Die in Deutschland erhältlichen Schnelltests schlagen in der Praxis nur bei knapp der Hälfte der tatsächlich mit Covid-19 infizierten Patienten zuverlässig an. Das hat ein Würzburger und Münchner Forscherteam herausgefunden und seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift EBioMedicine veröffentlicht. Demnach liegt die Sensitivität der Antigen-Schnelltests im klinischen Praxiseinsatz mit 42,6 Prozent deutlich unter den Herstellerangaben und den bisherigen Erkenntnissen. Gemäß den Ergebnissen einer im Frühjahr 2021 veröffentlichten Zusammenfassung von 64 Studien erkannten die Tests 72 Prozent der Covid-19-Infizierten richtig.
Superspreader werden gut erkannt
"Das klingt erstmal ziemlich erschreckend, das bedeutet auch ein einmaliger Antigen-Schnelltest genügt definitiv nicht um zu sagen: Jemand hat Covid oder jemand hat nicht Covid", sagt Studienleiter und Mediziner Manuel Krone. Er erklärt jedoch auch, dass ein Antigen-Schnelltest aussagen könne, ob jemand zum aktuellen Zeitpunkt des Tests infektiös ist oder nicht. "Wenn jemand infektiös ist, schlagen die Tests zu 80-90 Prozent korrekt an", sagt Krone. Potenzielle Superspreader werden also laut Studie mit den Schnelltests sehr zuverlässig erkannt.
Während die Sensitivität der Schnelltests deutlich schlechter als erwartet ausfiel, erreicht ein anderes Kriterium gute Werte: die Spezifität. Sie liegt mit 99,68 Prozent im Bereich der Herstellerangaben. Die Spezifität beziffert den Anteil der korrekt negativ getesteten Personen. In anderen Worten: Laut der Studie gibt es sehr selten falschpositive Ergebnisse.
Krone arbeitet am Institut für Hygiene und Mikrobiologie. Er hat mit seinem Team für die Studie mehr als 5.000 Untersuchungen der Uni-Klinik während der zweiten Corona-Welle ausgewertet. Bei allen Teilnehmern wurde ein Antigen-Schnelltest und zusätzlich der weitaus genauere PCR-Test gemacht. Das Ergebnis: Die Schnelltests waren durchweg weniger wirksam als von den Herstellern versprochen.
Paul-Ehrlich-Institut überprüft Mindestkriterien für Schnelltests
Jeder fünfte Test erfüllt die Mindeststandards selbst bei idealen Laborbedingungen nicht, erklärt der Mediziner und sieht darin ein großes Problem. Denn die Tests würden aufgrund von Daten, die der Hersteller selbst erhoben habe, zugelassen. Erst wenn ein Test eine unabhängige Überprüfung nicht besteht, wird er von der Liste runtergenommen.
Das heißt: Solange ein Test noch nicht vom Paul-Ehrlich-Institut überprüft wurde, dürfe dieser weiterhin verkauft und eingesetzt werden. "Und selbst wenn er von der Liste runtergenommen wird, heißt es nicht, dass diese Teste nicht trotzdem noch im Umlauf sind", so der Mediziner.
Neue Onlineseite verspricht Hilfe
Für den Laien ist es nur schwer nachvollziehbar, wie gut die Selbsttests sind. Zwar kann man den Namen angeben und sich durch die lange Liste des Paul-Ehrlich-Instituts klicken, der Vergleich fällt aber relativ schwer.
Wie gut der Schnelltest wirkt, fasst eine neue Onlineseite zusammen, die das Kollektiv "Zerforschung" entwickelt hat. Auf der Seite schnelltesttest.de kann man den QR-Code des Corona-Schnelltests einscannen. Die Seite stellt dann mit Hilfe der Daten des unabhängigen Paul-Ehrlich-Instituts die Erkennungsrate des Test bereit.
Würzburger Mediziner: Schnelltests weiterhin sinnvoll
Auch wenn die Antigen-Schnelltests Schwächen haben – gerade zu Beginn einer Infektion hätten sie weiterhin ihre Berechtigung, weil dann die Virenlast besonders hoch ist, erklärt der Mediziner Manuel Krone.
Dazu kommen die beschränkten Laborkapazitäten: Denn um eine große Menge an Menschen regelmäßig zu testen, seien PCR-Untersuchungen nicht geeignet. "Hier kommen Antigen-Schnelltests ins Spiel, weil sie günstig, schnell und nahezu unbegrenzt verfügbar sind", sagte er.
Schnelltests bei Omikron-Variante nicht unbedingt schlechter
Ein klares wissenschaftliches Ergebnis, ob die Schnelltests schlechter auf die Omikron-Variante des Coronavirus ansprechen, gibt es derzeit noch nicht, sagt Krone. Grundsätzlich, das zeigten alle Experimente, funktionierten die Schnelltests aber auch bei der Omikron-Variante und seien deshalb weiterhin die erste Wahl beim Testen. Wenn Patienten aber auf Nummer Sicher gehen wollen oder müssen, empfiehlt der Mediziner jedoch obendrauf einen PCR-Test.
- Zum Artikel "Labore am Limit: Rufe nach Priorisierung bei PCR-Tests"
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