Lange hat man sie als Opfer der Konzentrationslager nicht im Blick gehabt: Homosexuelle Männer wie Richard Grune. Er kam ins KZ - weil er Männer liebte und keine Frauen.
1933 zog Grune nach Berlin, wollte künstlerisch arbeiten und sich als Homosexueller sicher fühlen. Nur kurze Zeit später, im Jahr 1934, wurde er als Homosexueller registriert und zunächst in verschiedenen Gefängnissen festgehalten.
Ab 1937 bis zum Ende des NS-Regimes im Jahr 1945 war er in Konzentrationslagern: Gezeichnet mit dem nationalsozialistischen Symbol für homosexuelle Gefangene, dem Rosa Winkel. Fünf dieser acht Jahre musste der Zeichner Richard Grune in Flossenbürg verbringen.
Aufarbeitung in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Rund 400 homosexuelle Häftlinge werden hier von 1938 an inhaftiert. In der Häftlingshierarchie stehen sie ganz unten. "Sie müssen Drecksarbeiten verrichten, sie haben einen extrem hohen Gewalttätigkeitsdruck, dem sie ausgesetzt sind", erzählt Professor Jörg Skriebeleit, der Gedenkstättenleiter in Flossenbürg, dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
Etwa 100 homosexuelle Häftlinge werden in Flossenbürg ermordet. Richard Grune überlebt, weil er ein begnadeter Zeichner ist und Bilder für die SS malt. Heimlich hält er auch den Lageralltag fest.
Verfolgung in BRD und DDR
Viele der überlebenden Homosexuellen schweigen jedoch über ihre Erfahrungen im KZ: aus Scham, denn auch nach dem Krieg gelten Homosexuelle in der BRD und in der DDR weiter als Verbrecher. Lange war nur wenig über ihr Schicksal bekannt.
Grune wollte Zeit seines Lebens schonungslos über die Erfahrungen im Konzentrationslager berichten: als Zeitzeuge, als Betroffener, als geächteter Ausgestoßener. Die Anerkennung als KZ-Überlebender und Unterstützung bekam er nie. Auch als Künstler wurde er nicht mehr erfolgreich.
Gedenken mit dem Projekt "ReMember"
Die Gedenkstätte Flossenbürg gedenkt der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus und will ihre Schicksale aufarbeiten. Viele erlebten Hass und Diskriminierung weit über das KZ hinaus. Das Projekt "ReMember" für Jugendliche will daran anknüpfen.
Das Theaterprojekt richtet sich an Schüler aus Schwandorf mit und ohne Migrationshintergrund. Das Projekt biete eine Möglichkeit, von der deutschen Geschichte zu lernen, sagt ein Teilnehmer dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Eine andere Schülerin sieht im Projekt "ReMember" die Chance, dass die Fehler der Vergangenheit sich in Zukunft nicht wiederholen. Projektleiter Dennis Forster erarbeitet die Geschichte gemeinsam mit den Schülern.
"Wir machen Workshops zusammen, wir treffen uns über viele Monate hinweg, beschäftigen uns mit Rassismus, mit Antisemitismus, mit der NS-Geschichte und am Ende geben wir den Jugendlichen die Gelegenheit, das szenisch auf die Bühne zu bringen", sagt Forster.
Schüler erarbeiten sich ein Theaterstück
Die Jugendlichen führen ihr Theaterstück an Schulen auf und diskutieren anschließend mit den Zuschauern. Was sie sich durch die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte erarbeiten, sollen sie auch in ihren Alltag überführen können: Viele von ihnen haben Fluchterfahrung, sind mit Rassismus und Antisemitismus aufgewachsen und waren selbst nicht frei von Vorurteilen.
Im Rahmen des Projekts setzen sie sich anhand der NS-Geschichte auch mit ihren eigenen Biografien auseinander. Dass Hass und Diskriminierung nicht nur im Nationalsozialismus schlimme Folgen hatten, sondern auch heute noch bestehen, kennt eine Schülerin aus eigener Erfahrung.
„Das ist sehr stark noch vorhanden, und ich kenne einige Leute, die unter anderen Sexualitäten leben. Und die trauen sich nicht, das zu sagen, weil sie wissen nie, von wem sie dann verachtet werden", sagt die Projektteilnehmerin Michelle Müller.
Erst 1994 wurde Homosexualität in Deutschland straffrei
Gemeinsam sollen die Jugendlichen Geschichte aufarbeiten und Zivilcourage lernen. Die Geschichte der Homosexuellen steht auch im Programm des Projekts. Somit soll nicht nur Richard Grune, sondern allen Opfern von Diskriminierung aufgrund ihrer Sexualität gedacht werden.
Grune starb 1984 als verarmter Künstler. Die endgültige Abschaffung des sogenannten "Schwulenparagraphen" §175, der Homosexualität zwischen Männern unter Strafe stellte, sollte er nicht mehr erleben. Erst 1994 war es soweit.
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