Hunde brauchen Auslauf. Doch statt mit ihnen an der Leine Gassi zu gehen, lassen immer mehr Menschen ihre Hunde beim Spazierengehen frei laufen - nach dem Motto "Der tut nichts". Die Coronapandemie, in der sich mehr Menschen Hunde zulegten, haben den Trend noch verschärft. Doch selbst wenn ein Hund nicht plötzlich zum Jagen losspurtet, ist er eine tödliche Gefahr für Wildtiere.
Wiesenbrüter reagieren panisch auf Hunde
Die Regentalauen bei Cham sind rund 1.500 Hektar groß und das größte Naturschutzgebiet der Oberpfalz. Gleichzeitig ist die weitläufige Wiesenlandschaft ein Paradies für Radler, Spaziergänger und Hundebesitzer. Solange sie auf den Wegen bleiben, ist das für die vielen Vogelarten, die hier leben, erträglich. Aber wenn Hunde in die Wiesen laufen, gefährden sie Wiesenbrüter wie zum Beispiel Kiebitz oder Brachvogel:
"Diese Vogelarten reagieren sehr sensibel auf Hunde und auch schon so frühzeitig, dass es der Hundebesitzer gar nicht merkt. Schon auf eine Entfernung von 100 oder 150 Meter zeigen sie panikartige Reaktionen und flüchten." Peter Zach, Vogelexperte und ehrenamtlicher Wiesenbrüterberater des Bayerischen Landesamts für Umwelt
Wenn Altvögel ein Nest verlassen, ist das Gelege gefährdet. Bei bedecktem Himmel reicht schon eine Viertelstunde, dass die Embryonen im ausgekühlten Ei absterben. Altvögel kehren zwar normalerweise wieder zum Gelege zurück, aber nicht, wenn eine Störung auf die andere folgt. An schönen Wochenenden, wenn Hunderte Menschen und Hunde unterwegs sind, geben Wildvögel oft ihre Gelege ganz auf. In den Regeltalauen, einem Refugium für seltene Vogelarten, ist das besonders gravierend.
Warnrufe des Kiebitz, selbst bei großem Abstand
Ein Versuch zeigt es: Der Vogelexperte Peter Zach bleibt am Rand einer Wiese am Weg stehen und in 50 Metern Entfernung steigt sofort ein Kiebitz mit schrillen Warnrufen auf. Der Altvogel versucht so aus der Luft, die geschlüpften Jungtiere, die man im Gras kaum sieht, weiter weg zu locken von der "Gefahr". Diese Art von Stress ist aber extrem kräfteraubend für die Elterntiere. Wenn dann auch noch ein Hund in die Wiese oder im schlimmsten Fall zu den Jungen läuft oder auch nur ausgiebig am Wiesenrand entlang schnüffelt, verschärft das die Lage. Wer kein so geschultes Auge und Ohr hat wie der Vogelexperte, realisiert das alles nicht einmal. Die Warnrufe klingen wie etwas lautere Vogelrufe und welchen Hintergrund sie haben, weiß der Laie in der Regel nicht.
Gefährliche Duftspur
Das Problem ist das gleiche, wenn man mit Hund ganz normal in der Landschaft oder im Wald unterwegs ist, vor allem jetzt im Mai. Denn auch außerhalb von Naturschutzgebieten ziehen Wildtiere jetzt ihre Jungen auf. Feldhasen zum Beispiel legen ihre Jungtiere sogar oft nah am Wiesenrand ab. Ein freilaufender Hund kann ein Häslein so erschrecken, dass es schon daran stirbt. Außerdem hinterlässt er unweigerlich seine Duftspur. Das hat dramatische Folgen, auch für Rehkitze:
"Es reicht aus, dass der Hund zum Rehkitz läuft, und so die Witterung eines Beutegreifers zurücklässt. Denn für die Rehgeiß ist der Hund nichts anderes als ein Beutegreifer. Dann verstößt sie das Rehkitz und es verhungert jämmerlich. Da reicht schon ein kurzer Kontakt vom Hund zum Kitz." Thomas Hausladen, Vorsitzender der Jägerkameradschaft Cham
Rehkitze oder junge Hasen ducken sich meistens auch nur tief ins Gras und flüchten nicht. Die Hundebesitzer merken also gar nicht, ob ihr herumstromender Hund in der Wiese oder im Wald einem Wildtier begegnet ist. Selbst der bravste Familienhund kann außerdem in Versuchung geraten, doch ein Wildtier zu hetzen oder sogar zuzubeißen: "Bei manchen Hunderassen ist der Hetztrieb zwar durch die Zucht weniger ausgeprägt. Aber wenn aus kurzer Entfernung ein Tier vor einem Hund wegflüchtet, dann ist die Reizüberflutung da und der Instinkt führt dazu, dass der Hund dem Wild nachläuft", sagt Hausladen.
Auch Hundebesitzer ärgern sich über freilaufende Hunde
Wenn ein Hund an der Leine einem freilaufenden Hund begegnet, kann auch das böse enden. Es passiert immer wieder, dass ein Hund den anderen beißt. Hundebesitzerin Eva Donhauser aus Cham, die sogar zwei Hunde hält, wünscht sich, dass jeder, der sich einen Hund anschafft, erst einmal ein paar Pflichtstunden zum Thema Hundeerziehung absolvieren muss und eine Hundeschule besucht. Viele, die sich in der Coronapandemie einen Hund zugelegt haben, seien recht ahnungslos: "Oft heißt es jetzt, der Hund folgt nicht, der schnappt oder beißt. Es gab in der Pandemie ja auch keine Welpentreffen, damit hat keine Sozialisierung stattgefunden. Die Hunde haben zum Teil richtige Verhaltensstörungen entwickelt", so Hundebesitzerin Donhauser.
Viele neue Hundebesitzer unterschätzen außerdem den Bewegungsbedarf, den ein Hund täglich hat. Eva Donhauser führt ihre Hunde an der Leine, findet aber auch, die Tiere sollen auch mal frei herumlaufen können. Ihr Vorschlag: ein eingezäuntes Wiesengrundstück, das Kommunen zur Verfügung stellen, wo Hunde frei laufen, miteinander spielen und sich austoben können. So etwas gibt es zum Beispiel schon in Deggendorf und Straubing. Donhauser will es zusammen mit anderen Hundefreunden jetzt auch in Cham erreichen, dass ein solcher frei zugänglicher "Spielplatz für Hunde" geschaffen wird. Die Kot-Hinterlassenschaften ihrer Tiere müssten die Hundebesitzer aber natürlich selbst wegräumen, betont sie. Das sei aber selbstverständlich.
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