Ein Luftfiltergerät steht in einem Klassenzimmer.
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Wie viele Luftfiltergeräte stehen in bayerischen Klassenzimmern?

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Stehen wirklich in 70 Prozent der Klassenzimmer Luftfilter?

Kultusminister Piazolo hat mit einer Aussage für Aufregung gesorgt: 70 Prozent der Klassenräume in Bayern seien mit mobilen Luftreinigern ausgestattet, sagte er. BR24-User und Gewerkschaftsvertreter bezweifeln das. Der #Faktenfuchs hat nachgefragt.

Es ist die Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung am 17. Januar 2022: Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) teilt gegen Ende seines Statements mit, das Förderprogramm für die Anschaffung von mobilen Luftreinigern in Schulklassen werde verlängert. Das Programm sei in weiten Teilen Bayerns gut gelaufen: “Über 70 Prozent der Klassenräume in Bayern verfügen über einen mobilen Luftreiniger, der nach bayerischen Programmen entsprechend finanziert ist.”

  • Dieser Artikel stammt aus 2022. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.

Wie kommt der Minister auf die Zahl?

Eine Zahl, die vielerorts Verwunderung ausgelöst hat. Die bayerische Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Martina Borgendale, reagiert per Pressemitteilung: Sie könne sich das nicht vorstellen. Sie kenne viele Kolleginnen und Kollegen, "die weiterhin ohne technische Unterstützung in kalten Klassenzimmern unterrichten". Es wäre interessant, wie der Kultusminister auf diese Zahlen komme, fügt Borgendale hinzu.

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Auch BR24-User äußern sich kritisch. Eine Userin schreibt in einem Kommentar unter den Artikel: “Typisch für diesen Minister. (...) Behauptungen aufstellen ohne Belege. Ich habe kürzlich erst eine Statistik gesehen, nach der gerade einmal 10 % der Klassenzimmer in Bayern mit Luftfiltern ausgestattet sein sollen. Was stimmt denn nun?” Ein User schreibt: “70% Ausstattung mit Luftfilter? Sicher auch nur eine grobe Schätzung wie alles in dieser Zeit.”

Ausschlaggebend sind die bewilligten Anträge

Der #Faktenfuchs hat nachgefragt. Ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums teilt schriftlich mit: "In insgesamt drei Antragsrunden sind Stand jetzt rund 71 Millionen Euro für knapp 54.000 Klassenräume gebunden. Die Gesamtzahl der Klassen in Bayern beläuft sich auf rund 75.000. Somit sind allein über 70 % der Klassenräume über die Förderprogramme abgedeckt."

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Doch was genau heißt "gebunden"? Im Gespräch mit dem #Faktenfuchs erläutert der Sprecher, die Summe von rund 71 Millionen Euro stehe nicht mehr für weitere Anträge zur Verfügung, sei also für Luftfilter-Anschaffungen bewilligt. Die 70 Prozent ergäben sich aus den bewilligten Anträgen der Bezirksregierungen, die dem Ministerium gemeldet würden.

Bezirksregierungen melden Zahlen ans Ministerium

Die Antragstellung für das Förderprogramm laufe so ab: Die Schule melde den Wunsch nach einem Luftfilter dem Sachaufwandsträger, meistens der Kommune. Dieser leite den Antrag an die zuständige Bezirksregierung weiter, welche den Antrag prüfe. Entspricht er den Förderrichtlinien, werde der Antrag bewilligt. Diese Bewilligung werde sowohl dem Sachaufwandsträger als auch dem Kultusministerium mitgeteilt. Das Ministerium überweise daraufhin die Fördersumme an die Bezirksregierung. Sobald der Sachaufwandsträger der Bezirksregierung einen Nachweis für die Anschaffung des Luftfilters vorlege, zum Beispiel eine Rechnung, werde die Fördersumme von der Bezirksregierung an den Sachaufwandsträger, der in Vorleistung für das Gerät gegangen ist, überwiesen. "Auf Grundlage dieser Daten zu den Förderprogrammen gehen wir von einer über 70%-igen Ausstattung der Klassenräume allein durch das bayerische Förderprogramm aus."

Tatsächliche Zahl an Geräten ist nicht bekannt

Laut Ministerium dürfte die Zahl der mit Luftfilter ausgestatteten Klassenzimmer sogar noch höher sein: "Festinstallierte Lüftungsanlagen und mobile Geräte, die durch Schulaufwandsträger (sic!) direkt oder beispielsweise auch Elterninitiativen und Fördervereine beschafft wurden, sind hier natürlich nicht eingeschlossen", schreibt der Sprecher dem #Faktenfuchs. Auch die Geräte, die im Rahmen der Bundesförderung zur Einrichtung zentraler, fest installierter Lüftungsanlagen angeschafft worden seien, seien nicht enthalten. "Wie viele Lüfter zusätzlich über diese Wege angeschafft wurden, ist im StMUK nicht bekannt." Die Zahl der ausgestatteten Klassenzimmer werde durch diese Lüfter aber nochmal erhöht.

Immer wieder wurden auch Probleme mit den Luftfiltern bekannt. Laut einer Studie des Aerosolforschers Christian Kähler hätten zum Beispiel vor allem in der ersten Finanzierungsrunde zahlreiche Kommunen ungeeignete Geräte angeschafft. Den #Faktenfuchs-Artikel dazu vom Oktober 2021 können Sie hier nachlesen. Zudem war in der Vergangenheit die Anschaffung der Geräte oft langwierig.

Fazit:

Das Kultusministerium weiß, wie vielen Schulen Luftfilter über das bayerische Förderprogramm bewilligt wurden. Ob aber tatsächlich in all diesen Klassenzimmern funktionierende Luftfilter stehen, ist nicht bekannt.

Nach Erscheinen dieses Artikels am 21. Januar 2022 weist ein Leser den #Faktenfuchs auf ein Schreiben des bayerischen Kultusministeriums hin; es ist auf den 27. August 2021 datiert und unter anderem an “alle Schulen in Bayern” adressiert. Das Kultusministerium bestätigt, dass dieses Schreiben letztes Jahr in den Sommerferien an die Schulen versandt wurde. Darin heißt es: “Da allein die Zahl der Förderanträge der Schulaufwandsträger (...) kein vollständiges Bild zur Situation an den Schulen ergibt, bitten wir Sie ergänzend um kurze Mitteilung zur Ausstattung der Klassen- und Fachräume an Ihrer Schule mit mobilen Luftreinigungsgeräten.” Die Schulen sollten die Informationen bis 10. September 2021 über das Bayerische Schulportal melden. “Da von einer dynamischen Entwicklung auszugehen ist, bitten wir Sie im Anschluss bis auf Weiteres jeweils zum Monatsbeginn um Aktualisierung Ihrer Meldung”, so steht es weiter in dem Schreiben.

Ministerium: Schulen melden ihre Ausstattung nicht

Der #Faktenfuchs hat nochmals beim Kultusministerium nachgefragt: Müssten angesichts dieses Melde-Appells nicht doch sehr konkrete Zahlen zur Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern vorliegen?

Der Sprecher des Kultusministeriums antwortet, man müsse feststellen, dass “aufgrund der Vielzahl an anderen Aufgaben die gewünschte monatliche Aktualisierung dieser Umfrage bei vielen Schulen schlichtweg nicht vorgenommen wird.” Die Daten hieraus seien deswegen nicht aktuell. Ob Schulen auch melden sollten, wenn sie keine Luftfilter angeschafft haben, geht aus dem Schreiben nicht hervor - möglicherweise hatte auch diese Unklarheit Auswirkungen auf die Zahl der Rückmeldungen.

Der Ministeriumssprecher verweist darauf, mit den Antragszahlen des Förderprogramms gebe es “ohnehin inzwischen ein viel besseres Instrument, um die aktuelle Ausstattung an den Schulen abschätzen zu können”. Hinter den Förderanträgen stünden konkrete Beschaffungen. Die Antragsdaten seien deshalb “viel genauer und vor allem viel aktueller”. In dem Schreiben an die Schulen war jedoch die Rede davon, dass diese Anträge “kein vollständiges Bild” ergäben.

Derzeit sehe das Ministerium davon ab, die Schulen erneut um konkrete Zahlen zu bitten - “auch um nicht unnötigen, zusätzlich (sic!) Druck auf die Schulleitungen, die momentan alle Hände voll zu tun haben und hervorragendes leisten, auszuüben”.

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