Ein Bagger befreit die Flutmulde in Lohr von Sand und anderen Sedimenten.
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Ein Bagger befreit die Flutmulde in Lohr von Sand und anderen Sedimenten.

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Flutrinne ausbaggern: Hochwasser-Schutzmaßnahme in Lohr

Überflutete Straßen, vollgelaufene Keller: Erst vor wenigen Tagen hat ein Unwetter den Landkreis Main-Spessart hart getroffen. In Lohr starten jetzt Maßnahmen zum Hochwasser-Schutz: Die Stadt lässt den Fluss Lohr ausbaggern.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Tagelang waren die Menschen im Landkreis Main-Spessart mit den Aufräumarbeiten beschäftigt: Bei einem Unwetter Mitte August waren Keller voller Wasser gelaufen, Straßen waren danach voller Schlamm. Dieses Unwetter hat gezeigt, wie wichtig langfristige Maßnahmen zum Hochwasser-Schutz sind. Die Stadt Lohr hat solche Maßnahmen entlang der Flutmulde des Flusses Lohr rund 30 Jahre schleifen lassen. In der Zeit konnten sich Sedimente auf mehreren hundert Metern ablagern.

Hochwasser-Schutz: Stadt Lohr lässt Fluss ausbaggern

Diese Ablagerungen sorgen dafür, dass diese Rinne im Fall eines starken Hochwassers nicht mehr genügend Wasser aufnehmen könnte. Die Rede ist von einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser – also einem Hochwasser, das statistisch ein Mal in hundert Jahren vorkommt. Das Wasserwirtschaftsamt hat der Stadt Lohr schon vor zwei Jahren Druck gemacht. Nun sind die Bagger angerollt und die Stadt lässt die Ablagerungen entfernen. Auf einer Länge von 300 Metern wird der Fluss bis Freitag ausgebaggert, auf Höhe des Werks I von Bosch Rexroth.

75 Lkw-Ladungen an Sand und Kieseln

Der städtische Umweltreferent Manfred Wirth spricht von 590 Kubikmetern Sand und Kieseln, die zum Teil mit Gras und Schilf bewachsen sind. Die Ablagerungen sind etwa 40 Zentimeter hoch. Die Menge entspricht rund 75 Lkw-Ladungen. Die Kosten der Maßnahme liegen bei 120.000 Euro. Das schließt neben den Baggerarbeiten auch die Kosten für die Vermessung und die Geologie ein.

Stadt müsste für Schäden aufkommen

Die Stadt beugt damit möglichen Kosten vor: Im Fall eines Hochwassers müsste die Stadt auch für Schäden an Gebäuden aufkommen, wenn die Flutmulde im Vorfeld nicht angemessen gepflegt wurde. Davon wäre nicht nur das Hauptwerk von Bosch Rexroth betroffen, sondern auch andere Betriebe und private Häuser.

Bosch Rexroth unterstützt Bauarbeiten

Der größte Arbeitgeber vor Ort, die Firma Bosch Rexroth, unterstützt die Maßnahmen der Stadt. Das Unternehmen hatte sich 1996 an dem Bau der fünf Millionen Euro teuren Flutrinne beteiligt. Zuvor hatte das Gewässer das Werksgelände geteilt. Mit der Verlegung an den Rand wurde das Firmengelände besser nutzbar und der Hochwasserschutz insgesamt verbessert.

"Die Lohr fließt direkt an unserem Werk in der Stadtmitte vorbei. Deshalb nehmen wir die Maßnahme für den Hochwasserschutz sehr ernst", so Sprecherin Judith Mühlich zu BR24. Diese Rinne gibt es seit Ende der 1990er-Jahre.

Vor Baggerarbeiten: Bach abfischen

Bevor die Arbeiten losgehen konnten, haben Fischerei-Experten das Flüsschen abgefischt – und zwar mit Hilfe der sogenannten Elektro-Befischung. Biologe Johannes Herbert und sein Team haben elektrischen Strom eingesetzt, um die Fische zu betäuben.

Das läuft folgendermaßen ab: Die Fischer halten die Anode (Pluspol) in Form eines Keschers in der Hand, die Kathode (Minuspol) liegt im Wasser. Sobald die Fischer an ihren Keschern auf einen Schalter drücken, entsteht im Wasser ein elektrisches Feld. Das betäubt alle Fische im Wasser so stark, dass sie sich nicht mehr bewegen können. Wie von einem Magneten werden sie an die Anode gezogen und lassen sich leicht mit dem Kescher einsammeln. Mit dieser schonenden Methode könne man möglichst viele Fische aus dem Gewässer holen, so die Experten.

Viele Fische im Netz, Zeitpunkt außerhalb der Laichzeiten

Wie Biologe Johannes Herbert berichtet, sind viele Fische ins Netz gegangen: Eschen, Bachneuaugen, Bachforellen, Regenbogenforellen, Elritzen, Rotaugen und Döbel. Was den Zeitpunkt der Arbeiten angeht – da habe die Stadt Lohr darauf geachtet, dass er außerhalb der Laichzeit der Fische liege, so Umweltreferent Wirth.

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Vor dem Ausbaggern der Flutmulde wird die Lohr abgefischt.

Baggerarbeiten schwierig für die Fische

Auch wenn das Stück der Lohr vor den Baggerarbeiten abgefischt wurde, sieht Karl Scherer von der Lohrer Hegefischereigenossenschaft die Aktion kritisch. Er sorgt sich vor allem um die diesjährige Fischbrut. Beim Baggern werde die Lohr wahrscheinlich auch im weiteren Verlauf tief braun gefärbt – durch die aufgewirbelten Sedimente. Die Kiemen der Kleinfische würden dadurch verstopft, so Scherer. Zehntausende Fische seien deshalb gefährdet und könnten sogar sterben.

Fisch-Experte: Aktion ist unnötig

Er findet die Aktion auch unnötig: Unterhalb der Baggerstrecke gibt es ein großes Wehr, das bei Hochwasser gezogen wird. Dadurch entstehe eine große Strömung und der abgelagerte Sand würde Richtung Main gezogen. "Wir stehen auf dem Standpunkt, dass hier viel Geld ausgegeben wird. Ein Hochwasser würde die Sedimente kostenlos wegschaffen", so Karl Scherer.

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