Der frühere SPD-Bundestagabgeordnete Florian Post aus München verlässt die Partei - und teilt in seinem Austrittsschreiben mächtig aus. Post berichtet in dem Brief, der BR24 vorliegt, von einer "Entfremdung zwischen der heutigen Funktionärsschicht einerseits und der Mehrheit der Mitglieder, den noch verbliebenen Stammwählern und den massenhaft abgesprungenen Ex-Wählern andererseits". Diese Entfremdung lasse sich nicht mehr überwinden - das werde auch nicht versucht.
An der inhaltlichen Ausrichtung der Sozialdemokraten übt Post scharfe Kritik. Die SPD sei "für Menschen mit gewöhnlichen Alltagssorgen keine wählbare Partei mehr". Mit dem Versuch, kleinsten Minderheiten nachzueifern statt Mehrheiten anzustreben, werde "aus der früher mehrheitsfähigen Volkspartei selbst eine skurrile Minderheit". Laut dem 41-Jährigen ist das ein "fataler Irrweg".
Post schimpft über "Gender-Beauftragte"
Konkret lästert Post über mögliche Gender-Beauftragte in Kitas. Anders als früher würden zudem Trachtler, Schützen, Jäger, Eigenheimer und Schrebergärtner in der Partei auf "Hohn, Spott und Ablehnung" stoßen. Der aktuelle SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeichne sich durch einen Opportunismus aus, der seinesgleichen suche. Posts Resümee: Der "politische Niedergang" der Sozialdemokratie sei "nicht mehr umkehrbar".
Auch an der Münchner SPD lässt Post kaum ein gutes Haar: In der Landeshauptstadt werde die "Massenabwanderung der Wähler" nicht einmal zur Kenntnis genommen. Die Partei habe sich in München auf Platz drei "ganz offensichtlich dauerhaft eingerichtet".
- Zum Artikel: "Parteimitglieder: CSU und SPD büßen in Bayern weiter ein"
Florian Post war Jahre im Bundestag - und oft umstritten
Post war für die bayerische SPD von 2013 bis 2021 im Bundestag. Er trat dreimal als Direktkandidat im Wahlkreis München-Nord an, erreichte aber jedes Mal nicht die Mehrheit der Erststimmen, sondern zog zweimal über die SPD-Landesliste in den Bundestag ein. Vor der Bundestagswahl 2021 konnte Post keinen aussichtsreichen Platz auf der SPD-Liste erreichen und trat daraufhin mit einem eigenständigen Wahlkampf als Direktkandidat an.
In den vergangenen Jahren sorgte Post immer wieder für Schlagzeilen. Im April bezeichnete er bestimmte Wortmeldungen des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrij Melnyk, als "Unverschämtheiten". Er habe "keine Lust zu frieren", sagte Post zu Debatten über ein mögliches Energie-Embargo für russische Importe. Als das Unternehmen Adidas während der Corona-Pandemie zwischenzeitlich ankündigte, wegen der Beschränkungen keine Ladenmieten mehr zu zahlen, zündete Post ein Adidas-Shirt in einer Tonne an.
Münchens Ex-OB Ude versteht Posts SPD-Austritt
Posts politischer Ziehvater ist der frühere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude. Der SPD-Politiker kann Posts Austritt nach eigenen Angaben verstehen, es habe Anfeindungen aus der Partei gegeben. Post sei allerdings ein streitbarer und streitlustiger Mensch, sagt Ude auf BR24-Anfrage. Post habe Gruppen wie Handwerker, Kleingärtner, Gewerbetreibende und Gastronomen angesprochen - diese gingen der SPD in München jetzt verloren. Das sei "das eigentliche Drama".
Ude selbst will nach eigenen Angaben in der SPD bleiben. Zwar werde seine eigene Schmerzgrenze oft erreicht und überschritten, seine Mitgliedschaft sei aber eine Lebensentscheidung - er denke in längeren Zeiträumen. Zudem habe er schon oft erlebt, wie sich die SPD nach "entsetzlichen Verirrungen" wieder berappelt habe.
Münchner SPD-Chef: Kritik nicht nachvollziehbar
Der Münchner SPD-Vorsitzende Christian Köning hält Posts Kritik für unverständlich. Post habe sich nach seiner Niederlage bei der Aufstellung der Bundestagskandidaten nicht mehr an innerparteilichen Debatten beteiligt und sich von der Linie der Bundes- wie der Münchner SPD abgegrenzt. Die Münchner SPD bedauere den Austritt, teilt Köning bei Twitter mit. "Wir danken Florian Post für seine Arbeit in der SPD und als Abgeordneter und wünschen ihm persönlich weiterhin alles Gute."
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Post vor der Bundestagswahl 2021 eine Kampfabstimmung um die SPD-Direktkandidatur in seinem Wahlkreis verloren habe. Das stimmte nicht, er erreichte bei der Abstimmung keinen aussichtsreichen Listenplatz - trat aber als Direktkandidat an. Wir haben die Stelle entsprechend korrigiert.
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