich die Option offenhalten, später auch auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Dennoch hat auch er Sorgen, ob der Umbau zum Laufstall die richtige Entscheidung ist: "Wie ist die Planungssicherheit, wie geht es weiter? Ist das Verbot der Anbindehaltung ein Schritt von vielen weiteren Schritten, wie die Tierhaltung eingeschränkt wird - oder ist die Umbaulösung auf Laufstall, wie sie jetzt geplant ist, in zehn oder 20 Jahren für Milchkühe noch zulässig?" Trotz seiner Befürchtungen ist der Junglandwirt aber fest entschlossen, den Betrieb jetzt mit einem gut ausgetüftelten Plan umzubauen.
- Zur Podcast-Folge: Ernte gut, alles gut? Wer zahlt den Preis für mehr Tierwohl
Korrekturhinweis: In einer früheren Fassung des Artikels war das Alter von Joseph Mautner falsch angegeben, das haben wir korrigiert. Die Zeit-Einsparungen bei der Stallarbeit von Johannes Eisenschmied betragen mindestens zwei Stunden täglich, nicht wie zuvor geschrieben mindestens eine Stunde - auch das wurde korrigiert.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!