Die Ermittler haben nach der Messerattacke in Würzburg bisher kein Propagandamaterial beim Attentäter gefunden. "Bislang sind beim Tatverdächtigen noch keine Hinweise auf Propagandamaterial oder sonstige extremistische Inhalte gefunden worden", teilten Generalstaatsanwaltschaft München und Landeskriminalamt mit.
Die beiden Handys des Attentäters müssten noch ausgewertet werden und mit Hilfe von Islamwissenschaftlern bewertet werden. Die Mobiltelefone waren bei einer Durchsuchung in der Wohnung des Tatverdächtigen sichergestellt worden.
- Messerangriff in Würzburg – Was wir bisher wissen
Gutachten soll klären, ob Täter schuldfähig war
Das Ermittlungsverfahren dauere an. Im Zuge dessen soll es ein psychiatrisches Gutachten geben, um zu klären, ob der 24 Jahre alte Somalier bei der Tat am Freitag schuldfähig war und in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.
Islamistischer Hintergrund naheliegend
Die Suche nach dem Motiv geht damit weiter. Obwohl kein Propagandamaterial gefunden wurde, hält das LKA nun einen islamistischen Hintergrund nach eigenen Angaben für "naheliegend". Dafür sprächen derzeit die von zwei Tatzeugen wahrgenommenen Ausrufe "Allahu Akbar" ("Gott ist am größten") des tatverdächtigen Somaliers und ein Hinweis des Festgenommenen auf den "Dschihad" ("Heiliger Krieg") in einer Würzburger Klinik, wie das bayerische Landeskriminalamt (LKA) mitteilte. Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München habe daher die Ermittlungen übernommen.
Pflichtverteidiger: Motiv nicht vorschnell bewerten
Hans–Jochen Schrepfer, der Pflichtverteidiger des Tatverdächtigen, wehrt sich gegen diese Bewertung. Er hält dagegen, dass ein "Allahu Akbar"-Ruf in seinen Augen für die Einordnung der Tat als islamistisch nicht ausreichen würde. Die Äußerung zum persönlichen Dschihad, die am Krankenbett gefallen sein soll, sei ihm persönlich gänzlich unbekannt, sagt er auf Nachfrage von BR24. Als er selbst für mehrere Stunden in der Klinik war, sei vom Dschihad nicht die Rede gewesen. Ihn erstaune, dass er solche Details aus Pressemeldungen erfahre. Während der Haftvorführung seien sie nicht erwähnt worden, so Schrepfer weiter. Er warte weiterhin auf die Ermittlungsakte.
Söder äußert sich zum Ermittlungsstand
"Alles wird geklärt und alles kommt auf den Tisch", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum Ermittlungsstand im Würzburger Messerangriff. Im Rahmen der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung sagte Söder, dass mögliche islamistische Motive für die Tat benannt und konsequent eingeordnet werden würden. "Es gibt Hinweise, aber die Dimension und der Zusammenhang müssen noch geklärt werden.", so Söder. Der Messerangriff sei in der Kabinettssitzung auch kurz Thema gewesen.
Drei Tote und mehrere Verletzte
Der Migrant hatte in der Würzburger Innenstadt auf Menschen eingestochen, die er wohl gar nicht kannte. Drei Frauen starben, sieben Menschen wurden verletzt, darunter ein elfjähriges Mädchen. Inzwischen befindet sich von den Verletzten niemand mehr in Lebensgefahr.
Der 24-Jährige wurde mit einem Polizeischuss gestoppt. Er sitzt in Untersuchungshaft. Ermittelt wird wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung sowie vorsätzlicher Körperverletzung.
Frühere Ermittlungen gegen Tatverdächtigen eingestellt
Schon als der Tatverdächtige von 2015 bis 2019 in Sachsen lebte, soll er in Chemnitz ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten sein. Wegen gefährlicher Körperverletzung sei gegen ihn ermittelt worden, berichtet ein Sprecher des Landeskriminalamtes Sachsen. Es habe eine körperliche Auseinandersetzung in einer Asylunterkunft gegeben. Die Ermittlungen seien eingestellt worden, da die Betroffenen den Tathergang unterschiedlich dargestellt hätten.
Ermittlungen nach Verdacht auf Straftaten im Heimatland
Außerdem gab es noch ein weiteres, ebenfalls eingestelltes Ermittlungsverfahren: Ein Zeuge berichtete im Januar 2021, er habe bereits 2015 ein Telefonat des Beschuldigten aus einem benachbarten Zimmer mitgehört: Der jetzt Tatverdächtige habe erzählt, dass er in Somalia in den Jahren 2008/2009 für die Terrororganisation al Shabaab Zivilisten, Journalisten und Polizisten getötet habe. Für den Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland ist der Generalbundesanwalt zuständig. Er sah mangels konkreter Tatsachen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten ab. Zumal der Verdächtige zum angeblichen Tatzeitpunkt 11 bzw. 12 Jahre alt war – und damit ein strafunmündiges Kind. Da auch kein Anfangsverdacht für weitere Staatsschutzdelikte vorlag, leitete die ZET ebenfalls kein Ermittlungsverfahren ein.
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