Ein typischer Wochenendmorgen im Leben von Ferdinand Alm beginnt so: Der Fünfjährige wacht auf und springt zu Hause in Würzburg-Versbach aus den Federn. Aus dem Bett geht’s gleich ans Schachbrett. Der Junge baut die Figuren auf, spielt Partien gegen sich selbst und probiert Spielzüge aus. "Ich hab am liebsten Weiß, auch wenn ich alleine spiel. Denn am liebsten fang’ ich an", sagt Ferdinand. Aber noch lieber als alleine spielt er mit seinem Papa.
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Der Sohn bringt den Vater zum Schach zurück
Vater Christopher Alm lächelt, als er davon erzählt, wie das angefangen hat mit der Begeisterung seines Sohnes. Die Schachliebe von Ferdinand hat vor fünf Monaten mit einer Zufallsbegegnung begonnen. Im Sommerurlaub im Allgäu war das, beim Familienspaziergang am Hopfensee. "Wir sind an einem Freiluftschach direkt am See vorbeigekommen", erzählt Christopher Alm. "Ferdi ist auf die Figuren zugesteuert, hat ein paar hin und her bewegt und beschlossen: So, ich lerne jetzt Schach!"
Ferdi lernt schnell, das fällt Christopher Alm gleich auf. "Normalerweise kann das bei Kindern bis zu einem Jahr dauern, bis alle Figuren korrekt und sicher bewegt werden", sagt Christopher. "Bei Ferdi war das im Nu der Fall. Da hat sich gezeigt, dass da Talent da ist." Diese Einschätzung ist mehr ist als Vaterstolz, denn Christopher Alm weiß, wovon er redet. Er hat lange ambitioniert Schach gespielt, in Vereinen in Würzburg und Hannover, in der dritthöchsten Liga und auf internationalen Turnieren.
Vor ein paar Jahren hatte Christopher Alm dann mit dem Schach aufgehört. Die Arbeit als Geschäftsführer beim Nahverkehr Mainfranken (NVM) ist anspruchsvoll, die wenige Freizeit hat er lieber mit der Familie verbracht als am Schachbrett. "Ich habe alle meine Schachbücher und Bretter verkauft, das war ein Schlussstrich", erinnert sich der 45-Jährige. Aber jetzt hat ein neues Kapitel begonnen. Der fünfjährige Ferdi hat seinen Papa zurück zum Schach gebracht. Inzwischen ist wieder ein Brett im Haus, an dem Vater und Sohn nun gemeinsam sitzen und spielen.
Schach fördert die frühkindliche Entwicklung
Mutter Daniela Alm spielt kein Schach, aber sie freut sich über die Begeisterung ihres Sohnes. "Ferdi ist ein sehr bewegungsfreudiges Kind. Er muss sich auspowern, ist im Turnen und spielt Fußball", erzählt sie. "Aber ich finde das richtig gut, wenn er beim Schach zur Ruhe kommt und sich auf etwas konzentriert. Ich glaube, das bringt ihm auch was, wenn er im September in die Schule kommt."
Der positive Einfluss von Schach auf die frühkindliche Entwicklung ist wissenschaftlich evaluiert. Nach Angaben des 2013 gestarteten Projekts "Kinderschach in Deutschland" zeigt beispielsweise ein von der Universität Trier betreutes Grundschulprojekt, dass Schach bei Heranwachsenden die Wahrnehmungsfähigkeit und Konzentration fördert. Außerdem hilft Schach dabei, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen umzugehen.
"Beim Schach gibt's keine Ausreden, wenn was schiefläuft", formuliert es Christopher Alm. "Das liegt dann nicht am Wetter oder daran, dass der Ball schlecht aufgepumpt ist."
Erfolgserlebnisse beim ersten Turnier
Auch die Fairness vor dem Gegner sei beim Schachspiel wichtig, so Christopher Alm. Das habe Ferdi schon bei seinem ersten Turnier mitbekommen. Ende 2023 hat der Fünfjährige in der Hobby-Kategorie des Theres-Cups teilgenommen und im Landkreis Haßberge für Aufsehen gesorgt. Drei seiner sieben Partien hat Ferdinand gewonnen, teilweise gegen Gegner, die mehr als zehnmal älter sind als er. "Da war zum Beispiel ein erfahrener und richtig guter Spieler dabei, so etwa Mitte fünfzig, den hat Ferdi am Ende ausgetrickst", erzählt Christopher Alm. "Der wusste nicht so recht, was ihm da gerade widerfährt. Aber er hat Ferdi am Ende ganz fair gratuliert."
Wenn Ferdinand selbst von seinem ersten Turnier erzählt, dann strahlen seine Augen. "Ich war ein bisschen aufgeregt, aber das hat so viel Spaß gemacht", sagt er. Detailliert berichtet der Fünfjährige davon, mit welchen Figuren und wo genau auf dem Brett er seine Gegner matt gesetzt hat. Seinen ersten Pokal hat Ferdi jedenfalls mitgebracht vom Theres-Cup, eine Auszeichnung als jüngster Teilnehmer der bisher 17 Turniere.
Schachspiel im Kindergarten und daheim mit Papa
Im Verein spielt Ferdinand noch nicht, ab und zu sitzt er im Kindergarten mit einem Erzieher am Brett. Aber wer weiß schon, wohin ihn seine Schachbegeisterung noch führt? "Wir lassen das langsam angehen, das soll von ihm ausgehen", sagt Mutter Daniela. Ferdinand baut unterdessen noch einmal die Figuren auf. Einmal habe er den Papa schon schachmatt gesetzt, "mit Dame und Bauern, in der G-Linie", erzählt er stolz.
Christopher Alm lächelt verschmitzt. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem Ferdi ihn auch ohne väterliche Nachsicht besiegt. Vielleicht ja schon im nächsten Spiel? Ferdi ist fertig mit dem Aufbauen, er nimmt die weißen Figuren. Weil dann kann er anfangen.
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