Thomas N. richtet sich in seinem Patientenzimmer ein. Er kennt die nuklearmedizinische Station in Großhadern bereits. Zum zweiten Mal erhält der Patient hier eine Strahlentherapie gegen seinen Schilddrüsentumor. Weil er seine Zahnbürste vergessen hat, bestellt er eine bei "Jeeves" - einem Roboter, der gerade auf der Station erprobt wird.
Das funktioniert über eine spezielle App. Wenige Minuten später erhält Thomas N. auf seinem Handy die Mitteilung, dass Jeeves bereits vor seiner Tür steht. Aktuell wird auf der Station getestet, in welchem Umfang Jeeves Patientenwünsche erfüllen und Pflegekräfte unterstützen kann.
Großhadern ideale Teststation für Pflege-Roboter
Seit drei Jahren läuft das Forschungsprojekt mit dem Namen REsPonSe. Daran beteiligt sind die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und das LMU Klinikum. Die Praxisphase findet auf der nuklearmedizinischen Station in Großhadern statt. Diese Station ist für derartige robotische Systeme besonders geeignet: Dort kann der Roboter den Pflegekräften nicht nur Wege abnehmen, sondern sie auch vor der Strahlung der Patienten schützen. Hinzu kommt, dass auf der Station wegen der Strahlung keine Besucher erlaubt sind. Für den Roboter bedeutet das weitgehend leere Gänge und weniger Hindernisse.
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Fehlende Sensoren: Jeeves kann keine Türen öffnen
Das robotische System Jeeves ähnelt optisch einem brusthohen Rollcontainer. In seinen vier Schubladen stecken Handtücher, Wasserflaschen und Hygieneartikel. Wenn Thomas N. einen Artikel benötigt, dann öffnet er die App auf seinem Handy und scrollt durch das Angebot. "Sachen zur Körperpflege, Zahnbürste, Tücher. Wenn’s kalt wird, eine Decke. Ein Kühlpack ist ganz gut, gerade wenn die Schilddrüse dann sehr warm wird, kann das schon mal ganz hilfreich sein."
Ein Klick in der App genügt und Jeeves verlässt seinen Parkplatz in einem Zimmer der Station und macht sich eigenständig auf den Weg zum Zimmer des Patienten. Steht er vor der Zimmertür, erhält der Patient eine Mitteilung auf seinem Handy. Er muss Jeeves dann die Türe öffnen, denn der Roboter hat keine Arme und die Türen der Station verfügen nicht über Sensoren. Jeeves Bring-Hilfen erreichen also nur Patienten, die das Bett verlassen können.
Kürzere Wartezeiten und Wege
Doch auch bettlägerige Patienten profitieren von Jeeves. Denn über die App können alle Patienten direkt mit den Pflegekräften kommunizieren und wie über WhatsApp und Co. Nachrichten verschicken. Diese bekannten Apps scheitern bislang in der Klinik am Datenschutz. Doch über die Roboter-App können die Patienten zum Beispiel mitteilen, dass sie Schmerzen haben und diese beschreiben.
Im Vergleich zum Notknopf hilft die Roboter App allen: weniger Wartezeit für die Patienten und weniger Lauferei für die Pflegekräfte, bilanziert Judith Kammer, Pflegeleiterin der nuklearmedizinischen Station: "Das erleichtert uns unter anderem, dass wir einfach jetzt schon mit dem Schmerzmittel zum Patienten hingehen können und dadurch auch schneller intervenieren können".
Pflegekräfte würden Roboter gerne behalten
Demnächst endet die wissenschaftliche Testphase. Noch ist offen, was dann mit Roboter Jeeves passiert. Pflegeleiterin Judith Kammer und ihr Team empfinden Jeeves als Entlastung und würden den Roboter gerne auf ihrer Station behalten.
“Jeeves soll als eine schöne Unterstützung mitwirken. Und soll niemanden ersetzen. Kann es auch nicht, weil der Mensch lebt von der Interaktion Mensch zu Mensch." Judith Kammer, Pflegeleiterin der nuklearmedizinischen Station
20 Prozent weniger Laufstrecken für das Pflegepersonal
Noch steht die umfassende Auswertung der Testphase aus. Doch Pflegewissenschaftlerin Inge Eberl, Professorin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, rechnet fest damit, dass robotische Systeme wie Jeeves im Klinikalltag der Zukunft eine Rolle spielen werden: "Wir erwarten, dass bis zu 20 Prozent der Laufstrecken reduziert werden."
Patienten kommen gut mit Roboter zurecht
Die Pflegewissenschaftlerin freut sich, dass Jeeves nicht nur von jungen Patienten angenommen wird, wie erste Interviews mit Patienten belegen. "Wir sehen, dass alle Altersgruppen das robotische System in Anspruch nehmen. Das heißt, dass nicht nur Jüngere affin sind, um mit so einer App umzugehen und dass die Personen sehr offen sind. Dass sie teils sagen, dass eben jetzt keine Pflegeperson kommen muss, um eine Flasche Wasser zu bringen", bilanziert Eberl.
Noch gibt es viele Hürden für Roboter: Fehlende Sensoren an Aufzügen und Türen, schlechte WLAN-Abdeckung in Kliniken. Und: Weitere Forschungsprojekte müssen klären, wie sich Roboter wie Jeeves auf stark belebten Stationen mit vielen Besuchern behaupten können.
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