Der 60-jährige Augsburger Timmy hat fast 20 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht. Drogendelikte, Körperverletzung, Bandenkriminalität – das Strafregister des Mannes, der eigenen Angaben zufolge im Drogen- und Rotlichtmilieu Augsburgs als der "Pate" bekannt war, ist lang. Mehrfach wurde Timmy verurteilt, saß einige Jahre, kam wieder frei und wurde wieder straffällig.
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Timmy erzählt: So geht es wirklich zu im Knast
Seit zehn Jahren ist Timmy endgültig auf freiem Fuß und fühlt sich geläutert. Schon vor seiner Entlassung hat er sich im Präventionsprojekt "Gefangene helfen Jugendlichen" engagiert, um Jugendliche davon abzuhalten, so wie er auf die schiefe Bahn zu kommen. Timmy ist überzeugt, dass viele Jugendliche eine ganz falsche und verklärte Vorstellung davon haben, wie es im Knast wirklich zugeht.
"Die denken halt: Knast ist cool! Da bin ich der Buddy, wie die Jugendlichen mit ihren Worten das so ausdrücken. Und dann, wenn sie hören, was tatsächlich hinter den Mauern passiert, dass das nicht so ein Mädchenheim oder Erholungsheim ist, dann schlucken sie." Timmy, ehemaliger Häftling
Schlägereien und ständig Hunger
In Kooperation mit der Stadtmission Nürnberg besucht Timmy immer wieder Schulklassen und erzählt, wie es wirklich ist, im Gefängnis zu sitzen. An diesem Tag besucht er eine Berufsschulklasse in Nürnberg. Alle hier lernen den Job des Fach-Lageristen. Vor den mehr als 20 Jungs und Mädchen über seine persönliche Geschichte zu sprechen, fällt dem ehemaligen Häftling nicht schwer.
Der 60-Jährige berichtet aus seinem früheren Knastalltag, erzählt vom ständigen Hunger, weil die Essensportionen bewusst klein gehalten würden und dass Erpressung und Schlägereien bittere Realität seien. 23 Stunden allein in der Zelle zu hocken und nur einmal am Tag eine Stunde auf den Hof zu dürfen, mache einen mürbe.
Erschreckend und faszinierend zugleich
Die Schülerinnen und Schüler hören gebannt zu. Timmys Ausführungen sind für sie gleichzeitig fesselnd und schockierend. Seine Erzählungen entfalten genau die abschreckende Wirkung, die sie haben sollen. "Das ist schon ein Brocken". Der 20-jährige Justin muss das alles erst einmal sacken lassen. Schließlich sind Timmys Geschichten keine leichte Kost. "Denke ich lieber mal nach, bevor ich sowas mache", sagt Justin.
Der Ex-Knacki erzählt von seinen Erfahrungen, möchte aber auch von den jungen Leuten wissen, ob die denn schon mal Erfahrungen mit der Polizei gemacht hätten, weil sie sich falsch verhalten haben. Einige der Schülerinnen und Schüler berichten über Freunde und Bekannte, die schon mal Ärger mit dem Gesetz hatten, weil sie mit Drogen erwischt wurden. Einer der Schüler gibt zu, selbst schon mal ein Wochenende im Jugendarrest verbracht zu haben. Da Lehrer bei dem Projekt draußen bleiben müssen, reden die Schüler frei und ungezwungen mit Timmy.
Ziel: Gefährdete Jugendliche abschrecken
Die Idee hinter dem Projekt: Klischees auflösen und gefährdeten Jugendlichen zeigen, dass ein Leben im Knast nicht erstrebenswert ist. Kay Putsche vom Arbeitskreis Resozialisierung der Stadtmission Nürnberg hat das Projekt in Hamburg kennengelernt und war davon so überzeugt, dass er es nun seit einem Dreivierteljahr immer wieder an Schulen in der Metropolregion Nürnberg anbietet.
Oft habe man auch Einsätze, wo die Lehrkräfte bereits im Vorgespräch erzählten, dass sie Kandidaten in den Klassen haben, die sich in "bestimmten Kreisen" bewegen und akut gefährdet seien. Speziell auf diese Schüler soll das Projekt eine Wirkung haben.
Timmy hat gutes Gefühl
Timmy ist nach der Doppelstunde in der Nürnberger Berufsschulklasse zufrieden. Er ist überzeugt, dass seine Ausführungen, insbesondere die über den harten Knastalltag, bei den Jugendlichen noch lange im Gedächtnis bleiben werden. Er ist sicher, dass von diesen Kids keiner mehr denkt, Knast sei irgendwie cool.
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