Die alte und neue Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Plenum
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Landtag hebt Halembas Immunität auf - Aigner wiedergewählt

Landtag hebt Halembas Immunität auf - Aigner wiedergewählt

Der neue Bayerische Landtag hat in seiner ersten Sitzung die Immunität des AfD-Abgeordneten Halemba aufgehoben. Die bisherige und neue Landtagspräsidentin Aigner warf der AfD-Fraktionsspitze einen "Angriff auf Institutionen unserer Demokratie" vor.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Eigentlich hätte Daniel Halemba als jüngster Abgeordneter des neuen Bayerischen Landtags bei der konstituierenden Sitzung als vorläufiger Schriftführer am Präsidiumstisch sitzen sollen. Doch der 22 Jahre alte AfD-Politiker wurde am Montagmorgen verhaftet. Am Ende der Plenarsitzung hob der Landtag mit großer Mehrheit auf Antrag der Staatsanwaltschaft Würzburg die Immunität eines Abgeordneten auf, dessen Name zwar nicht öffentlich genannt wurde - bei dem es sich aber um den AfD-Politiker handelt.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen Halemba wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Ein Ermittlungsrichter setzte am Abend den Haftbefehl gegen den 22-Jährigen wieder außer Vollzug, weil er keine Flucht- und Verdunklungsgefahr sah. Es gibt aber Auflagen: Halemba müsse sich unter anderem einmal wöchentlich an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden, sagte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Zudem sei ihm der Kontakt zu Mitgliedern der "Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg" untersagt.

Für die Aufhebung seiner Immunität stimmten die Fraktionen von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD. Die AfD enthielt sich. Damit ist juristisch zweifelsfrei geklärt, dass die Ermittlungen gegen den 22-Jährigen weitergehen können. Der Wirbel um Halemba überschattete die erste Landtagssitzung der neuen Legislaturperiode.

Aigner: Angriff auf Institutionen unserer Demokratie

Die alte und neue bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kritisierte den Umgang der AfD mit der Causa Daniel Halemba als "etwas nie Dagewesenes". Sie warf der AfD-Fraktionsspitze einen "gezielten Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie" vor.

AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner hatte zuvor von einem "politisch motivierten Haftbefehl" und von "staatlicher Repression" gesprochen. Mit einem "herbeikonstruierten Haftgrund" werde "unter fadenscheinigen Gründen" erheblich in die Rechte der Opposition eingegriffen. Sie forderte die Landtagspräsidentin auf, die Teilnahme Halembas an der Plenarsitzung zu ermöglichen.

"Es sind Verschwörungsmythen"

Aigner stellte vor den Abgeordneten klar: "Weder das Parlament noch ich als Landtagspräsidentin können Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Justiz." Das sei eine der Grundfesten der Demokratie.

Über die Aussagen der AfD-Fraktionsspitze an die Adresse der Ermittler zeigte sie sich besorgt. "Erst waren es die Medien, dann der Verfassungsschutz, und jetzt die Justiz. Was kommt denn als nächstes?" Sie erkenne eine "Täter-Opfer-Umkehr" als Muster, mit völkischen Unterton und dem Ziel, die demokratischen Institutionen zu zerstören. Dem müsse etwas entgegengesetzt werden. "Es sind Verschwörungsmythen!"

Aigner mit großer Mehrheit im Amt bestätigt

Zuvor hatte der neue Bayerische Landtag Aigner mit großer Mehrheit an seine Spitze gewählt. Die CSU-Politikerin erhielt 164 von 200 abgegebenen Stimmen. Acht Parlamentarier stimmten mit Nein, 27 enthielten sich, eine Stimme war ungültig. Landtagsvizepräsidenten sind künftig Tobias Reiß (CSU), Alexander Hold (Freie Wähler), Ludwig Hartmann (Grüne) und Markus Rinderspacher (SPD). Der Kandidat der AfD auf einen der Vize-Präsidentenposten, Matthias Vogler, bekam keine Mehrheit. In der vorigen Legislaturperiode scheiterte die AfD über die Jahre neunmal mit ihrem Versuch, einen ihrer Abgeordneten vom Plenum wählen zu lassen.

Aigner versprach, eine Präsidentin für alle Fraktionen und für jeden Abgeordneten zu sein. Sie werde aber Haltung zeigen. In der vergangenen Legislaturperiode habe sich eine "bis dahin einzigartige Verrohung der politischen Kultur in Bayern" gezeigt. Sie werde eine Herabwürdigung des Landtags als Verfassungsorgan nicht hinnehmen. "Ich will unsere Demokratie schützen." Sie schlage den Fraktionen vor, bei Fehlverhalten im Landtag künftig auch "finanzielle Einbußen" zu ermöglichen. Zudem werbe sie für einen Demokratie-Kodex und plane einen "Demokratie-Spiegel für Bayern", um Gefahren zu erkennen.

Alle Abgeordneten rief Aigner auf, bei der "Rückkehr vom Festzelt und Marktplatz in den Plenarsaal" verbal abzurüsten. Es müsse um Lösungen für die Probleme im Land gehen, und "nicht um Stimmungsmache, Rauflust und Radau!"

Fall Halemba immer wieder Thema im Plenum

Auch in der Debatte über die Geschäftsordnung des neuen Landtags spielte die Causa Halemba immer wieder eine Rolle. Der AfD-Abgeordnete Christoph Maier beklagte, ein gewähltes Mitglied des Landtags werde davon abgehalten, sein Mandat auszuüben. Das sei ein "absoluter Skandal für die Demokratie in Bayern". Felix Locke von den Freien Wählern betonte: "Jemand, der verfassungsfeindliche Äußerungen macht, der gehört eingesperrt und nicht in dieses Parlament."

Von einem "neuen Tiefpunkt" sprach Simone Strohmayr von der SPD. Es sei der Gipfel der Unverschämtheit, dass die AfD die Justiz lächerlich mache und trotz Haftbefehl Halembas Teilnahme an der Sitzung verlange.

Redereihenfolge hängt künftig an aktueller Fraktionsstärke

Der Landtag stimmte in der Sitzung auch für eine Änderung der Geschäftsordnung, dabei ging es insbesondere um die Reihenfolge der Redner. Bislang war die Stärke der Fraktionen zu Beginn der Legislaturperiode für die gesamten fünf Jahre ausschlaggebend – selbst dann, wenn Mitglieder aus Fraktionen austraten und sich deren Kräfteverhältnisse änderten, hatte das keinen Einfluss auf die Reihenfolge. Im Laufe der vergangenen Legislatur traten zum Beispiel insgesamt sechs Mitglieder aus der AfD-Fraktion aus, die dadurch so schrumpfte, dass sie in ihrer Größe hinter die SPD-Fraktion zurückfiel - dennoch durfte die AfD Im Parlament stets vor den Sozialdemokraten reden.

Das ändert sich nun. In der neuen Geschäftsordnung heißt es: "Die Reihenfolge der Fraktionen bestimmt sich nach der aktuellen Zahl ihrer Mitglieder." Derzeit haben AfD und Grüne jeweils 32 Abgeordnete. Aufgrund des besseren Stimmenergebnisses bei der Landtagswahl, darf die AfD als stärkste Oppositionsfraktion zuerst sprechen. Sollten ihr in den nächsten fünf Jahren Mitglieder abhanden kommen, verliert sie dieses Privileg. Alle Fraktionen, auch die AfD, stimmten für die Änderung.

Alterspräsident warnt vor Populismus

Eröffnet hatte die Plenarsitzung der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach als Alterspräsident mit einem eindringlichen Appell für den Einsatz für Demokratie und gegen Populismus. "Wer Zwietracht zwischen den Menschen sät, wird ein gespaltenes Land ernten", sagte der 69-Jährige. Wer Falschbehauptungen aufstelle, werde Vertrauen verlieren. "Populismus trennt immer, er verbindet nie." In fünf Jahren könne viel verspielt werden, warnte Knoblach. Auch die Demokratie könne zerbrechen.

Der Grünen-Politiker rief dazu auf, "den Rechten das Stoppschild" zu zeigen. Mit Blick auf den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern betonte er, die "elegante" Präambel in dem Papier allein werde unsere Demokratie kaum schützen. "Dafür braucht es Grundsätze, die wir alle beherzigen sollten." So sei es "unanständig", andere demokratische Parteien zum Feind zu erklären. "Feindschaft gibt es unter Demokratinnen und Demokraten nicht." Außerdem gelte es mehr darüber zu reden, "was wir gewinnen können". Und: "Wer unsere Demokratie abschaffen will, dem müssen wir uns unablässig in den Weg stellen!"

AfD-Abgeordneter Halemba wäre Schriftführer gewesen

Knoblach ist der älteste Abgeordneter dieser Legislaturperiode und leitete daher die Plenarsitzung bis zur Wiederwahl der Präsidentin. Flankiert wurde er auf dem Präsidentenplatz von den beiden jüngsten anwesenden Abgeordneten: Franz Schmid (AfD) und Kristan von Waldenfels (CSU) als vorläufige Schriftführer. Von Waldenfels ersetzte somit den verhafteten Daniel Halemba.

Halemba gehört der umstrittenen Burschenschaft "Teutonia Prag" in Würzburg an, bei der es im September eine Razzia gegeben hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere Mitglieder.

  • Zum Artikel: Causa Halemba: Die wichtigsten Fragen und Antworten
  • Schon am Dienstagvormittag folgt die nächste Plenarsitzung: Dann soll Markus Söder (CSU) erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

    Mit Informationen von dpa.

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