08.10.2023, Bayern, Untermerzbach: Eine Wahlurne wird ausgeleert, die Auszählung der Stimmzettel beginnt.
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Vor der Landtagswahl in Bayern gab es keine konzertierte Aktion, bei der mehrfach zu Wahlbetrug aufgerufen wurde.

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#Faktenfuchs: Es gab keinen Wahlbetrugs-Aufruf "linker Youtuber"

Im Internet verbreitet sich die Behauptung, dass es eine konzertierte Anstiftung zum Wahlbetrug gegeben habe. Dafür gibt es keine Belege. Ein Videoschnipsel, der verbreitet wird, ist aus dem Kontext gerissen. Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Wahlarena am .

Dieser Text ist Teil eines Faktencheck-Tickers zur bayerischen Landtagswahl 2023. Den Artikel finden Sie hier.

In einem Youtube-Video, das einen Tag nach der Wahl erschien, wurden irreführende Behauptungen rund um die Landtagswahlen in Bayern und Hessen aufgestellt. Anders als behauptet, gibt es keine Belege für einen konzertierten Aufruf mehrerer Personen, Wahlzettel zu vernichten. Der als Beleg gezeigte Videoschnipsel ist aus dem Kontext gerissen.

  • Hier finden Sie alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel.

In dem Youtube-Video vom 8. Oktober mit mittlerweile mehr als 180.000 Aufrufen (Stand: 12.10.2023) zeigt der Kanalbetreiber ein anderes Video von der Livestreaming-Plattform Twitch.

Behauptung verbreitet sich über Youtube auf andere Plattformen

In diesem Twitch-Video sieht man einen deutschen Content Creator, der auf dieser Webseite Videos erstellt. Er sagt zum Beispiel: "Wenn ihr Wahlhelfer seid oder wenn ihr Stimmen auszählt oder anderweitig beteiligt seid, und ihr seht, dass AfD gewählt [unverständlich], verbrennt das einfach (...) Schmeißt die einfach weg. Scheiß auf Demokratie, Nazis müssen verhindert werden, mit allen Wegen und Möglichkeiten."

Der YouTuber wiederum kommentiert diese Aussagen damit, dass "die linke Gemeinschaft jetzt sogar offiziell zum Wahlbetrug aufgerufen" habe. Diese Behauptung steht auch im Titel seines Videos - und sie wurde von weiteren Usern aufgegriffen und verbreitet.

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Für die Behauptung, dass es eine konzertierte Anstiftung zum Wahlbetrug vor den Landtagswahlen gegeben habe, gibt es keine Belege.

Obwohl von mehreren Personen gesprochen wird, die angeblich zum Wahlbetrug aufgerufen hätten, beschäftigt sich der YouTuber nur mit dem einen Twitch-Video. Der #Faktenfuchs fragte ihn ob er Beispiele für weitere mögliche Aufrufe von anderen Personen habe. Die Anfrage blieb unbeantwortet.

Angegriffener User: Aussagen waren Satire

Ob die Aussage des Twitch-Users ernst gemeint war, entzieht sich einem Faktencheck. Er selbst bezeichnet die Aussagen als Satire im Rahmen der Kunstfreiheit und schreibt dem #Faktenfuchs auf Anfrage: "Ich bin satirisch politischer Kommentator und füttere Verschwörungsideologen gerne persifliert mit meinen humoristischen Inhalten."

Der Twitch-User schreibt dem #Faktenfuchs zu seinem Video: "Durch den Gesamtkontext, den ich nicht nur in der insgesamt 4 Stunden langen Übertragung, sondern auch mit meinen immer wieder humoristischen und persiflierten politischen Kommentierung gebe, berufe ich mich selbstverständlich auf die Kunstfreiheit."

Videoschnipsel wurde ohne einordnenden Kontext gezeigt

Der #Faktenfuchs erhielt das Video in der Komplettfassung. Dadurch wird deutlich, dass der YouTuber in seinem Video über den Twitch-User Kontext außen vor lässt, um seine eigene Behauptung zu stützen.

Diese Taktik des “Rosinenpickens” taucht bei der Verbreitung von Verschwörungserzählungen immer wieder auf. Es werden nur die Informationen präsentiert, die die eigene Beweisführung stützen, andere ausgeblendet. Betrachtet man das gesamte Video des Twitch-Users inklusive der entsprechenden Passage, so sieht man, dass dieser

  • in seinem Twitch-Video wiederum auf ein anderes Youtube-Video reagiert, in dem irreführende und bereits widerlegte Spekulationen zu möglichem Wahlbetrug verbreitet werden
  • sich im Video immer wieder - wie für solche Reaktions-Videos üblich - ironisch und humoristisch äußert
  • im Verlauf des Videos verschiedene Rollen annimmt, zum Beispiel die der Youtuber, die von Wahlbetrug sprechen

Es gibt keine Hinweise auf Wahlbetrug

Diese ironische oder satirische Haltung des Users wird häufig sichtbar. Zum Beispiel sagt er: “Ich bin Skeptiker, ich bin skeptischer, kritischer Denker, sogar meine Skeptik (sic) begutachte ich kritisch.” Damit nutzt er in übertriebener Weise Sprachfiguren, die auch in der sogenannten Querdenker- und Verschwörungstheoretiker-Szene verwendet werden.

Für Wahlbetrug bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen gibt es Stand jetzt keinerlei Belege oder Hinweise.

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