Weniger Bürokratie, mehr Freiheiten – zum Beispiel für Haus- und Grundbesitzer bei der Gartengestaltung. Das hat sich der Freistaat im Entwurf für ein "Erstes bayerisches Modernisierungsgesetz" auf die Fahnen geschrieben. Doch daran entzündet sich heftige Kritik von Städten und Gemeinden: Denn sie dürfen künftig keine Gartengestaltung mehr per örtlicher Satzung vorschreiben – zum Beispiel nach ökologischen Gesichtspunkten.
Daher befürchten die bayerischen Kommunalverbände deutlich mehr Schottergärten, wenig Grün und weniger Bäume. Wenn der Gesetzentwurf der Staatsregierung Realität wird, darf ein Häuslebauer künftig seinen Garten anlegen, wie er will – solange er den Boden nicht versiegelt und ihn stattdessen begrünt. Das wirft Fragen auf.
- Zum Artikel: Schottergärten - wo sie in Bayern verboten sind
Schottergärten heizen Orte zusätzlich auf
Dem Bürgermeister von Oberhaching, Stefan Schelle (CSU), ist die bayernweite Vorgabe zu schwammig. Denn ein Garten mit Schotter- oder Kieselsteinen sei zwar noch keine Versiegelung, aber trotzdem ökologisch bedenklich: "Wenn ich einen Schottergarten anlege und irgendeinen japanischen Bambus pflanze, ist die Frage, ob das 'begrünt' ist. Für die Artenvielfalt bringt es gar nichts. Für die Versickerung bringt es relativ wenig, die Schottergärten heizen auch den Straßenraum noch weiter auf." In Zeiten des Klimawandels mit zunehmendem Starkregen ist es für Schelle aber wichtig, "dass die Versickerung funktioniert".
Grundbesitzer frohlocken
Der Gesetzentwurf gebe nur allgemein vor, dass neue Gärten "wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen und zu bepflanzen sind", so ein Sprecher des Bauministeriums. Das aber verhindert laut Bürgermeister Schelle keine Schottergärten mit ein paar Grünpflanzen.
Der Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins München, Rudolf Stürzer, begrüßt indes die geplante neue Freiheit bei der Gartengestaltung. Ob Grün- oder Schottergärten, sei letztlich Geschmackssache: "Diese Dinge sollte man den Hauseigentümern überlassen. Da sollte sich nicht der Gesetzgeber oder die Kommune einmischen", so Stürzer gegenüber BR24.
Mehr Bürokratie statt weniger?
Der Freistaat will per Modernisierungsgesetz die bisherigen Gestaltungssatzungen der Kommunen aufheben. Oberhaching im Landkreis München hat darin Schottergärten ausdrücklich verboten und zum Beispiel verfügt, pro 300 Quadratmeter Freifläche mindestens einen größeren Baum zu pflanzen. Das ginge dann künftig nicht mehr, höchstens als Extra-Bestimmung jeweils in einem örtlichen Bebauungsplan - zum Beispiel für ein Wohnviertel.
Das bayerische Bauministerium hält das für praktikabel, Oberhachings Bürgermeister aber nicht: "Ich muss alle Behörden beteiligen, ich muss natürlich die Bürger beteiligen und das dann alles rechtssicher in Satzungen gießen. Das braucht es eigentlich nicht, wenn die Gestaltungssatzung in der Gemeinde nach wie vor gültig bleibt", sagt Schelle. Somit schaffe dies mehr Bürokratie statt weniger.
Sollen Häuslebauer weniger Parkplätze schaffen?
Auch in die örtlichen Stellplatzsatzungen will Bayern eingreifen: Ein Häuslebauer kann künftig nur noch zu maximal einem Parkplatz pro Wohneinheit verpflichtet werden. In vielen Kommunen muss er derzeit zwei Stellplätze schaffen, wenn die Wohneinheit größer ist. Konsequenz der Reform dürfte sein, dass mehr Autos - statt auf dem Grundstück - in den Straßen parken, die dafür mit Steuergeld zum Teil ausgebaut werden müssten.
Oberhachings Bürgermeister Schelle hält nicht nur diese Deckelung für bedenklich: "Es ist immer schwierig, wenn der Freistaat Bayern zentralistisch für alle Gemeinden eine Regelung erlässt. Deshalb: Lasst den Gemeinden ihre Gestaltungshoheit, Satzungen zu erlassen und die Dinge vor Ort zu regeln, wo die Menschen es verstehen und direkt betroffen sind."
Kommunalverbände laufen Sturm
Städte- und Gemeindetag haben die Staatsregierung nun in zwei Brandbriefen aufgefordert, die geplanten Eingriffe in das Kommunalrecht fallen zu lassen und drohen sogar mit Verfassungsklage. Das staatlicherseits angeordnete "Löschen" Hunderter kommunaler Satzungen per Gesetz stelle "einen einmaligen Vorgang" sowie einen "großen Schaden für die Allgemeinheit und (...) minimalen Nutzen für das Bauen" dar, heißt es in dem Brief an die Staatskanzlei.
Auch der Bayerische Landesverein für Heimatpflege sieht einen Qualitätsverlust für Ökologie und Ortsbild, wenn kommunale Freiflächengestaltungssatzungen nicht mehr möglich sind. Die Bayerische Architektenkammer fürchtet zudem, dass die Verpflichtung für Bauherren, ab einer bestimmten Projektgröße Spielplätze zu errichten, künftig auf die Kommunen und damit auf die Steuerzahler verlagert wird.
Sinneswandel im Bauministerium
Dabei hatte der Freistaat erst vor dreieinhalb Jahren den Kommunen ausdrücklich ermöglicht, die konkrete Freiflächengestaltung für Hausgrundstücke selbst zu regeln. Erlangen hat damals als erste Stadt Bayerns Schottergärten verboten. Die Worte der damaligen Bauministerin Kerstin Schreyer, CSU: "Diese Lösung ziehen wir einem bayernweiten Verbot vor." Und: "Wir geben den Städten und Gemeinden mehr Handlungsspielraum."
Zum Sinneswandel heißt es aus dem bayerischen Bauministerium heute: Man wolle erst die Auswertung der aktuellen Verbände-Anhörung abwarten, "ein möglicher Änderungsbedarf" werde "geprüft". Einen Freibrief für Schottergärten sieht man in dem Entwurf indes nicht. Im Herbst soll das "Erste bayerische Modernisierungsgesetz" in den Landtag kommen.
Im Video: Gesetz gegen Bürokratie: Schottergärten bald überall?
Dieser Artikel ist erstmals am 29. Juli 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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