Das MAD (oder: Museum am Dom) in Würzburg: überall Madonnen fränkischer Bildhauer aus dem Mittelalter, Kreuze aus Marmor – und rund 40 Leute, die zu Rap-Musik ihre Hände in die Luft reißen. So sieht das aus, wenn Menschen durch eine Kunstsammlung führen, die keine Kunsthistoriker sind. Hier leitet niemand Geringeres als der Rapper Grinch Interessierte durch die Kunstsammlung des Bistums Würzburg.
"Führung auf meine Art" heißt die neue Reihe, mit der das MAD aus dem Elfenbeinturm ausbrechen und Kunst für alle zugänglicher machen will. Einmal im Monat soll deshalb eine andere fachfremde Person Interessierte durch das Museum leiten. Die einzige Voraussetzung: Die Bewerberin oder der Bewerber darf kein Kunsthistoriker sein.
Kunst für alle
"Kunstmuseen haben einfach ein ganz großes Problem, dass sie den Menschen leider meistens zeigen, dass sie nicht willkommen sind. Man muss leise sein, alles ist steril und sauber. Wir haben Lust, dass unsere Kunst Menschen begegnet, die aus ganz anderen Kreisen kommen", sagt Marina Breitschaft, die sich die Reihe im Team rund um Kurator Michael Koller ausgedacht hat.
Sich für alle Menschen zu öffnen, weit über die Kunst-Bubble hinaus, sei der wichtigste Ansatz des Museums. Rapper Grinch war schon einmal im MAD zu Gast. "Damals habe ich für die Kunst-Leute hier Essen ausgegeben für einen Catering-Service", sagt er. Zu Beginn der Führung lacht er ungläubig und sagt: "Jetzt habe ich es ganz nach oben geschafft".
Rapper Grinch als Museumsführer? "Völlig verrückte Idee"
Grinch, der immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, heißt mit bürgerlichem Namen Rohit Singh. Er ist als Sohn indischer Eltern in Nordhessen aufgewachsen. Zehn Jahre lang hat er in Würzburg gelebt, hier hat er Lehramt studiert und sein Referendariat absolviert.
"Ich fands eine völlig verrückte Idee, dass jemand eine Führung macht, der eigentlich nicht so einen Plan hat von der Ausstellung und seine Sichtweise darauf erklärt und ihm die Leute einfach zuhören", sagt er. Für den unverhofften Einsatz als Museumsführer ist Grinch extra aus Hamburg angereist, wo er inzwischen lebt. Dort arbeitet er neben dem Rap-Business auch drei Tage als Lehrer an einer Förderschule.
Rapper drückt Altersschnitt merklich
Und tatsächlich, die Führung ist voll ausgebucht. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zum ersten Mal im MAD und der Altersschnitt der MAD-Besucherinnen und -Besucher dürfte sich allein durch diese Führung schon gesenkt haben. Der Rapper ist kein Freund großer Vorreden und kommt gleich zur Sache: "Ich seh’s jetzt so bisschen wie eine Mind-Map. Ich schau mir die Bilder an und sag, was mir einfällt. Lass einfach loslegen!"
Vor einem großen Landschaftsgemälde bleibt er stehen. Das Bild erinnere ihn an die Heimat seiner Eltern Indien, sagt Singh und da er weiß, dass die Menschen auch wegen seiner Musik hier sind, packt er eine schwarze Bluetooth-Box aus. Singh spielt einen eignen Track ab, den er mit dem Gemälde assoziiert. "Zuckerrohrfelder" heißt das noch unveröffentlichte Lied, das auf seiner zweiten EP im Sommer erscheinen wird. Er rappt: "Manchmal fühl ich mich fremd, komm aus einer Welt, die wir nicht kennen."
"Ich habe Worte, die Künstler haben Farbe”
Rassismus, die Suche nach Zugehörigkeit und Identität sind wichtige Motive der Tracks des 31-Jährigen, der 2021 seine erste EP herausbrachte: "INDA - Indisch Nicht Deutsch Auch", heißt sie. Der Titel verweist auf ein Gefühl mit dem Singh in Hofgeismar in Hessen aufgewachsen ist: Zwei Kulturen in sich zu tragen und immer wieder darauf hingewiesen zu werden. "Und mir fällt es auf, dass ich hier auffalle. Mentalität und die Hautfarbe. Pass mich an, grenz mich aus", rappt er. Früher sei es ihm schwergefallen, darüber zu reden. Hip-Hop habe ihm geholfen diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. "Hip-Hop ist eine Kunstform, die aus der Emotion entsteht, so ist es ja mit Gemälden ja auch oft", sagt er und stellt damit den Bezug zum Museum her: "Ich habe Worte und die Künstler haben Farbe."
Jesus, "ein Rapper"?
Immer wieder packt Grinch seine Bluetooth-Box aus und performt eigene Songs zu den ausgestellten Werken. Wie Grinch die Führung gestaltet, steht ihm komplett offen. Vor einem Bild, dass Jesus zeigt, bleibt er stehen. "Es ist halt jemand, der mit Worten versucht hat, Menschen zu überzeugen. Ich seh in ihm auch irgendwie einen Rapper", sagt er.
Seine Ehrlichkeit kommt bei den Teilnehmern der Führung gut an. "Es war erfrischend, dass er seine eigenen Geschichten zu den Bildern erzählt hat", sagt ein Teilnehmer. "Kunst ist ja immer Interpretation." Eine andere Besucherin erzählt: "Ich wurde schon öfter hier ins MAD eingeladen und hab mich immer verweigert, weil ich dachte: Oh Gott, ein christliches Museum, nein danke." Dann habe sie gesehen, dass ein Rapper die Führung leite "und ich fand das einen erfrischenden Take zum Thema und so war es auch."
Ein neuer Zugang zur Kunst
Das Museum lässt andere Perspektiven und Blickwinkel zu: "Dann würden auch wieder mehr Menschen in Museen gehen", resümiert eine Besucherin. Am Ende der Führung erhält Rapper Grinch viel Applaus und geht danach ins persönliche Gespräch mit den Teilnehmern. "Die haben tatsächlich gesagt, dass sie so einen neuen Zugang zur Kunst gefunden haben", sagt er. "Also ich würd's direkt nochmal machen jetzt."
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