Der zehnjährige Jonathan und seine Mitschüler in der 4. Klasse der Grundschule Hengersberg im Kreis Deggendorf tippen auf ihre Finger, kreisen ihre Hände – bevor es ans Schreiben geht, wird alles aufgelockert. Solche Übungen sind wichtig für Jonathan: "Ich habe früher so fest aufgedrückt, das war mein Problem. Wenn wir was schreiben haben müssen, hat meine Hand immer weh getan."
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Digitalisierung und Corona verschärfen Problem
Mit diesem Problem ist er nicht alleine: Jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen hatten bereits vor einigen Jahren laut einer Studie des Schreibmotorik-Instituts Probleme beim Schreiben. Die zunehmende Digitalisierung und auch der Distanz-Unterricht wegen Corona haben das Problem mit der Handschrift jetzt nochmals verschärft. Das belegt eine aktuelle Studie des Schreibmotorik-Instituts in Kooperation mit dem Verband Bildung und Erziehung.
Das bestätigt auch Melanie Hiergeist, Schulleiterin der Grundschule Hengersberg und Handschrift-Expertin.
"Die Kinder haben immer mehr Schwierigkeiten: Es geht dabei nicht nur ums Schön-Schreiben, sondern sie schreiben nur noch mit Schmerzen, sie können keine langen Aufsätze mehr schreiben – dem wollen wir entgegenwirken. Nur wenn eine Handschrift schmerzfrei und flüssig von der Hand geht, macht es Spaß. Ansonsten ist das nur Quälerei, deswegen wollen die Kinder gar nicht mehr schreiben." Melanie Hiergeist, Schulleiterin Grundschule Hengersberg
Internationales Projekt: Handschrift in Schulen fördern
Um dem entgegenzuwirken, ist die Grundschule bei einem internationalen Schreibmotorik-Projekt dabei, das von der EU gefördert wird. Neben der Grundschule in Hengersberg nehmen auch Schulen aus Mittelfranken, Luxemburg und Frankreich daran teil – und sind auf dem Weg zu "Schreibmotorik-Schulen". Die Lehrer werden in Workshops zum Thema Handschrift geschult, gezielte Übungen zum Schreiben werden in den Unterricht eingebaut, damit die Handschrift wieder besser klappt.
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Handschrift verbessert Kreativität und Merkfähigkeit
Die Handschrift fördert laut dem Schreibmotorik-Institut, das Projekt-Partner ist, die Konzentration, die Kreativität und das Lernen. Beim Schreiben von Hand werden mehr als 30 Muskeln und 15 Gelenke koordiniert, was wiederum zwölf verschiedene Areale im Gehirn aktiviert. Neurowissenschaftler hätten bei Gehirnscans entdeckt, dass beim Tippen auf dem Laptop viel weniger Hirnaktivität registriert wird. Beim Schreiben hingegen legen sich sogenannte Gedächtnisspuren: "Wenn ich mit der Hand schreibe, kann ich mir dadurch Dinge besser merken. Wenn ich das nur in den Laptop reintippe, sind die Bewegungen immer gleich und es bilden sich keine keine Gedächtnisspuren", so Schulleiterin und Handschrift-Expertin Hiergeist.
Hinzu kommt: Das Schreiben mit der Hand hat Zukunft. Menschen haben im Laufe der Geschichte Höhlen mit ihren Händen bemalt, mit Griffeln Papyrus beschrieben. Zwar verändert sich das Schreibmedium mit der Digitalisierung, doch spezielle digitale Stifte für iPads zeigen: Handschrift wird es wohl immer geben.
Handschrift als Ausprägung des eigenen Charakters
Jonathans Lehrerin, Renate Huber, legt den Fokus im Unterricht auf die Handschrift, mit Stift und Papier. Zwar fallen den Kindern Buchstabenverbindungen bei der Schreibschrift noch schwer, doch die Verbindungen helfen beim flüssigen, schnellen und schmerzfreien Schreiben. In der Luft üben die Schüler die Schwünge für "ck" oder "xe", bevor sie diese aufschreiben.
Neben all den kognitiven und motorischen Vorteilen des Schreibens ist Klassenlehrerin Huber bei der Handschrift eines wichtig: "Die Handschrift ist eine Ausprägung des eigenen Charakters, der eigenen Persönlichkeit. Ich schreibe zum Beispiel sehr gleichmäßig – das verrät, dass ich ein gelassener und ausgeglichener Mensch bin."
Auch Jonathan und seine Mitschüler sind auf dem besten Weg, ihre eigene, ganz individuelle Schrift zu finden: "Ich habe das geübt, leichter zu schreiben, nicht so stark aufzudrücken", so der Zehnjährige. Durch die gezielten Schreib-Übungen in der Schule hat er beim Schreiben keine Schmerzen mehr, sondern Freude.
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