Eine Wiese mit Heu (Archivbild)
Bildrechte: BR/Christine Meder

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Früher war mehr Heu-Duft – Stimmt das?

Warum riecht es auf dem Land nur noch selten nach Heu? Die Gründe dafür sind zahlreich und fast durchgehend der Modernisierung der Landwirtschaft geschuldet. Doch wo findet man es noch, das Parfum der Sommerwiesen? Eine Spurensuche.

Über dieses Thema berichtet: Heimat aktuell am .

Heu ist das Parfum der Sommerwiese. Das Futtermittel hat eine Aura. Doch Heu bedeutet auch mehr Arbeit als andere Futtermittel - und beim Trocknen gehen Nährstoffe verloren. Deswegen machen die meisten Milchviehhalter vor allem Silage aus dem Gras. Andere verzichten ganz auf die Silofütterung und verkaufen die Milch ihrer Kühe als Heumilch.

Warum duftet Heu?

Der typische Heu-Duft kommt vom Ruchgras (Anthoxanthum odoratum) und von würzigen Wiesenblumen wie Wiesensalbei, Wiesenkümmel und Margerite, die schonend getrocknet sind. Ein Pflanzenbestand, der richtig aromatisch riecht, liefert in der Regel allerdings kein eiweiß- und energiereiches Grünfutter. Und das brauchen Milchviehbauern, wenn sie Soja und anderes Kraftfutter sparen wollen. Nährstoffreiches Grünfutter liefern zum Beispiel Weidelgras, Wiesenrispe und Rotklee – das sind Pflanzen, die man fünfmal im Jahr mähen und düngen kann, die viel Ertrag liefern, aber nur wenig duften, wenn sie trocknen.

Warum hat es früher mehr nach Heu gerochen als heute?

Weniger Fläche: Es gibt heute weniger Wiesen als vor 50 Jahren – Grünland hat im Verhältnis stärker abgenommen als die Summe der landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Mehr Silage: Bis in die 1970er Jahre hat man das Gras nur selten siliert und fast das ganze Winterfutter zu Heu gemacht. Gras, das siliert wird, liegt nicht drei oder vier Tage auf der Wiese zum Trocknen, wo es den typischen Heuduft erst entwickelt. Es wird schon am zweiten Tag gehäckselt und wegtransportiert. Dazu kommt: Silogras wird zu einem früheren Zeitpunkt gemäht, das Gras ist jünger und hat so gut wie keine Blüten darin, die duften könnten. Wiesenaufwuchs, der in der Biogasanlage verwertet wird, wird davor in der Regel auch siliert.

Keine Kühe mehr im Gäuboden: Die Milchviehhaltung (externer Link) zieht sich immer mehr aus der Fläche zurück, ist nur noch in Oberbayern und in Schwaben weit verbreitet. Deswegen riecht es im Gäuboden und in Unterfranken nur noch in Ausnahmefällen nach Heu.

Stallbau auf der grünen Wiese: Sehr viele Milchviehbetriebe sind in den vergangenen Jahrzehnten ausgesiedelt. Die Tierhaltung ist aus dem Dorf verschwunden. Und damit steht auch kaum noch ein vollgeladener Anhänger mit Heu am Straßenrand herum, an dem man vorbeikommt und dabei tief einatmen kann.

Alle mähen gleichzeitig: Heu wird oft auf den Wiesen gemacht, die über das bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) gefördert werden. Manche Förderungen sind an Schnittzeitpunkte gebunden, vor denen man nicht mähen darf – unter anderem damit die Wiesenblumen auch wirklich zum Blühen kommen. Die Folge: Die Bauern mit KULAP-Wiesen mähen möglichst bald nach dem 15. Juni oder dem 1. Juli – das heißt, dann kommt der Heuduft in engen Zeitfenstern geballt.

Das Wetter: Auch der Klimawandel führt zu weniger Heuduft. Die häufiger werdenden Sommer-Trockenheiten haben zur Folge, dass in manchen Jahren ein bis zwei Schnitte ausfallen. Heuer ist es wetterbedingt andersherum: Nach Angaben der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising sind heuer viele Flächen erst in den vergangenen Tagen zum ersten Mal gemäht worden. Davor war in vielen Gegenden noch keine echte Schönwetterperiode, die zum Heumachen gereicht hätte.

Warum nimmt der Heuduft mancherorts auch zu?

Seit den 2010er Jahren erlebt jedoch die Heumilch einen Aufschwung. Stefan Thurner, Grünfutter-Experte bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, spricht in dem Zusammenhang von einer "Renaissance" der Heuwirtschaft. Die Bauern, die Heumilch erzeugen, verzichten völlig auf Silagefütterung. Sie sind oft so professionell aufgestellt, dass sie das Heu kürzer als früher auf der Wiese trocknen und dann unter Dach belüften, bis es ausreichend trocken ist. So bekommen sie eine bessere Futterqualität.

Unterm Strich gibt es also viele Entwicklungen, die zu weniger Heuduft geführt haben. Und trotzdem kann es gut sein, dass es irgendwo in Bayern heutzutage öfter nach Heu riecht als früher.

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